Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.Man kann nicht behaupten, daß die Erfolge der französischen Waffen Ein grelles Licht namentlich auch auf die personellen Verhältnisse der Kriegsministerium. Paris, 3. November 1865. Werther Herr! Ich habe aus Ihrem Kabinet den Brief des Kaisers über Algerien empfangen und studire denselben noch einmal. Seine Majestät trifft, sowohl in Bezug auf das Uebel wie auf das Heilmittel, vollkommen die Wahrheit. Der Kaiser betont insbesondere, daß der Oberbefehl der Provinzen und Unter-Di- Visionen sowie die arabischen Bureaus geschickten und unbestechlichen Officieren anvertraut werden müssen. Geschickt sind sie wohl meistentheils, unbestechlich aber leider nicht alle und selbst sehr hochgestellte . . . Der Kaiser hat Recht, wenn er sagt, daß das Ver¬ fahre" der Domänen-Verwaltung und die wucherischer Requisitionen die Araber zu Grunde richten und in Wuth bringen. Dazu sollte aber noch hinzugefügt werden, daß in den lehren Jahren 185!> bis 18ki4, wo man erst gute Maßregeln nahm, dann aber das Obcrcvmmando einschlummerte und nichts und Niemand mehr wachte, große Vermögen von untergeord¬ neten Officieren durch geheimes Einvernehmen mit den eingeborenen Führern, dem ara¬ bischen Lande abgepreßt wurden . . . . In dieser schweren algerischen Frage kommt es noch mehr, als anderwärts, darauf an, hinter die Coulissen zu dringen, um die Ereignisse mit sicherer Kenntniß der Hauptacteurs beurtheilen zu könne". Es herrschen dort beklagenswerthe Ueberlieferungen, die man vor der Welt natürlich verschweigen, ja sogar lant abläugnen, von denen "ran sich aber Rechenschaft geben muß, wenn "ran die Sache besser" will. Bei unserer nächsten Begegnung will ich Ihnen gewisse Details mittheilen, die Sie, wenn es Ihnen ange¬ messen schein", dem Kaiser unterbreite" können. Ganz der Ihrige General de la R ne. Grenzboten IV. 1.872.>1
Man kann nicht behaupten, daß die Erfolge der französischen Waffen Ein grelles Licht namentlich auch auf die personellen Verhältnisse der Kriegsministerium. Paris, 3. November 1865. Werther Herr! Ich habe aus Ihrem Kabinet den Brief des Kaisers über Algerien empfangen und studire denselben noch einmal. Seine Majestät trifft, sowohl in Bezug auf das Uebel wie auf das Heilmittel, vollkommen die Wahrheit. Der Kaiser betont insbesondere, daß der Oberbefehl der Provinzen und Unter-Di- Visionen sowie die arabischen Bureaus geschickten und unbestechlichen Officieren anvertraut werden müssen. Geschickt sind sie wohl meistentheils, unbestechlich aber leider nicht alle und selbst sehr hochgestellte . . . Der Kaiser hat Recht, wenn er sagt, daß das Ver¬ fahre» der Domänen-Verwaltung und die wucherischer Requisitionen die Araber zu Grunde richten und in Wuth bringen. Dazu sollte aber noch hinzugefügt werden, daß in den lehren Jahren 185!> bis 18ki4, wo man erst gute Maßregeln nahm, dann aber das Obcrcvmmando einschlummerte und nichts und Niemand mehr wachte, große Vermögen von untergeord¬ neten Officieren durch geheimes Einvernehmen mit den eingeborenen Führern, dem ara¬ bischen Lande abgepreßt wurden . . . . In dieser schweren algerischen Frage kommt es noch mehr, als anderwärts, darauf an, hinter die Coulissen zu dringen, um die Ereignisse mit sicherer Kenntniß der Hauptacteurs beurtheilen zu könne». Es herrschen dort beklagenswerthe Ueberlieferungen, die man vor der Welt natürlich verschweigen, ja sogar lant abläugnen, von denen »ran sich aber Rechenschaft geben muß, wenn »ran die Sache besser» will. Bei unserer nächsten Begegnung will ich Ihnen gewisse Details mittheilen, die Sie, wenn es Ihnen ange¬ messen schein«, dem Kaiser unterbreite» können. Ganz der Ihrige General de la R ne. Grenzboten IV. 1.872.>1
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Man kann nicht behaupten, daß die Erfolge der französischen Waffen
in Cochinchina und namentlich in China günstiger auf den Geist der
französischen Truppen gewirkt hätten. Die blendenden Siege einer kleinen
Minderzahl über so unendlich überlegene feindliche Volkskräfte berauschten den
Soldaten und wenn General de Montauban als Feldherr auch zurückblieb gegen
seinen britischen Kampfgenossen, so zeigte er doch durch die Plünderung und
brutale Zerstörung des Sommerpalastes von Peking, an welcher Theil zu
nehmen die Engländer in soldatischem Stolze verschmähten, daß die Fran¬
zosen marei«me tun^ours ^ I», töte <l<z ig, civilisation. Während der Kämpfe
i. I. 18et0 betrug die Stärke des französischen Corps in China 9—10,000
Mann : nach dem IÄpos6 la. siwütion av von 1863 betrug die
Gesammtstärke in China und Cochinchina nur noch 1900 Mann.
Ein grelles Licht namentlich auch auf die personellen Verhältnisse der
französischen Armee warf die Expedition nach Mexico. Die blutige
„Nose von Puebla", welche Bazaine pflückte, war bald entblättert und
Frankreich hat ihre Dornen schmerzlich empfinden müssen. In Bazaine selbst
aber offenbarte sich wieder eine jener ehrgeizigen ränkevollen Condottieren-
naturcn, wie sie so oft in der Geschichte der romanischen Heere und nicht zum
mindesten in der französischen Armee aufgetreten sind. Eine sonderbare Il¬
lustration zu der von Napoleon III. beabsichtigten „Reorganisation der latei¬
nischen Rasse" durch die mexicanische Expedition! „Im Vollbesitze der Ge¬
walt, ohne Controle, von Werkzeugen und Abenteuerern jeder Art umgeben,
überdies durch hohe Gönner in der Heimath geschützt, begann Bazaine ein
Kriegsministerium. Paris, 3. November 1865. Werther Herr! Ich habe aus Ihrem
Kabinet den Brief des Kaisers über Algerien empfangen und studire denselben noch einmal.
Seine Majestät trifft, sowohl in Bezug auf das Uebel wie auf das Heilmittel, vollkommen die
Wahrheit. Der Kaiser betont insbesondere, daß der Oberbefehl der Provinzen und Unter-Di-
Visionen sowie die arabischen Bureaus geschickten und unbestechlichen Officieren anvertraut
werden müssen. Geschickt sind sie wohl meistentheils, unbestechlich aber leider nicht alle
und selbst sehr hochgestellte . . . Der Kaiser hat Recht, wenn er sagt, daß das Ver¬
fahre» der Domänen-Verwaltung und die wucherischer Requisitionen die Araber zu Grunde
richten und in Wuth bringen. Dazu sollte aber noch hinzugefügt werden, daß in den lehren
Jahren 185!> bis 18ki4, wo man erst gute Maßregeln nahm, dann aber das Obcrcvmmando
einschlummerte und nichts und Niemand mehr wachte, große Vermögen von untergeord¬
neten Officieren durch geheimes Einvernehmen mit den eingeborenen Führern, dem ara¬
bischen Lande abgepreßt wurden . . . . In dieser schweren algerischen Frage kommt es
noch mehr, als anderwärts, darauf an, hinter die Coulissen zu dringen, um die Ereignisse mit
sicherer Kenntniß der Hauptacteurs beurtheilen zu könne». Es herrschen dort beklagenswerthe
Ueberlieferungen, die man vor der Welt natürlich verschweigen, ja sogar lant abläugnen, von
denen »ran sich aber Rechenschaft geben muß, wenn »ran die Sache besser» will. Bei unserer
nächsten Begegnung will ich Ihnen gewisse Details mittheilen, die Sie, wenn es Ihnen ange¬
messen schein«, dem Kaiser unterbreite» können. Ganz der Ihrige General de la R ne.
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