Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

oder unterhaltenen Schulen, wofern diese Genossenschaften dieselben Bedingungen
erfüllen, sämmtlich unter der Voraussetzung, daß die Betheiligten vor der Auf-
lösung dem Rektor der Akademie das Versprechen geben, sich auf zehn Jahre dem
Unterricht zu widmen, und daß sie dieses Versprechen einhalten; 5) die jungen Leute,
welche, ohne in eine der vorstehenden Kategorien zu fallen, einem der in Artikel 79
des Gesetzes vom 15. März 1850 und in Artikel 67 des Gesetzes vom 10. April
1867 vorgesehenen Fülle angehören und rechtzeitig dasselbe Versprechen abgeben; 6) die
von den Erzbischöfen und Bischöfen bezeichneten geistlichen Zöglinge, die sich dem geist¬
lichen Amte widmen, oder die jungen Leute, welche sonst die theologische Laufbahn in
einem der vom Staate unterhaltenen Bekenntnisse gewählt haben, mit der Bedingung,
daß sie dem Militärdienste verfallen, wenn sie diese Studien aufgeben oder wenn im
Alter von 26 Jahren die Ersteren nicht in die höheren Orden aufgestiegen sind und
die Letzteren nicht die Weihe empfangen haben.

Art. 20 und 21 enthalten weitere Detail-Bestimmungen dieser Art. Nach
Art. 22 ist eine provisorische Dispensation bei solchen jungen Leuten zulässig, welche
die einzige Stütze ihrer Familie sind und durch ein Zeugniß der Ortsbehörde nach¬
weisen, daß sie ihre Pflicht als solche wirklich erfüllen.

Von all diesen Punkten gab in der Nationalversammlung nur Artikel
19 zur Debatte Anlaß und wurde in der oben gegebenen Form erst etwas
später nach abermaligen Conferenzen mit dem Unterrichtsminister angenommen.

Am 1. Juni wurde die Berathung festgesetzt und veranlaßte der wichtige
Artikel 23, welcher von den G e stellungs-Aufschüben handelt, eine lebhafte
Debatte.

Gegen diese Aufschübe tritt Herr Gambetta in die Schranken.

Als Secundant Gambetta's fungirt General Guilleaut, während
General Chanzy das Verlangen des radicalen Führers als Parteitaktik be¬
zeichnet und sogar erklärt: Unser Gesetzentwurf ist ein Bau. aus dem man
nicht einen Stein wegnehmen kann, ohne daß das Ganze zusammenbricht;
etwaige Vervollkommnungen müssen einer späteren Periode vorbehalten bleiben.

Am Schlüsse dieser zweitägigen Debatte wurde Art. 23 in folgender Fas¬
sung und zwar der erste Theil fast einstimmig, der zweite mit 590 gegen 86
Stimmen -- angenommen:

In Friedenszeiten können den jungen Leuten, welche vor der Auslassung darum
nachgesucht haben, Einberusungsaufschübe bewilligt werden. Zu diesem Behuf müssen
sie nachweisen, daß es für ihre Ausbildung im Handwerk oder für den Ackerbau, das
Gewerbe oder den Handel, welche sie für eigene Rechnung oder für Rechnung ihrer
Angehörigen betreiben, unerläßlich ist, daß sie ihren Arbeiten nicht sofort entrückt
werden. Der Einberufungsaufschub gewährt weder eine Befreiung noch einen Dispens.
Der Gestellungspflichtige, welcher einen solchen Einberufungsaufschub erwirkt hat, behält
die ihm durch das Loos zugefallene Nummer und muß nach Ablauf des Aufschubes alle
Verpflichtungen erfüllen, welche ihm das Gesetz nach Maßgabe seiner Nummer auferlegt.


Grenzboten IV. 18'-2. 33

oder unterhaltenen Schulen, wofern diese Genossenschaften dieselben Bedingungen
erfüllen, sämmtlich unter der Voraussetzung, daß die Betheiligten vor der Auf-
lösung dem Rektor der Akademie das Versprechen geben, sich auf zehn Jahre dem
Unterricht zu widmen, und daß sie dieses Versprechen einhalten; 5) die jungen Leute,
welche, ohne in eine der vorstehenden Kategorien zu fallen, einem der in Artikel 79
des Gesetzes vom 15. März 1850 und in Artikel 67 des Gesetzes vom 10. April
1867 vorgesehenen Fülle angehören und rechtzeitig dasselbe Versprechen abgeben; 6) die
von den Erzbischöfen und Bischöfen bezeichneten geistlichen Zöglinge, die sich dem geist¬
lichen Amte widmen, oder die jungen Leute, welche sonst die theologische Laufbahn in
einem der vom Staate unterhaltenen Bekenntnisse gewählt haben, mit der Bedingung,
daß sie dem Militärdienste verfallen, wenn sie diese Studien aufgeben oder wenn im
Alter von 26 Jahren die Ersteren nicht in die höheren Orden aufgestiegen sind und
die Letzteren nicht die Weihe empfangen haben.

Art. 20 und 21 enthalten weitere Detail-Bestimmungen dieser Art. Nach
Art. 22 ist eine provisorische Dispensation bei solchen jungen Leuten zulässig, welche
die einzige Stütze ihrer Familie sind und durch ein Zeugniß der Ortsbehörde nach¬
weisen, daß sie ihre Pflicht als solche wirklich erfüllen.

Von all diesen Punkten gab in der Nationalversammlung nur Artikel
19 zur Debatte Anlaß und wurde in der oben gegebenen Form erst etwas
später nach abermaligen Conferenzen mit dem Unterrichtsminister angenommen.

Am 1. Juni wurde die Berathung festgesetzt und veranlaßte der wichtige
Artikel 23, welcher von den G e stellungs-Aufschüben handelt, eine lebhafte
Debatte.

Gegen diese Aufschübe tritt Herr Gambetta in die Schranken.

Als Secundant Gambetta's fungirt General Guilleaut, während
General Chanzy das Verlangen des radicalen Führers als Parteitaktik be¬
zeichnet und sogar erklärt: Unser Gesetzentwurf ist ein Bau. aus dem man
nicht einen Stein wegnehmen kann, ohne daß das Ganze zusammenbricht;
etwaige Vervollkommnungen müssen einer späteren Periode vorbehalten bleiben.

Am Schlüsse dieser zweitägigen Debatte wurde Art. 23 in folgender Fas¬
sung und zwar der erste Theil fast einstimmig, der zweite mit 590 gegen 86
Stimmen — angenommen:

In Friedenszeiten können den jungen Leuten, welche vor der Auslassung darum
nachgesucht haben, Einberusungsaufschübe bewilligt werden. Zu diesem Behuf müssen
sie nachweisen, daß es für ihre Ausbildung im Handwerk oder für den Ackerbau, das
Gewerbe oder den Handel, welche sie für eigene Rechnung oder für Rechnung ihrer
Angehörigen betreiben, unerläßlich ist, daß sie ihren Arbeiten nicht sofort entrückt
werden. Der Einberufungsaufschub gewährt weder eine Befreiung noch einen Dispens.
Der Gestellungspflichtige, welcher einen solchen Einberufungsaufschub erwirkt hat, behält
die ihm durch das Loos zugefallene Nummer und muß nach Ablauf des Aufschubes alle
Verpflichtungen erfüllen, welche ihm das Gesetz nach Maßgabe seiner Nummer auferlegt.


Grenzboten IV. 18'-2. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128719"/>
            <p xml:id="ID_816" prev="#ID_815"> oder unterhaltenen Schulen, wofern diese Genossenschaften dieselben Bedingungen<lb/>
erfüllen, sämmtlich unter der Voraussetzung, daß die Betheiligten vor der Auf-<lb/>
lösung dem Rektor der Akademie das Versprechen geben, sich auf zehn Jahre dem<lb/>
Unterricht zu widmen, und daß sie dieses Versprechen einhalten; 5) die jungen Leute,<lb/>
welche, ohne in eine der vorstehenden Kategorien zu fallen, einem der in Artikel 79<lb/>
des Gesetzes vom 15. März 1850 und in Artikel 67 des Gesetzes vom 10. April<lb/>
1867 vorgesehenen Fülle angehören und rechtzeitig dasselbe Versprechen abgeben; 6) die<lb/>
von den Erzbischöfen und Bischöfen bezeichneten geistlichen Zöglinge, die sich dem geist¬<lb/>
lichen Amte widmen, oder die jungen Leute, welche sonst die theologische Laufbahn in<lb/>
einem der vom Staate unterhaltenen Bekenntnisse gewählt haben, mit der Bedingung,<lb/>
daß sie dem Militärdienste verfallen, wenn sie diese Studien aufgeben oder wenn im<lb/>
Alter von 26 Jahren die Ersteren nicht in die höheren Orden aufgestiegen sind und<lb/>
die Letzteren nicht die Weihe empfangen haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_817"> Art. 20 und 21 enthalten weitere Detail-Bestimmungen dieser Art. Nach<lb/>
Art. 22 ist eine provisorische Dispensation bei solchen jungen Leuten zulässig, welche<lb/>
die einzige Stütze ihrer Familie sind und durch ein Zeugniß der Ortsbehörde nach¬<lb/>
weisen, daß sie ihre Pflicht als solche wirklich erfüllen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_818"> Von all diesen Punkten gab in der Nationalversammlung nur Artikel<lb/>
19 zur Debatte Anlaß und wurde in der oben gegebenen Form erst etwas<lb/>
später nach abermaligen Conferenzen mit dem Unterrichtsminister angenommen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_819"> Am 1. Juni wurde die Berathung festgesetzt und veranlaßte der wichtige<lb/>
Artikel 23, welcher von den G e stellungs-Aufschüben handelt, eine lebhafte<lb/>
Debatte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_820"> Gegen diese Aufschübe tritt Herr Gambetta in die Schranken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_821"> Als Secundant Gambetta's fungirt General Guilleaut, während<lb/>
General Chanzy das Verlangen des radicalen Führers als Parteitaktik be¬<lb/>
zeichnet und sogar erklärt: Unser Gesetzentwurf ist ein Bau. aus dem man<lb/>
nicht einen Stein wegnehmen kann, ohne daß das Ganze zusammenbricht;<lb/>
etwaige Vervollkommnungen müssen einer späteren Periode vorbehalten bleiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_822"> Am Schlüsse dieser zweitägigen Debatte wurde Art. 23 in folgender Fas¬<lb/>
sung und zwar der erste Theil fast einstimmig, der zweite mit 590 gegen 86<lb/>
Stimmen &#x2014; angenommen:</p><lb/>
            <p xml:id="ID_823"> In Friedenszeiten können den jungen Leuten, welche vor der Auslassung darum<lb/>
nachgesucht haben, Einberusungsaufschübe bewilligt werden. Zu diesem Behuf müssen<lb/>
sie nachweisen, daß es für ihre Ausbildung im Handwerk oder für den Ackerbau, das<lb/>
Gewerbe oder den Handel, welche sie für eigene Rechnung oder für Rechnung ihrer<lb/>
Angehörigen betreiben, unerläßlich ist, daß sie ihren Arbeiten nicht sofort entrückt<lb/>
werden. Der Einberufungsaufschub gewährt weder eine Befreiung noch einen Dispens.<lb/>
Der Gestellungspflichtige, welcher einen solchen Einberufungsaufschub erwirkt hat, behält<lb/>
die ihm durch das Loos zugefallene Nummer und muß nach Ablauf des Aufschubes alle<lb/>
Verpflichtungen erfüllen, welche ihm das Gesetz nach Maßgabe seiner Nummer auferlegt.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 18'-2. 33</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] oder unterhaltenen Schulen, wofern diese Genossenschaften dieselben Bedingungen erfüllen, sämmtlich unter der Voraussetzung, daß die Betheiligten vor der Auf- lösung dem Rektor der Akademie das Versprechen geben, sich auf zehn Jahre dem Unterricht zu widmen, und daß sie dieses Versprechen einhalten; 5) die jungen Leute, welche, ohne in eine der vorstehenden Kategorien zu fallen, einem der in Artikel 79 des Gesetzes vom 15. März 1850 und in Artikel 67 des Gesetzes vom 10. April 1867 vorgesehenen Fülle angehören und rechtzeitig dasselbe Versprechen abgeben; 6) die von den Erzbischöfen und Bischöfen bezeichneten geistlichen Zöglinge, die sich dem geist¬ lichen Amte widmen, oder die jungen Leute, welche sonst die theologische Laufbahn in einem der vom Staate unterhaltenen Bekenntnisse gewählt haben, mit der Bedingung, daß sie dem Militärdienste verfallen, wenn sie diese Studien aufgeben oder wenn im Alter von 26 Jahren die Ersteren nicht in die höheren Orden aufgestiegen sind und die Letzteren nicht die Weihe empfangen haben. Art. 20 und 21 enthalten weitere Detail-Bestimmungen dieser Art. Nach Art. 22 ist eine provisorische Dispensation bei solchen jungen Leuten zulässig, welche die einzige Stütze ihrer Familie sind und durch ein Zeugniß der Ortsbehörde nach¬ weisen, daß sie ihre Pflicht als solche wirklich erfüllen. Von all diesen Punkten gab in der Nationalversammlung nur Artikel 19 zur Debatte Anlaß und wurde in der oben gegebenen Form erst etwas später nach abermaligen Conferenzen mit dem Unterrichtsminister angenommen. Am 1. Juni wurde die Berathung festgesetzt und veranlaßte der wichtige Artikel 23, welcher von den G e stellungs-Aufschüben handelt, eine lebhafte Debatte. Gegen diese Aufschübe tritt Herr Gambetta in die Schranken. Als Secundant Gambetta's fungirt General Guilleaut, während General Chanzy das Verlangen des radicalen Führers als Parteitaktik be¬ zeichnet und sogar erklärt: Unser Gesetzentwurf ist ein Bau. aus dem man nicht einen Stein wegnehmen kann, ohne daß das Ganze zusammenbricht; etwaige Vervollkommnungen müssen einer späteren Periode vorbehalten bleiben. Am Schlüsse dieser zweitägigen Debatte wurde Art. 23 in folgender Fas¬ sung und zwar der erste Theil fast einstimmig, der zweite mit 590 gegen 86 Stimmen — angenommen: In Friedenszeiten können den jungen Leuten, welche vor der Auslassung darum nachgesucht haben, Einberusungsaufschübe bewilligt werden. Zu diesem Behuf müssen sie nachweisen, daß es für ihre Ausbildung im Handwerk oder für den Ackerbau, das Gewerbe oder den Handel, welche sie für eigene Rechnung oder für Rechnung ihrer Angehörigen betreiben, unerläßlich ist, daß sie ihren Arbeiten nicht sofort entrückt werden. Der Einberufungsaufschub gewährt weder eine Befreiung noch einen Dispens. Der Gestellungspflichtige, welcher einen solchen Einberufungsaufschub erwirkt hat, behält die ihm durch das Loos zugefallene Nummer und muß nach Ablauf des Aufschubes alle Verpflichtungen erfüllen, welche ihm das Gesetz nach Maßgabe seiner Nummer auferlegt. Grenzboten IV. 18'-2. 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/265>, abgerufen am 22.07.2024.