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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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jungen festeren Bundesstaat, der Eidgenossenschaft, als der Jesuit vordem in
dem Staatenbund der Tagsatzung. Die Sigwart Müller, und die andern
Führer der ecclosig, militims des Sonderbundes irrten in der Fremde und
Verbannung. Aber das jüngere Geschlecht derselben Farbe und Gesinnung,
die Segesser, Baumgarten u. s. w. schwang sich auf gesetzlichem Boden von
Staffel zu Staffel. Die Urkantone, dann Zug, Luzern, Freiburg, Wallis,
haben in dem Merteljcchrhundert seit Geltung unsrer Bundesverfassung selten
nichtultramontane Regierungen gesehen. Die Schulen verfolgen dort nach
wie vor den Zweck, die Jugend dumm zu halten. Die Jesuitenpartet beherrscht
alle Wahlen des Kantons wie der Gemeinden, die meisten zum Nationalrath,
fast ausschließlich die zum Ständerath. Die Kanzel ist zur politischen Redner¬
bühne geworden. Mit meisterhafter Disciplin gehorcht ihre verlogene Presse
durch die ganze Schweiz derselben Losung, entfesselt sie an einem Tage an
denselben Trugbildern dieselbe heillose Glaubenswuth. -- Wenn irgend wer.
so können wir ein Liedlein singen über die Vaterlandslofigkeit der schwarzen
Brüder. Als Oesterreich 1853 wegen ein paar tessiner Mönchen Streit mit
uns anfing, nahmen unsre Ultramontanen die Partie Oesterreichs. Als 1859
das wüste Neislaufen abgeschafft und mit Verlust des Schweizer-Bürgerrechts
bedroht wurde, wer abhin noch Dienst nähme bei fremden Herren, gleichviel ob
beim König Bomba von Neapel oder beim Papst in Rom: da wußten dieselben
Herren nicht Rühmens genug zu machen von der Mannheit und Ehrliebe,
welche mit dem Blutgeld der fremden Werber in den Schweizer einziehn!
Und so geht es natürlich in verstärkter Tonart fort bis heutzutage, bei jedem
Anlaß. wo das Interesse unsres Staates im Widerspruch tritt mit der hof¬
fähigen meistcrlosen Politik des Vaticans.

Wir haben ihnen in der revidirten Bundesverfassung wenigstens einen
Riegel schieben wollen. Der Art. 65 fügte nämlich zum bisherigen Aufent¬
haltsverbot der Gesellschaft Jesu und ihrer Affiliirten noch die Bestimmung:
"und es ist ihren Gliedern jede Wirksamkeit in Kirche und Schule untersagt."

Dieser Zusatz erschien harmlos und ist eigentlich selbstverständlich, wenn
man das Aufenthältsverbot der Jesuiten ernstlich nimmt, das nun bald ein
Menschenalter in unserm obersten Staatsgrundgesetz steht. Und dennoch ist
an diesem Zusatz in erster Linie unser Revisionswerk gescheitert. Die Debatten
darüber in den beiden Räthen unsrer Bundesversammlung erinnern zum Theil
wörtlich an Eure Jesuitendebatten. Hier wie dort beschwört uns der Jesuit
im Namen der Freiheit um Verwerfung! Hier wie dort finden sich ein paar
einfältige Radicale, die auf diesen Köder anbeißen, und das Vaterland und
die heiligsten Menschenrechte in Gefahr erklären, wenn man die armen Jesuiten
nicht fernerhin die Staatsgesetze untergraben, den kirchlichen Frieden vernichten,
die Jugend verderben läßt! Diese am meisten "fortgeschrittenen" Geister merken


jungen festeren Bundesstaat, der Eidgenossenschaft, als der Jesuit vordem in
dem Staatenbund der Tagsatzung. Die Sigwart Müller, und die andern
Führer der ecclosig, militims des Sonderbundes irrten in der Fremde und
Verbannung. Aber das jüngere Geschlecht derselben Farbe und Gesinnung,
die Segesser, Baumgarten u. s. w. schwang sich auf gesetzlichem Boden von
Staffel zu Staffel. Die Urkantone, dann Zug, Luzern, Freiburg, Wallis,
haben in dem Merteljcchrhundert seit Geltung unsrer Bundesverfassung selten
nichtultramontane Regierungen gesehen. Die Schulen verfolgen dort nach
wie vor den Zweck, die Jugend dumm zu halten. Die Jesuitenpartet beherrscht
alle Wahlen des Kantons wie der Gemeinden, die meisten zum Nationalrath,
fast ausschließlich die zum Ständerath. Die Kanzel ist zur politischen Redner¬
bühne geworden. Mit meisterhafter Disciplin gehorcht ihre verlogene Presse
durch die ganze Schweiz derselben Losung, entfesselt sie an einem Tage an
denselben Trugbildern dieselbe heillose Glaubenswuth. — Wenn irgend wer.
so können wir ein Liedlein singen über die Vaterlandslofigkeit der schwarzen
Brüder. Als Oesterreich 1853 wegen ein paar tessiner Mönchen Streit mit
uns anfing, nahmen unsre Ultramontanen die Partie Oesterreichs. Als 1859
das wüste Neislaufen abgeschafft und mit Verlust des Schweizer-Bürgerrechts
bedroht wurde, wer abhin noch Dienst nähme bei fremden Herren, gleichviel ob
beim König Bomba von Neapel oder beim Papst in Rom: da wußten dieselben
Herren nicht Rühmens genug zu machen von der Mannheit und Ehrliebe,
welche mit dem Blutgeld der fremden Werber in den Schweizer einziehn!
Und so geht es natürlich in verstärkter Tonart fort bis heutzutage, bei jedem
Anlaß. wo das Interesse unsres Staates im Widerspruch tritt mit der hof¬
fähigen meistcrlosen Politik des Vaticans.

Wir haben ihnen in der revidirten Bundesverfassung wenigstens einen
Riegel schieben wollen. Der Art. 65 fügte nämlich zum bisherigen Aufent¬
haltsverbot der Gesellschaft Jesu und ihrer Affiliirten noch die Bestimmung:
„und es ist ihren Gliedern jede Wirksamkeit in Kirche und Schule untersagt."

Dieser Zusatz erschien harmlos und ist eigentlich selbstverständlich, wenn
man das Aufenthältsverbot der Jesuiten ernstlich nimmt, das nun bald ein
Menschenalter in unserm obersten Staatsgrundgesetz steht. Und dennoch ist
an diesem Zusatz in erster Linie unser Revisionswerk gescheitert. Die Debatten
darüber in den beiden Räthen unsrer Bundesversammlung erinnern zum Theil
wörtlich an Eure Jesuitendebatten. Hier wie dort beschwört uns der Jesuit
im Namen der Freiheit um Verwerfung! Hier wie dort finden sich ein paar
einfältige Radicale, die auf diesen Köder anbeißen, und das Vaterland und
die heiligsten Menschenrechte in Gefahr erklären, wenn man die armen Jesuiten
nicht fernerhin die Staatsgesetze untergraben, den kirchlichen Frieden vernichten,
die Jugend verderben läßt! Diese am meisten „fortgeschrittenen" Geister merken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/86>, abgerufen am 22.12.2024.