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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Betrage zu gelangen; und zwar sind es gewöhnlich eine Anzahl Neger ein
und desselben Stammes, welche zusammen ihr Glück wagen und -- eine be¬
merkenswerthe Thatsache! -- wenn ihnen dasselbe hold ist, die gewonnene
Summe, soweit dieselbe reicht, zum Loskauf ihrer Stammesgenossen aus der
Sclaverei verwenden.

Es ist äußerst verständig von der spanischen Regierung, daß sie nicht die
plötzliche, sondern die allmählige Emancipation der Sclaven auf Cuba
durchführt. Dänemark, welches 1848 alle Sclaven auf den benachbarten
Inseln Se. Thomas und Se. Croix emancipirte, ließ doch für eine Reihe
von Jahren eine Art Hörigkeitsverhältniß fortbestehen, damit der Neger, dem
bisher alle jene unzähligen Triebfedern des freien Arbeiters fehlten, welcher
als Sclave jede Thätigkeit haßte, weil sie ihm keinen Nutzen brachte, allmäh¬
lich den Segen der freien Arbeit kennen und schätzen lernte. Jeder eman¬
cipirte Neger war verpflichtet zu arbeiten, um sich auf diese Weise allmählig
daran zu gewöhnen, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen. Keinem ehe¬
maligen Sclaven war, so lange das Hörigkeitsverhältniß dauerte, gestattet,
seinen Dienstherrn -- den er selber wählen durfte -- wieder zu verlassen, be¬
vor er bei Gericht nachzuweisen vermochte, daß er bei einem andern Arbeit¬
geber Erwerb gefunden habe. Nur in dem Falle, daß ein Neger sich durch
Fleiß und Sparsamkeit so viel Eigenthum erworben hatte, um eine selbst¬
ständige, wenn auch noch so bescheidene Existenz gründen zu können, endete
die Hörigkeit noch vor Ablauf der durch das Gesetz bestimmten Frist. Viele
Neger sind auf diese Weise zum Bewußtsein des Segens der freien Arbeit
gelangt und auf Se. Thomas tüchtige Leute geworden. Von der Mehrzahl
läßt sich das jedoch nicht sagen, trotzdem sie in einem Vierteljahrhundert Zeit
genug hatten, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, ordentliche Menschen zu werden.
Die Emancipation hat auch ihre Kehrseite und wie die Bauernemancipation
in Nußland zunächst nachtheilig für die Betreffenden wirkt, so ist dies in
noch weit höherem Maße mit den Negern der Fall. Cuba wird in dieser
Beziehung seinem Schicksale nicht entgehen, der wirthschaftliche Rückschlag wird
ein empfindlicher sein und ob nicht auch der moralische eintritt, ist leider kaum
zweifelhaft, wenn wir die Resultate ins Auge fassen, welche die Emancipation
auf den übrigen westindischen Inseln, den englischen und französischen hervor¬
gebracht hat. Wir müssen aufrichtig sein, dürfen nicht wieder Vogel?tranß
den Kopf in einen Steinhaufen stecken, sondern müssen das kommende Uebel
zu bekämpfen suchen. Ich könnte ähnliche Schattenseiten der Folgen der Eman¬
cipation massenhaft aus unseren zerrütteten Südstaaten beibringen, indessen
hier passen um der politischen und geographischen Verhältnisse willen mehr die
Beispiele aus Westindien.

Als England die Sclaverei in Westindien abschaffte, gab es gleichzeitig


Betrage zu gelangen; und zwar sind es gewöhnlich eine Anzahl Neger ein
und desselben Stammes, welche zusammen ihr Glück wagen und — eine be¬
merkenswerthe Thatsache! — wenn ihnen dasselbe hold ist, die gewonnene
Summe, soweit dieselbe reicht, zum Loskauf ihrer Stammesgenossen aus der
Sclaverei verwenden.

Es ist äußerst verständig von der spanischen Regierung, daß sie nicht die
plötzliche, sondern die allmählige Emancipation der Sclaven auf Cuba
durchführt. Dänemark, welches 1848 alle Sclaven auf den benachbarten
Inseln Se. Thomas und Se. Croix emancipirte, ließ doch für eine Reihe
von Jahren eine Art Hörigkeitsverhältniß fortbestehen, damit der Neger, dem
bisher alle jene unzähligen Triebfedern des freien Arbeiters fehlten, welcher
als Sclave jede Thätigkeit haßte, weil sie ihm keinen Nutzen brachte, allmäh¬
lich den Segen der freien Arbeit kennen und schätzen lernte. Jeder eman¬
cipirte Neger war verpflichtet zu arbeiten, um sich auf diese Weise allmählig
daran zu gewöhnen, für seinen eigenen Unterhalt zu sorgen. Keinem ehe¬
maligen Sclaven war, so lange das Hörigkeitsverhältniß dauerte, gestattet,
seinen Dienstherrn — den er selber wählen durfte — wieder zu verlassen, be¬
vor er bei Gericht nachzuweisen vermochte, daß er bei einem andern Arbeit¬
geber Erwerb gefunden habe. Nur in dem Falle, daß ein Neger sich durch
Fleiß und Sparsamkeit so viel Eigenthum erworben hatte, um eine selbst¬
ständige, wenn auch noch so bescheidene Existenz gründen zu können, endete
die Hörigkeit noch vor Ablauf der durch das Gesetz bestimmten Frist. Viele
Neger sind auf diese Weise zum Bewußtsein des Segens der freien Arbeit
gelangt und auf Se. Thomas tüchtige Leute geworden. Von der Mehrzahl
läßt sich das jedoch nicht sagen, trotzdem sie in einem Vierteljahrhundert Zeit
genug hatten, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, ordentliche Menschen zu werden.
Die Emancipation hat auch ihre Kehrseite und wie die Bauernemancipation
in Nußland zunächst nachtheilig für die Betreffenden wirkt, so ist dies in
noch weit höherem Maße mit den Negern der Fall. Cuba wird in dieser
Beziehung seinem Schicksale nicht entgehen, der wirthschaftliche Rückschlag wird
ein empfindlicher sein und ob nicht auch der moralische eintritt, ist leider kaum
zweifelhaft, wenn wir die Resultate ins Auge fassen, welche die Emancipation
auf den übrigen westindischen Inseln, den englischen und französischen hervor¬
gebracht hat. Wir müssen aufrichtig sein, dürfen nicht wieder Vogel?tranß
den Kopf in einen Steinhaufen stecken, sondern müssen das kommende Uebel
zu bekämpfen suchen. Ich könnte ähnliche Schattenseiten der Folgen der Eman¬
cipation massenhaft aus unseren zerrütteten Südstaaten beibringen, indessen
hier passen um der politischen und geographischen Verhältnisse willen mehr die
Beispiele aus Westindien.

Als England die Sclaverei in Westindien abschaffte, gab es gleichzeitig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/117>, abgerufen am 22.07.2024.