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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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den freigewordenen Negern einige Borrechte, um ihnen den Kampf ums Da¬
sein zu erleichtern. So z. B. sollten ihren Produkten die Häfen des Mut¬
terlandes zu günstigeren Bedingungen geöffnet sein, als den Erzeugnissen
fremder Colonien. Der Neger dachte indessen nicht daran, von solchen Vor¬
theilen zu profitiren, er fühlte kein Bedürfniß zu arbeiten, er wollte nicht ar¬
beiten. Das höchste, wozu er sich in einigen Fällen emporschwang, war die
Pflege einiger Bananen; sie genügten vollkommen zur Befriedigung seiner Be¬
dürfnisse. Die Produktion mußte natürlich in Folge dessen, bei dem fast ab¬
soluten Mangel brauchbarer Arbeitskräfte ungemein fallen. Uebrigens darf
man auch nicht vergessen, daß der freie Neger selbst beim besten Willen die
Concurrenz mit der Sclavenarbeit in Cuba und Brasilien nicht hätte auf¬
nehmen können, indem das zur Bebauung des Landes nöthige Capital fehlte.
Niemand hatte nach der Emancipation Lust, sein Geld hypothekarisch auf
Plantagen zu geben, weil man einsah, daß jetzt keinerlei Sicherheit für einen
rationellen Betrieb derselben mehr da sei, daß die Plantagenbesitzer selbst beim
allerbesten Willen die Zinsen nicht würden bezahlen können. In Folge dieser
Umstände versank das einst so blühende Jamaica immer mehr in Armuth
und Elend. Die nachstehenden Daten zeigen den jährlichen Durchschnittsexport
dieser Insel vor und nach der Sclavenemaneipation und jeder Unbefangene
wird aus diesen Zahlen besser wie aus einer detaillirten Schilderung den Er¬
folg der Emancipation auf wirthschaftlichem Gebiete herauslesen. Der durch¬
schnittliche jährliche Export von Jamaica betrug:

1800-1830124,000 Hoyshead Zucker 44.000 PuncheresRum 146,000 Ctr. Caffee
1845--1848 44.000 " " 17,000 " " 60,000 " "
Abnahme 64V-^o 64V2°/o, 69"/">

Die weißen Plantagenbesitzer waren einfach ruinirt. Das wäre schließlich
das wenigste gewesen und man hätte sich darüber trösten können, wenn nur
die ehemaligen Sclaven selbst zu einer größern Prosperität gelangt wären;
denn diese 300,000 an der Zahl überragen die Weißen um das hundertfache.
Hat aber die Emancipation den Negern wirklich Vortheile gebracht. Leider
wenig! Die Schwarzen hatten mit der Freiheit weder Sinn für dieselbe noch
Moralität angenommen; da der Neger keine der Beschränkungen kennt, welche
die Civilisation dem Menschen auferlegt, so fühlt er auch nicht den Druck der
an sie gebundenen Nothwendigkeiten. Seine natürlichen Bedürfnisse sind so
außerordentlich leicht befriedigt, daß es seinerseits durchaus keiner Anstrengun¬
gen bedarf. Die Schwarzen sind daher, statt intelligenter Ackerbauer Squat-
ters geworden, die an einem beliebigen Puncte zigeunermäßig sich niederlassen,
ihn beliebig verlassen, um dann einen andern aufzusuchen. Der größte Theil
aber ergab sich dem Nichtsthun. Um leben zu können brauchte er wöchentlich
eine Stunde zu arbeiten und das war genug. Als Sclaven waren die Neger


den freigewordenen Negern einige Borrechte, um ihnen den Kampf ums Da¬
sein zu erleichtern. So z. B. sollten ihren Produkten die Häfen des Mut¬
terlandes zu günstigeren Bedingungen geöffnet sein, als den Erzeugnissen
fremder Colonien. Der Neger dachte indessen nicht daran, von solchen Vor¬
theilen zu profitiren, er fühlte kein Bedürfniß zu arbeiten, er wollte nicht ar¬
beiten. Das höchste, wozu er sich in einigen Fällen emporschwang, war die
Pflege einiger Bananen; sie genügten vollkommen zur Befriedigung seiner Be¬
dürfnisse. Die Produktion mußte natürlich in Folge dessen, bei dem fast ab¬
soluten Mangel brauchbarer Arbeitskräfte ungemein fallen. Uebrigens darf
man auch nicht vergessen, daß der freie Neger selbst beim besten Willen die
Concurrenz mit der Sclavenarbeit in Cuba und Brasilien nicht hätte auf¬
nehmen können, indem das zur Bebauung des Landes nöthige Capital fehlte.
Niemand hatte nach der Emancipation Lust, sein Geld hypothekarisch auf
Plantagen zu geben, weil man einsah, daß jetzt keinerlei Sicherheit für einen
rationellen Betrieb derselben mehr da sei, daß die Plantagenbesitzer selbst beim
allerbesten Willen die Zinsen nicht würden bezahlen können. In Folge dieser
Umstände versank das einst so blühende Jamaica immer mehr in Armuth
und Elend. Die nachstehenden Daten zeigen den jährlichen Durchschnittsexport
dieser Insel vor und nach der Sclavenemaneipation und jeder Unbefangene
wird aus diesen Zahlen besser wie aus einer detaillirten Schilderung den Er¬
folg der Emancipation auf wirthschaftlichem Gebiete herauslesen. Der durch¬
schnittliche jährliche Export von Jamaica betrug:

1800-1830124,000 Hoyshead Zucker 44.000 PuncheresRum 146,000 Ctr. Caffee
1845—1848 44.000 „ „ 17,000 „ „ 60,000 „ „
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Die weißen Plantagenbesitzer waren einfach ruinirt. Das wäre schließlich
das wenigste gewesen und man hätte sich darüber trösten können, wenn nur
die ehemaligen Sclaven selbst zu einer größern Prosperität gelangt wären;
denn diese 300,000 an der Zahl überragen die Weißen um das hundertfache.
Hat aber die Emancipation den Negern wirklich Vortheile gebracht. Leider
wenig! Die Schwarzen hatten mit der Freiheit weder Sinn für dieselbe noch
Moralität angenommen; da der Neger keine der Beschränkungen kennt, welche
die Civilisation dem Menschen auferlegt, so fühlt er auch nicht den Druck der
an sie gebundenen Nothwendigkeiten. Seine natürlichen Bedürfnisse sind so
außerordentlich leicht befriedigt, daß es seinerseits durchaus keiner Anstrengun¬
gen bedarf. Die Schwarzen sind daher, statt intelligenter Ackerbauer Squat-
ters geworden, die an einem beliebigen Puncte zigeunermäßig sich niederlassen,
ihn beliebig verlassen, um dann einen andern aufzusuchen. Der größte Theil
aber ergab sich dem Nichtsthun. Um leben zu können brauchte er wöchentlich
eine Stunde zu arbeiten und das war genug. Als Sclaven waren die Neger


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/118>, abgerufen am 24.06.2024.