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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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reichen dürfte. Dem Bertrage von 1817 zuwider, wodurch sich Spanien gegen
Großbritannien, Frankreich und Portugal verpflichtete, keine Neger mehr einzu¬
führen, wurden jährlich 10,000 bis 12,000 Schwarze importirt. Noch im Jahre
1860 versicherte der britische Generalconsul in der Havana, Crawfurd, positiven
Nachweis über die Einfuhr von 26,000 Sclaven in jenem Jahre in Händen zu
haben -- und so ist es fortgegangen bis in die allerneueste Zeit, Man be¬
gnügte sich in Cuba nicht mit den Sclaven, welche die "Zucht" lieferte, son¬
dern holte heimlich frische Waare. Im Jahre 1817, zur Zeit des Ueberein-
kommens mit England, gab es auf der ganzen Insel nur 2000 Negersclaven.
Wie anders denn läßt sich der Zuwachs bis auf 600.000 erklären, als durch
fortgesetzten Sclavenhandel und Sclavenschmuggel. Der Preis eines Neger¬
sclaven ist in Cuba in den letzten 30 Jahren von 2000 aus 6000 Francs
gestiegen, so daß die heutige Sclavenbevölkerung der Insel ein Capital von
3600 Millionen Francs reprcisentirt. Da in Afrika ein Neger durchschnittlich
nicht mehr als 100--180 Francs werthet, so haben die 600,000 Sclaven den
Sclavenhäudlern höchstens 00 Millionen Francs gekostet, welche sie den Afrikanern
in Waffen, Pulver, Branntwein, Geweben und anderen Waaren bezahlten. Fer¬
nando Garrido bemerkt in seinem Werke über Spanien, die Verwaltung habe
im Durchschnitt 2S0 Francs per Neger erhalten, um ein Auge zuzudrücken
und die Einfuhr nicht gewahr zu werden, und zwar sei die Prämie von 48
Francs im Jahre 1843 allmählich auf 260 und zuletzt bis auf S26 Francs
per Negersclaven gestiegen.

Die Negersclaven Cubas sind ganz besonders kräftige, athletische Ge¬
stalten, wozu wohl hauptsächlich der Umstand beitragen mag, daß es auf
keiner andern Insel Westindiens so viele Vollblutneger gibt und die schwarze
Bevölkerung aus dem afrikanischen Mutterlande so häufig frischen Zuwachs
erhielt. Fast alle durch ihre Muskulatur und Körperkraft ausgezeichneten
Stämme Äthiopieus sind auf der Insel vertreten.

Die Gesetze für die Negersclaven Cubas und der spanischen Colonien
überhaupt sind humaner als sie in unseren Südstaaten waren. Nach den
I^g'of alö Ills Inäiirs kann ein Negersclave zu jeder Zeit gegen die Erlegung
von S00 Dollars seine Freiheit erkaufen und die Syndici sind beauftragt über
dieses Recht der schwarzen Bevölkerung zu wachen. Ebenso kann eine schwangere
Sclavin für 1L Dollars die Freiheit ihrer Leibesfrucht und für 30 Dollars
jene eines neugeborenen Kindes erkaufen. Dagegen sind die Negersclaven auf
Cuba schlechter gekleidet und schlechter genährt, als in unseren Südstaaten,
arbeiten aber auch weniger und minder anstrengend und haben mehr Gelegen¬
heit zu etwas Eigenthum zu gelangen, als dieses bei uns der Fall war. Eine
große Leidenschaft haben die cubanischen Schwarzen für das Lottospiel, weil
sie darin das vortheilhafteste Mittel erblicken, um rasch zu einem namhaften


reichen dürfte. Dem Bertrage von 1817 zuwider, wodurch sich Spanien gegen
Großbritannien, Frankreich und Portugal verpflichtete, keine Neger mehr einzu¬
führen, wurden jährlich 10,000 bis 12,000 Schwarze importirt. Noch im Jahre
1860 versicherte der britische Generalconsul in der Havana, Crawfurd, positiven
Nachweis über die Einfuhr von 26,000 Sclaven in jenem Jahre in Händen zu
haben — und so ist es fortgegangen bis in die allerneueste Zeit, Man be¬
gnügte sich in Cuba nicht mit den Sclaven, welche die „Zucht" lieferte, son¬
dern holte heimlich frische Waare. Im Jahre 1817, zur Zeit des Ueberein-
kommens mit England, gab es auf der ganzen Insel nur 2000 Negersclaven.
Wie anders denn läßt sich der Zuwachs bis auf 600.000 erklären, als durch
fortgesetzten Sclavenhandel und Sclavenschmuggel. Der Preis eines Neger¬
sclaven ist in Cuba in den letzten 30 Jahren von 2000 aus 6000 Francs
gestiegen, so daß die heutige Sclavenbevölkerung der Insel ein Capital von
3600 Millionen Francs reprcisentirt. Da in Afrika ein Neger durchschnittlich
nicht mehr als 100—180 Francs werthet, so haben die 600,000 Sclaven den
Sclavenhäudlern höchstens 00 Millionen Francs gekostet, welche sie den Afrikanern
in Waffen, Pulver, Branntwein, Geweben und anderen Waaren bezahlten. Fer¬
nando Garrido bemerkt in seinem Werke über Spanien, die Verwaltung habe
im Durchschnitt 2S0 Francs per Neger erhalten, um ein Auge zuzudrücken
und die Einfuhr nicht gewahr zu werden, und zwar sei die Prämie von 48
Francs im Jahre 1843 allmählich auf 260 und zuletzt bis auf S26 Francs
per Negersclaven gestiegen.

Die Negersclaven Cubas sind ganz besonders kräftige, athletische Ge¬
stalten, wozu wohl hauptsächlich der Umstand beitragen mag, daß es auf
keiner andern Insel Westindiens so viele Vollblutneger gibt und die schwarze
Bevölkerung aus dem afrikanischen Mutterlande so häufig frischen Zuwachs
erhielt. Fast alle durch ihre Muskulatur und Körperkraft ausgezeichneten
Stämme Äthiopieus sind auf der Insel vertreten.

Die Gesetze für die Negersclaven Cubas und der spanischen Colonien
überhaupt sind humaner als sie in unseren Südstaaten waren. Nach den
I^g'of alö Ills Inäiirs kann ein Negersclave zu jeder Zeit gegen die Erlegung
von S00 Dollars seine Freiheit erkaufen und die Syndici sind beauftragt über
dieses Recht der schwarzen Bevölkerung zu wachen. Ebenso kann eine schwangere
Sclavin für 1L Dollars die Freiheit ihrer Leibesfrucht und für 30 Dollars
jene eines neugeborenen Kindes erkaufen. Dagegen sind die Negersclaven auf
Cuba schlechter gekleidet und schlechter genährt, als in unseren Südstaaten,
arbeiten aber auch weniger und minder anstrengend und haben mehr Gelegen¬
heit zu etwas Eigenthum zu gelangen, als dieses bei uns der Fall war. Eine
große Leidenschaft haben die cubanischen Schwarzen für das Lottospiel, weil
sie darin das vortheilhafteste Mittel erblicken, um rasch zu einem namhaften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/116>, abgerufen am 30.06.2024.