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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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provinziellen Mobilgarden, namentlich die des Ostens, Nordens und
Nordwestens hat eine sehr viel bessere Haltung als die Pariser gezeigt; aber
der eigentlich militärische Geist, der Geist freudigen, selbstbewußten aber
unbedingten Gehorsams, hat auch in den Reihen der besten dieser Garden
zum großen Nachtheil der französischen Sache fast überall gefehlt.

Von den Fran ctireurs, welche sich im Jahre 1867 mit so großem
Pomp installirt hatten, war natürlich zunächst noch keine Rede. "Und doch",
sagt Bazaine, "wenn sie nur besser bewaffnet gewesen wären, so hätten in
den Grenzdepartements die Zollbeamten, die Forstläuser, die Flurschützen, ja
die städtischen Feuerwehren zusammentreten und bei einem Vertheidigungs¬
kriege treffliche Dienste leisten können. Aber die Grenzjäger und Förster
hatten nichts in der Hand als ihr mangelhaftes Perkussionsgewehr, ja die
Diedenhofer Feuerwehr, deren gediegene Erscheinung wie die einer Genietruppe
anmuthete, führte sogar noch Flinten mit Steinschlössern."

Die fremden Truppen, welche Frankreich im Kriege 1870 ins Feld
führte, zumal die Turcos, sind der Gegenstand sehr leidenschaftlicher, schwer¬
lich gerechter Angriffe gewesen. In vielen Beziehungen scheinen sie sogar die
nationalfranzösischen Truppen an militärischen Tugenden übertroffen zu haben.
"Französische Officiere sagen, daß wer lange bei den Turcos (tiraillkurs m-
ali^vues) oder bei den ekasseurs ü'^trie^us gestanden, sich schwer an den
Mangel an Subordination bei den französischen National-Regimentern ge¬
wöhnen könne. Wenn auf dem Rendezvous oder im Lager die Bataillone
wie ein Bienenschwarm auseinanderstoben, um Kartoffeln, Rüben oder Zwie¬
beln auf den umliegenden Feldern zu suchen, so blieben nur die besser dis-
ciplinirten, bedürfnißlosen Turcos bei den Gewehren. Auch die preußischen
Festungs-Commandanten bestätigen, daß sie von allen Kriegsgefangenen am
leichtesten in Ordnung zu erhalten waren."*) Uebrigens suchten die Fran¬
zosen, ihrer Gewohnheit nach, sogleich nach Kriegsausbruch im Auslande
für ihre Armee zu werben. Natürlich faßten sie dabei vorzugsweise die
Schweiz ins Auge, und seit dem 30. Juli war der Bundesrath benach¬
richtigt, daß in den Cantonen Waadt und Genf Werbungen auf Rechnung
Frankreichs stattfanden. In Folge dessen wurden alle Cantone von Seiten
des Bundesrathes darauf aufmerksam gemacht, daß solche Anwerbungen unter
den augenblicklichen Verhältnissen die Neutralität der Schweiz compromittiren
würden, und aufgefordert, jedem derartigen Versuch energisch entgegen zu
treten.**)




*) Wie unsere Schlachtenmaler die schwarzen Wüstensohne so oft in ihren Gemälden dar¬
stellen, daß man meinen sollte, die Hälfte der französischen Armee hätte aus afrikanischen
Truppen bestanden, so ließen sie sich auch in den farbenreichen Schilderungen der Feuilletonisten
am wirksamsten verwerthen, (v. Meerheimv.)
") Bericht des Bundesrathes im ^om'ni"! als (Zeuöve.

provinziellen Mobilgarden, namentlich die des Ostens, Nordens und
Nordwestens hat eine sehr viel bessere Haltung als die Pariser gezeigt; aber
der eigentlich militärische Geist, der Geist freudigen, selbstbewußten aber
unbedingten Gehorsams, hat auch in den Reihen der besten dieser Garden
zum großen Nachtheil der französischen Sache fast überall gefehlt.

Von den Fran ctireurs, welche sich im Jahre 1867 mit so großem
Pomp installirt hatten, war natürlich zunächst noch keine Rede. „Und doch",
sagt Bazaine, „wenn sie nur besser bewaffnet gewesen wären, so hätten in
den Grenzdepartements die Zollbeamten, die Forstläuser, die Flurschützen, ja
die städtischen Feuerwehren zusammentreten und bei einem Vertheidigungs¬
kriege treffliche Dienste leisten können. Aber die Grenzjäger und Förster
hatten nichts in der Hand als ihr mangelhaftes Perkussionsgewehr, ja die
Diedenhofer Feuerwehr, deren gediegene Erscheinung wie die einer Genietruppe
anmuthete, führte sogar noch Flinten mit Steinschlössern."

Die fremden Truppen, welche Frankreich im Kriege 1870 ins Feld
führte, zumal die Turcos, sind der Gegenstand sehr leidenschaftlicher, schwer¬
lich gerechter Angriffe gewesen. In vielen Beziehungen scheinen sie sogar die
nationalfranzösischen Truppen an militärischen Tugenden übertroffen zu haben.
„Französische Officiere sagen, daß wer lange bei den Turcos (tiraillkurs m-
ali^vues) oder bei den ekasseurs ü'^trie^us gestanden, sich schwer an den
Mangel an Subordination bei den französischen National-Regimentern ge¬
wöhnen könne. Wenn auf dem Rendezvous oder im Lager die Bataillone
wie ein Bienenschwarm auseinanderstoben, um Kartoffeln, Rüben oder Zwie¬
beln auf den umliegenden Feldern zu suchen, so blieben nur die besser dis-
ciplinirten, bedürfnißlosen Turcos bei den Gewehren. Auch die preußischen
Festungs-Commandanten bestätigen, daß sie von allen Kriegsgefangenen am
leichtesten in Ordnung zu erhalten waren."*) Uebrigens suchten die Fran¬
zosen, ihrer Gewohnheit nach, sogleich nach Kriegsausbruch im Auslande
für ihre Armee zu werben. Natürlich faßten sie dabei vorzugsweise die
Schweiz ins Auge, und seit dem 30. Juli war der Bundesrath benach¬
richtigt, daß in den Cantonen Waadt und Genf Werbungen auf Rechnung
Frankreichs stattfanden. In Folge dessen wurden alle Cantone von Seiten
des Bundesrathes darauf aufmerksam gemacht, daß solche Anwerbungen unter
den augenblicklichen Verhältnissen die Neutralität der Schweiz compromittiren
würden, und aufgefordert, jedem derartigen Versuch energisch entgegen zu
treten.**)




*) Wie unsere Schlachtenmaler die schwarzen Wüstensohne so oft in ihren Gemälden dar¬
stellen, daß man meinen sollte, die Hälfte der französischen Armee hätte aus afrikanischen
Truppen bestanden, so ließen sie sich auch in den farbenreichen Schilderungen der Feuilletonisten
am wirksamsten verwerthen, (v. Meerheimv.)
") Bericht des Bundesrathes im ^om'ni»! als (Zeuöve.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/183>, abgerufen am 22.07.2024.