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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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mistokles blühten und zur Zeit des Perikles ihren höchsten Glanz erreicht
hatten. Silber, Blei, Zink, Antimon war hier gefunden worden. Es ist
nicht nöthig, hier die Geschichte dieser Lauriurnminen bis zur Zeit des Ver¬
falls Griechenlands zu verfolgen. Als Strabo schrieb, glaubte man, sie seien
erschöpft und in der letzten Notiz, die wir über sie haben, durch Pausanias
174 n. Chr., ist von ihnen als etwas längst Vergangenem die Rede.

Wie man sich leicht vorstellen kann, bietet die Oberfläche des Bodens,
der Jahrhunderte lang, zuweilen gleichzeitig von 20,000 Sclaven, durchwühlt
wurde, eine ungeheure Masse von Schlacken und Halden dar, die zuweilen
berghoch aufgeschüttet und jetzt mit Gras und Strauchwerk überwachsen sind,
so daß man ihre ursprüngliche Beschaffenheit nicht mehr zu erkennen vermag.
Diese Schlacken und Halden sind aber noch ungemein reich an Metallen, denn
die Alten, bei denen Berg- und Hüttenwesen nicht jenen hohen Stand ein¬
nahm, wie in unsern Tagen, warfen vieles bei Seite, was heute noch als
sehr werthvoll erscheint. Wir machen hier gleich auf den Unterschied zwischen
Schlacken und Halden aufmerksam. Erstere iseorius) sind künstliche Producte;
sie sind die Abfälle, welche bei der Verhüllung der Erze entstehen. Wird
dieser Verhüttungsprozeß nun schlecht durchgeführt, so geht leicht noch eine
Menge werthvollen Metalls mit in die als unnütz fortgeworfenen Schlacken
über. Das war bei den Lauriumwerken der Fall und wer heute, an der
Hand der neuen wissenschaftlichen Prozesse, dieselben einer abermaligen Ver¬
arbeitung unterwirft, der hält eine reiche Ernte. Die Halden dagegen sind
natürliche Producte; sie sind der Abfall beim Bergbau selbst. Wenn der
Bergmann das edle Erz und Metall im Schachte loslöst, fallen auch Neben-
producte ab; ist er nicht sehr sorgfältig, nicht genau mit der Natur dieser
Abfälle vertraut, so wirft er leicht auch noch Verwerthbares bei Seite und
das ist ebenfalls in Laurium der Fall gewesen. Um diese Halden, griechisch
Ekbolade's, handelt es sich bei der "Lauriumfrage".

Griechenland hatte sich natürlich um diese Schätze nicht gekümmert. Die
beiden Fremden aber, von denen Roux der Inhaber eines großen Geschäfts
in Marseille ist und Serpieri Bergwerke in Sardinien besitzt, durchforschten
den Boden, fanden die von Rasen überwachsenen Schlacken und stiegen -- wohl
die ersten lebenden Wesen seit 2000 Jahren -- in die Schachte und Stollen
der alten Hellenen hinab, wo sie ein eisernes Schlägel und eine irdene Gruben¬
lampe entdeckten, aber auch, neben diesen Reliquien aus alter Zeit, fanden,
daß hier viel, sehr viel Geld zu verdienen sei. Als practische Leute setzten sie
sich sofort mit den Behörden des Dorfes Laurium in Verbindung und kauften
diesem den wüst liegenden Grund und Boden ab, auf dem die Schlacken und
Halden lagen. Der Contract wurde aufgesetzt, regelrecht unterschrieben und


mistokles blühten und zur Zeit des Perikles ihren höchsten Glanz erreicht
hatten. Silber, Blei, Zink, Antimon war hier gefunden worden. Es ist
nicht nöthig, hier die Geschichte dieser Lauriurnminen bis zur Zeit des Ver¬
falls Griechenlands zu verfolgen. Als Strabo schrieb, glaubte man, sie seien
erschöpft und in der letzten Notiz, die wir über sie haben, durch Pausanias
174 n. Chr., ist von ihnen als etwas längst Vergangenem die Rede.

Wie man sich leicht vorstellen kann, bietet die Oberfläche des Bodens,
der Jahrhunderte lang, zuweilen gleichzeitig von 20,000 Sclaven, durchwühlt
wurde, eine ungeheure Masse von Schlacken und Halden dar, die zuweilen
berghoch aufgeschüttet und jetzt mit Gras und Strauchwerk überwachsen sind,
so daß man ihre ursprüngliche Beschaffenheit nicht mehr zu erkennen vermag.
Diese Schlacken und Halden sind aber noch ungemein reich an Metallen, denn
die Alten, bei denen Berg- und Hüttenwesen nicht jenen hohen Stand ein¬
nahm, wie in unsern Tagen, warfen vieles bei Seite, was heute noch als
sehr werthvoll erscheint. Wir machen hier gleich auf den Unterschied zwischen
Schlacken und Halden aufmerksam. Erstere iseorius) sind künstliche Producte;
sie sind die Abfälle, welche bei der Verhüllung der Erze entstehen. Wird
dieser Verhüttungsprozeß nun schlecht durchgeführt, so geht leicht noch eine
Menge werthvollen Metalls mit in die als unnütz fortgeworfenen Schlacken
über. Das war bei den Lauriumwerken der Fall und wer heute, an der
Hand der neuen wissenschaftlichen Prozesse, dieselben einer abermaligen Ver¬
arbeitung unterwirft, der hält eine reiche Ernte. Die Halden dagegen sind
natürliche Producte; sie sind der Abfall beim Bergbau selbst. Wenn der
Bergmann das edle Erz und Metall im Schachte loslöst, fallen auch Neben-
producte ab; ist er nicht sehr sorgfältig, nicht genau mit der Natur dieser
Abfälle vertraut, so wirft er leicht auch noch Verwerthbares bei Seite und
das ist ebenfalls in Laurium der Fall gewesen. Um diese Halden, griechisch
Ekbolade's, handelt es sich bei der „Lauriumfrage".

Griechenland hatte sich natürlich um diese Schätze nicht gekümmert. Die
beiden Fremden aber, von denen Roux der Inhaber eines großen Geschäfts
in Marseille ist und Serpieri Bergwerke in Sardinien besitzt, durchforschten
den Boden, fanden die von Rasen überwachsenen Schlacken und stiegen — wohl
die ersten lebenden Wesen seit 2000 Jahren — in die Schachte und Stollen
der alten Hellenen hinab, wo sie ein eisernes Schlägel und eine irdene Gruben¬
lampe entdeckten, aber auch, neben diesen Reliquien aus alter Zeit, fanden,
daß hier viel, sehr viel Geld zu verdienen sei. Als practische Leute setzten sie
sich sofort mit den Behörden des Dorfes Laurium in Verbindung und kauften
diesem den wüst liegenden Grund und Boden ab, auf dem die Schlacken und
Halden lagen. Der Contract wurde aufgesetzt, regelrecht unterschrieben und


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[0238] mistokles blühten und zur Zeit des Perikles ihren höchsten Glanz erreicht hatten. Silber, Blei, Zink, Antimon war hier gefunden worden. Es ist nicht nöthig, hier die Geschichte dieser Lauriurnminen bis zur Zeit des Ver¬ falls Griechenlands zu verfolgen. Als Strabo schrieb, glaubte man, sie seien erschöpft und in der letzten Notiz, die wir über sie haben, durch Pausanias 174 n. Chr., ist von ihnen als etwas längst Vergangenem die Rede. Wie man sich leicht vorstellen kann, bietet die Oberfläche des Bodens, der Jahrhunderte lang, zuweilen gleichzeitig von 20,000 Sclaven, durchwühlt wurde, eine ungeheure Masse von Schlacken und Halden dar, die zuweilen berghoch aufgeschüttet und jetzt mit Gras und Strauchwerk überwachsen sind, so daß man ihre ursprüngliche Beschaffenheit nicht mehr zu erkennen vermag. Diese Schlacken und Halden sind aber noch ungemein reich an Metallen, denn die Alten, bei denen Berg- und Hüttenwesen nicht jenen hohen Stand ein¬ nahm, wie in unsern Tagen, warfen vieles bei Seite, was heute noch als sehr werthvoll erscheint. Wir machen hier gleich auf den Unterschied zwischen Schlacken und Halden aufmerksam. Erstere iseorius) sind künstliche Producte; sie sind die Abfälle, welche bei der Verhüllung der Erze entstehen. Wird dieser Verhüttungsprozeß nun schlecht durchgeführt, so geht leicht noch eine Menge werthvollen Metalls mit in die als unnütz fortgeworfenen Schlacken über. Das war bei den Lauriumwerken der Fall und wer heute, an der Hand der neuen wissenschaftlichen Prozesse, dieselben einer abermaligen Ver¬ arbeitung unterwirft, der hält eine reiche Ernte. Die Halden dagegen sind natürliche Producte; sie sind der Abfall beim Bergbau selbst. Wenn der Bergmann das edle Erz und Metall im Schachte loslöst, fallen auch Neben- producte ab; ist er nicht sehr sorgfältig, nicht genau mit der Natur dieser Abfälle vertraut, so wirft er leicht auch noch Verwerthbares bei Seite und das ist ebenfalls in Laurium der Fall gewesen. Um diese Halden, griechisch Ekbolade's, handelt es sich bei der „Lauriumfrage". Griechenland hatte sich natürlich um diese Schätze nicht gekümmert. Die beiden Fremden aber, von denen Roux der Inhaber eines großen Geschäfts in Marseille ist und Serpieri Bergwerke in Sardinien besitzt, durchforschten den Boden, fanden die von Rasen überwachsenen Schlacken und stiegen — wohl die ersten lebenden Wesen seit 2000 Jahren — in die Schachte und Stollen der alten Hellenen hinab, wo sie ein eisernes Schlägel und eine irdene Gruben¬ lampe entdeckten, aber auch, neben diesen Reliquien aus alter Zeit, fanden, daß hier viel, sehr viel Geld zu verdienen sei. Als practische Leute setzten sie sich sofort mit den Behörden des Dorfes Laurium in Verbindung und kauften diesem den wüst liegenden Grund und Boden ab, auf dem die Schlacken und Halden lagen. Der Contract wurde aufgesetzt, regelrecht unterschrieben und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/238>, abgerufen am 02.07.2024.