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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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danken der Provinz Basilicata allein 86,142 Lire und 50 Centesimi auf die
Gefangennahme verschiedener Briganten ausgesetzt. Für die Habhaftmachung
Capuccino's sind 23,515 Lire versprochen, für jene Alfano's 21,565 und 500
für ein Weib Namens Parente. Wenn der Staat es sich so ungeheure
Summen d. h. 5000--6000 Thaler für einen Räuber kosten läßt, dann
müssen dies schon schlimme Gesellen sein. Manzi, der jetzt entronnen ist, hat
120 Mordthaten auf dem Gewissen und doch wurden bei seiner Verurtei¬
lung all'con8t!M2i attenuünti angenommen.

So liegen die Verhältnisse und wir wollen weitere Thatsachen zur Be¬
gründung unseres Ausspruchs anführen, daß es im neuen Königreich Italien
kaum besser geworden ist als in der alten Räuberzeit der Bourbonen. Es
sieht schlimm aus mit der italienischen Cultur, wenn wir auch keineswegs
verkennen wollen, welche üble Erbschaft Victor Emanuel in Neapel angetreten
hat und wie er hier den Augiasstall seiner Vorgänger zu fegen hat. Zunächst
einige Illustrationen aus der Uebergangszeit, wofür uns Fräulein Power
Cobbe eine unternehmende Engländerin, das Material geliefert hat. Sie schrieb
1864 ein vortreffliches Skizzenbuch aus Italien, in welchem das Nachstehende
zu lesen ist. Unter den italienischen Briganten befinden sich Männer aus
angesehenen Familien, die im Namen des vertriebenen Königs von Neapel
und des Papstes mit einer Art von Fanatismus Mord und Straßenrand
treiben. Vor Allem ein Marquis Alfred de Trasegnies aus Namur in Bel¬
gien, welcher sich der Bande Chiavone's als Freiwilliger anschloß. Fräulein
Cobbe beschreibt ihn als einen hübschen blassen Edelmann von 30 Jahren
mit schwarzem Barte, mit aristokratischen Manieren und von vorzüglicher
Bildung. Er trug ein phantastisches Jagdcostum, Revolver, Dolch und Cara-
biner. Mit einem Empfehlungsbriefe an den Abbate Bryan kam er nach
Rom und der fromme Geistliche sandte ihn zum Räuber Chiavone. Der
Marquis wurde später als gemeiner Mörder erschossen -- es hinderte nichts
das Urtheil, trotzdem der päpstliche Kriegsminister Graf Merode sein Oheim
und die ersten belgischen Adelsfamilien seine nächsten Verwandten waren.
Der Geistliche Bryan protestirte dagegen, daß man Trasegnies mit Strolchen
und Mördern in ein Gefängniß zusammen gesperrt habe, doch der comman-
dirende Offizier erwiderte, daß er den Marquis nur in die Gesellschaft ge¬
than habe, welche er in der Freiheit selbst gewählt hatte.

Ein verwandter Geist war der österreichische Lieutenant Zimmermann,
der mehr Künstler und Dichter als Soldat war und den sein romantisches
Gemüth unter die Räuber trieb. Er schrieb Verse auf seinen Raubzügen,
sang und spielte mehrere Instrumente. Ihm war es ein poetisches Bedürfniß,
sich in den Wäldern herumzuschlagen, um hübsche Aussichten und schöne
Mädchen aufzusuchen. Spanien lieferte in der Person des Don Jose Borge's


danken der Provinz Basilicata allein 86,142 Lire und 50 Centesimi auf die
Gefangennahme verschiedener Briganten ausgesetzt. Für die Habhaftmachung
Capuccino's sind 23,515 Lire versprochen, für jene Alfano's 21,565 und 500
für ein Weib Namens Parente. Wenn der Staat es sich so ungeheure
Summen d. h. 5000—6000 Thaler für einen Räuber kosten läßt, dann
müssen dies schon schlimme Gesellen sein. Manzi, der jetzt entronnen ist, hat
120 Mordthaten auf dem Gewissen und doch wurden bei seiner Verurtei¬
lung all'con8t!M2i attenuünti angenommen.

So liegen die Verhältnisse und wir wollen weitere Thatsachen zur Be¬
gründung unseres Ausspruchs anführen, daß es im neuen Königreich Italien
kaum besser geworden ist als in der alten Räuberzeit der Bourbonen. Es
sieht schlimm aus mit der italienischen Cultur, wenn wir auch keineswegs
verkennen wollen, welche üble Erbschaft Victor Emanuel in Neapel angetreten
hat und wie er hier den Augiasstall seiner Vorgänger zu fegen hat. Zunächst
einige Illustrationen aus der Uebergangszeit, wofür uns Fräulein Power
Cobbe eine unternehmende Engländerin, das Material geliefert hat. Sie schrieb
1864 ein vortreffliches Skizzenbuch aus Italien, in welchem das Nachstehende
zu lesen ist. Unter den italienischen Briganten befinden sich Männer aus
angesehenen Familien, die im Namen des vertriebenen Königs von Neapel
und des Papstes mit einer Art von Fanatismus Mord und Straßenrand
treiben. Vor Allem ein Marquis Alfred de Trasegnies aus Namur in Bel¬
gien, welcher sich der Bande Chiavone's als Freiwilliger anschloß. Fräulein
Cobbe beschreibt ihn als einen hübschen blassen Edelmann von 30 Jahren
mit schwarzem Barte, mit aristokratischen Manieren und von vorzüglicher
Bildung. Er trug ein phantastisches Jagdcostum, Revolver, Dolch und Cara-
biner. Mit einem Empfehlungsbriefe an den Abbate Bryan kam er nach
Rom und der fromme Geistliche sandte ihn zum Räuber Chiavone. Der
Marquis wurde später als gemeiner Mörder erschossen — es hinderte nichts
das Urtheil, trotzdem der päpstliche Kriegsminister Graf Merode sein Oheim
und die ersten belgischen Adelsfamilien seine nächsten Verwandten waren.
Der Geistliche Bryan protestirte dagegen, daß man Trasegnies mit Strolchen
und Mördern in ein Gefängniß zusammen gesperrt habe, doch der comman-
dirende Offizier erwiderte, daß er den Marquis nur in die Gesellschaft ge¬
than habe, welche er in der Freiheit selbst gewählt hatte.

Ein verwandter Geist war der österreichische Lieutenant Zimmermann,
der mehr Künstler und Dichter als Soldat war und den sein romantisches
Gemüth unter die Räuber trieb. Er schrieb Verse auf seinen Raubzügen,
sang und spielte mehrere Instrumente. Ihm war es ein poetisches Bedürfniß,
sich in den Wäldern herumzuschlagen, um hübsche Aussichten und schöne
Mädchen aufzusuchen. Spanien lieferte in der Person des Don Jose Borge's


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/197>, abgerufen am 03.07.2024.