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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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grausamen Türkenjochs, es könnte heute sehr, sehr viel von der Türkei lernen.
Bor allem Ehrlichkeit.

Eine faule, unwissende Race sitzt in einem der schönsten Länder der Welt;
das Klima ist herrlich, die Lage des Landes, vom Meere allseits umspült, ist
eine wunderbare; der Boden bringt Reichthümer wie wenig andere Länder
Europas und dabei leidet das Volk Hunger oder stirbt am Fieber in stagni-
renden Sümpfen , die vor zwei Jahrtausenden noch elyseische Gefilde waren;
sein Land verdorrt am Fuße von Gebirgen, die mit ewigem Schnee bedeckt,
ihm eine immerwährende Quelle der Feuchtigkeit sein könnten; es führt Me¬
talle aus den europäischen Culturstaaten ein. während sie unbenutzt auf der
Oberfläche seines Bodens liegen,- aber es ist zu faul, die Hand danach aus¬
zustrecken, um sie aufzuheben. Kommt nun aber einmal ein intelligenter
Fremder, wendet er den Boden, hebt er dessen Schätze, wird er durch Fleiß
und Findigkeit reich, beutet er die Weinberge, die Kanäle, Minen oder sonst
etwas ihres Grundes und Bodens aus, dann erhebt sich der Neid des faulen
Eingeborenen, dann wird das stupide Knownothingthum derselben im vollen
Maße wach, und räuberisch gehen sie darauf aus, sich mühelos die Früchte,
die der andere gebaut, anzueignen. Wir haben ähnliches oft genug bei deut¬
schen Landsleuten erleben müssen, die -- z. B. in slavischen Landen -- Pio¬
niere der Cultur waren, die lachende Oasen in der Einöde schufen und die
dann nur als "Culturdünger" betrachtet und bei Seite geschoben wurden.
Wir können daher auch vollkommen mit dem Italiener und Franzosen fühlen,
die nach redlicher Arbeit von der halbbarbarischen griechischen Regierung bei
Seite geschoben werden sollen. Möge doch das verrottete Hellenenthum sich
ein Beispiel an Japan nehmen, wie eine Regierung von Fremden lernen und
mit deren Hilfe in die Reihe der modernen Culturstaaten eintreten könne!
Wenn das Cabinet des Königs Georg erst einmal so weise wie das des Mi¬
kado sein wird, dann wird es auch mit Griechenland besser gehen und die Ge¬
setzgebung auf jenem Boden wieder zu Ehren kommen, auf dem ein Solon und
Lykurg gelebt.

Die Geschichte der Lauriumminen, die wir mit diesen strengen aber ge¬
rechten Worten einleiten, ist folgende. Im Mai des Jahres 1863 landete
ein kleines Boot in der Bai von Agastira an der Südspitze Attikas. Heraus
stiegen der Franzose Roux und der Italiener Serpien, sie durchstreiften die
Einöden, kletterten über Fels und Berg und standen endlich am Kap Ko-
lonnäs, das seinen Namen von den noch übrig gebliebenen Säulen des Mi-
"ervatempels zu Sunium führt. Aber den archäologischen Resten strebten jene
beiden nicht nach; sie suchten Reichthümer von reellerem Werthe. Sie wußten,
daß hier großartige alte Bergwerke betrieben worden waren, die unter The-


grausamen Türkenjochs, es könnte heute sehr, sehr viel von der Türkei lernen.
Bor allem Ehrlichkeit.

Eine faule, unwissende Race sitzt in einem der schönsten Länder der Welt;
das Klima ist herrlich, die Lage des Landes, vom Meere allseits umspült, ist
eine wunderbare; der Boden bringt Reichthümer wie wenig andere Länder
Europas und dabei leidet das Volk Hunger oder stirbt am Fieber in stagni-
renden Sümpfen , die vor zwei Jahrtausenden noch elyseische Gefilde waren;
sein Land verdorrt am Fuße von Gebirgen, die mit ewigem Schnee bedeckt,
ihm eine immerwährende Quelle der Feuchtigkeit sein könnten; es führt Me¬
talle aus den europäischen Culturstaaten ein. während sie unbenutzt auf der
Oberfläche seines Bodens liegen,- aber es ist zu faul, die Hand danach aus¬
zustrecken, um sie aufzuheben. Kommt nun aber einmal ein intelligenter
Fremder, wendet er den Boden, hebt er dessen Schätze, wird er durch Fleiß
und Findigkeit reich, beutet er die Weinberge, die Kanäle, Minen oder sonst
etwas ihres Grundes und Bodens aus, dann erhebt sich der Neid des faulen
Eingeborenen, dann wird das stupide Knownothingthum derselben im vollen
Maße wach, und räuberisch gehen sie darauf aus, sich mühelos die Früchte,
die der andere gebaut, anzueignen. Wir haben ähnliches oft genug bei deut¬
schen Landsleuten erleben müssen, die — z. B. in slavischen Landen — Pio¬
niere der Cultur waren, die lachende Oasen in der Einöde schufen und die
dann nur als „Culturdünger" betrachtet und bei Seite geschoben wurden.
Wir können daher auch vollkommen mit dem Italiener und Franzosen fühlen,
die nach redlicher Arbeit von der halbbarbarischen griechischen Regierung bei
Seite geschoben werden sollen. Möge doch das verrottete Hellenenthum sich
ein Beispiel an Japan nehmen, wie eine Regierung von Fremden lernen und
mit deren Hilfe in die Reihe der modernen Culturstaaten eintreten könne!
Wenn das Cabinet des Königs Georg erst einmal so weise wie das des Mi¬
kado sein wird, dann wird es auch mit Griechenland besser gehen und die Ge¬
setzgebung auf jenem Boden wieder zu Ehren kommen, auf dem ein Solon und
Lykurg gelebt.

Die Geschichte der Lauriumminen, die wir mit diesen strengen aber ge¬
rechten Worten einleiten, ist folgende. Im Mai des Jahres 1863 landete
ein kleines Boot in der Bai von Agastira an der Südspitze Attikas. Heraus
stiegen der Franzose Roux und der Italiener Serpien, sie durchstreiften die
Einöden, kletterten über Fels und Berg und standen endlich am Kap Ko-
lonnäs, das seinen Namen von den noch übrig gebliebenen Säulen des Mi-
"ervatempels zu Sunium führt. Aber den archäologischen Resten strebten jene
beiden nicht nach; sie suchten Reichthümer von reellerem Werthe. Sie wußten,
daß hier großartige alte Bergwerke betrieben worden waren, die unter The-


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[0237] grausamen Türkenjochs, es könnte heute sehr, sehr viel von der Türkei lernen. Bor allem Ehrlichkeit. Eine faule, unwissende Race sitzt in einem der schönsten Länder der Welt; das Klima ist herrlich, die Lage des Landes, vom Meere allseits umspült, ist eine wunderbare; der Boden bringt Reichthümer wie wenig andere Länder Europas und dabei leidet das Volk Hunger oder stirbt am Fieber in stagni- renden Sümpfen , die vor zwei Jahrtausenden noch elyseische Gefilde waren; sein Land verdorrt am Fuße von Gebirgen, die mit ewigem Schnee bedeckt, ihm eine immerwährende Quelle der Feuchtigkeit sein könnten; es führt Me¬ talle aus den europäischen Culturstaaten ein. während sie unbenutzt auf der Oberfläche seines Bodens liegen,- aber es ist zu faul, die Hand danach aus¬ zustrecken, um sie aufzuheben. Kommt nun aber einmal ein intelligenter Fremder, wendet er den Boden, hebt er dessen Schätze, wird er durch Fleiß und Findigkeit reich, beutet er die Weinberge, die Kanäle, Minen oder sonst etwas ihres Grundes und Bodens aus, dann erhebt sich der Neid des faulen Eingeborenen, dann wird das stupide Knownothingthum derselben im vollen Maße wach, und räuberisch gehen sie darauf aus, sich mühelos die Früchte, die der andere gebaut, anzueignen. Wir haben ähnliches oft genug bei deut¬ schen Landsleuten erleben müssen, die — z. B. in slavischen Landen — Pio¬ niere der Cultur waren, die lachende Oasen in der Einöde schufen und die dann nur als „Culturdünger" betrachtet und bei Seite geschoben wurden. Wir können daher auch vollkommen mit dem Italiener und Franzosen fühlen, die nach redlicher Arbeit von der halbbarbarischen griechischen Regierung bei Seite geschoben werden sollen. Möge doch das verrottete Hellenenthum sich ein Beispiel an Japan nehmen, wie eine Regierung von Fremden lernen und mit deren Hilfe in die Reihe der modernen Culturstaaten eintreten könne! Wenn das Cabinet des Königs Georg erst einmal so weise wie das des Mi¬ kado sein wird, dann wird es auch mit Griechenland besser gehen und die Ge¬ setzgebung auf jenem Boden wieder zu Ehren kommen, auf dem ein Solon und Lykurg gelebt. Die Geschichte der Lauriumminen, die wir mit diesen strengen aber ge¬ rechten Worten einleiten, ist folgende. Im Mai des Jahres 1863 landete ein kleines Boot in der Bai von Agastira an der Südspitze Attikas. Heraus stiegen der Franzose Roux und der Italiener Serpien, sie durchstreiften die Einöden, kletterten über Fels und Berg und standen endlich am Kap Ko- lonnäs, das seinen Namen von den noch übrig gebliebenen Säulen des Mi- "ervatempels zu Sunium führt. Aber den archäologischen Resten strebten jene beiden nicht nach; sie suchten Reichthümer von reellerem Werthe. Sie wußten, daß hier großartige alte Bergwerke betrieben worden waren, die unter The-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/237>, abgerufen am 30.06.2024.