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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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sie von ihnen auf alle mögliche Weise verunglimpft und verleumdet werden,
sie leiden auch materiell unter dem Banne der Gründer und Betheiliger,
welche nichts mehr fürchten, als Offenheit und Ehrlichkeit.


K.


Hedanken eines Schweizers über das deutsche
Zesuitengesetz.

Ihr in Deutschland -- und namentlich Ihr "Grünen" -- habt die
längste Zeit schon unsre Zustände und Bestrebungen nach dem Maßstab der
eurigen bemessen; wie mir dünkt nicht mit Unrecht. Denn das heimathliche
Maß hat jeder am nächsten. Aber das geht uns grad nicht anders. Und
deshalb wollen wir heut einmal euer Jesuitengesetz mit Schweizermaß messen.
Das ist vielleicht von Vortheil. Denn wir haben die schwarze Waare, die
Ihr Euch jetzt zum ersten Mal von Neichswegen besehe, schon seit bald einem
Menschenalter gründlich vermessen, und als gemeingefährlichen Giftstoff extra
commvrvwm gehest. Aber mit welchem Erfolg? "Der Orden der Jesuiten
und die ihm "Wirten Gesellschaften dürfen in keinem Theile der Schweiz
Aufnahme finden" sagt Art. 68 unsrer Bundesverfassung vom 12. Herbstmonat
1848. Dieser Artikel enthielt das Anathem über die Friedensstörer, die wir
nach hartnäckigem Bürgerkrieg mit Strömen theuren Schweizerblutes bezwungen
hatten. Wir wußten wohl, daß hinter ihnen dieselbe Macht stund, die einst
bei Sempach und Morgarten den Streichen und Felsblöcken unsrer urwüchsigen
Bauern erlegen war, das Haus Oesterreich. Daß es die dunkeln Freunde
nicht besser unterstützte, war nicht seine Schuld; ihm selbst stund das Wasser
am Halse. Wir wußten auch, daß die andere, welsche Macht mit ihnen
war, mit deren früheren Fürsten sich unsre Altvordern bei Granson, Murren,
Nanzig und Se. Jacob gemessen hatten. Indessen auch das mächtige Frank¬
reich vermochte in unserm Sonderbuudskrieg seinen guten frommen Freunden
nicht beizuspringen. Ein Jahr später -- und es wäre vielleicht gefehlt gewesen.
Aber im Herbstmonat achtundvierzig, als rings um uns erst die Grundsteine
zu neuen Staatsordnungen gelegt wurden, die ungünstigere Jahre hernach
wieder vernichteten, war bei günstigerem Wetter der Bau unsrer Verfassung
schon unter Dach gebracht. Und der Artikel S8 war der Preis unsres Sieges,
die Verheißung künftigen Friedens. So dachten wir.

Es kam aber ganz anders. Die Jesuiten war man los, die Ultramon¬
tanen waren geblieben. Sie gelangten mit der Zeit sogar viel weiter in dem


sie von ihnen auf alle mögliche Weise verunglimpft und verleumdet werden,
sie leiden auch materiell unter dem Banne der Gründer und Betheiliger,
welche nichts mehr fürchten, als Offenheit und Ehrlichkeit.


K.


Hedanken eines Schweizers über das deutsche
Zesuitengesetz.

Ihr in Deutschland — und namentlich Ihr „Grünen" — habt die
längste Zeit schon unsre Zustände und Bestrebungen nach dem Maßstab der
eurigen bemessen; wie mir dünkt nicht mit Unrecht. Denn das heimathliche
Maß hat jeder am nächsten. Aber das geht uns grad nicht anders. Und
deshalb wollen wir heut einmal euer Jesuitengesetz mit Schweizermaß messen.
Das ist vielleicht von Vortheil. Denn wir haben die schwarze Waare, die
Ihr Euch jetzt zum ersten Mal von Neichswegen besehe, schon seit bald einem
Menschenalter gründlich vermessen, und als gemeingefährlichen Giftstoff extra
commvrvwm gehest. Aber mit welchem Erfolg? „Der Orden der Jesuiten
und die ihm «Wirten Gesellschaften dürfen in keinem Theile der Schweiz
Aufnahme finden" sagt Art. 68 unsrer Bundesverfassung vom 12. Herbstmonat
1848. Dieser Artikel enthielt das Anathem über die Friedensstörer, die wir
nach hartnäckigem Bürgerkrieg mit Strömen theuren Schweizerblutes bezwungen
hatten. Wir wußten wohl, daß hinter ihnen dieselbe Macht stund, die einst
bei Sempach und Morgarten den Streichen und Felsblöcken unsrer urwüchsigen
Bauern erlegen war, das Haus Oesterreich. Daß es die dunkeln Freunde
nicht besser unterstützte, war nicht seine Schuld; ihm selbst stund das Wasser
am Halse. Wir wußten auch, daß die andere, welsche Macht mit ihnen
war, mit deren früheren Fürsten sich unsre Altvordern bei Granson, Murren,
Nanzig und Se. Jacob gemessen hatten. Indessen auch das mächtige Frank¬
reich vermochte in unserm Sonderbuudskrieg seinen guten frommen Freunden
nicht beizuspringen. Ein Jahr später — und es wäre vielleicht gefehlt gewesen.
Aber im Herbstmonat achtundvierzig, als rings um uns erst die Grundsteine
zu neuen Staatsordnungen gelegt wurden, die ungünstigere Jahre hernach
wieder vernichteten, war bei günstigerem Wetter der Bau unsrer Verfassung
schon unter Dach gebracht. Und der Artikel S8 war der Preis unsres Sieges,
die Verheißung künftigen Friedens. So dachten wir.

Es kam aber ganz anders. Die Jesuiten war man los, die Ultramon¬
tanen waren geblieben. Sie gelangten mit der Zeit sogar viel weiter in dem


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[0085] sie von ihnen auf alle mögliche Weise verunglimpft und verleumdet werden, sie leiden auch materiell unter dem Banne der Gründer und Betheiliger, welche nichts mehr fürchten, als Offenheit und Ehrlichkeit. K. Hedanken eines Schweizers über das deutsche Zesuitengesetz. Ihr in Deutschland — und namentlich Ihr „Grünen" — habt die längste Zeit schon unsre Zustände und Bestrebungen nach dem Maßstab der eurigen bemessen; wie mir dünkt nicht mit Unrecht. Denn das heimathliche Maß hat jeder am nächsten. Aber das geht uns grad nicht anders. Und deshalb wollen wir heut einmal euer Jesuitengesetz mit Schweizermaß messen. Das ist vielleicht von Vortheil. Denn wir haben die schwarze Waare, die Ihr Euch jetzt zum ersten Mal von Neichswegen besehe, schon seit bald einem Menschenalter gründlich vermessen, und als gemeingefährlichen Giftstoff extra commvrvwm gehest. Aber mit welchem Erfolg? „Der Orden der Jesuiten und die ihm «Wirten Gesellschaften dürfen in keinem Theile der Schweiz Aufnahme finden" sagt Art. 68 unsrer Bundesverfassung vom 12. Herbstmonat 1848. Dieser Artikel enthielt das Anathem über die Friedensstörer, die wir nach hartnäckigem Bürgerkrieg mit Strömen theuren Schweizerblutes bezwungen hatten. Wir wußten wohl, daß hinter ihnen dieselbe Macht stund, die einst bei Sempach und Morgarten den Streichen und Felsblöcken unsrer urwüchsigen Bauern erlegen war, das Haus Oesterreich. Daß es die dunkeln Freunde nicht besser unterstützte, war nicht seine Schuld; ihm selbst stund das Wasser am Halse. Wir wußten auch, daß die andere, welsche Macht mit ihnen war, mit deren früheren Fürsten sich unsre Altvordern bei Granson, Murren, Nanzig und Se. Jacob gemessen hatten. Indessen auch das mächtige Frank¬ reich vermochte in unserm Sonderbuudskrieg seinen guten frommen Freunden nicht beizuspringen. Ein Jahr später — und es wäre vielleicht gefehlt gewesen. Aber im Herbstmonat achtundvierzig, als rings um uns erst die Grundsteine zu neuen Staatsordnungen gelegt wurden, die ungünstigere Jahre hernach wieder vernichteten, war bei günstigerem Wetter der Bau unsrer Verfassung schon unter Dach gebracht. Und der Artikel S8 war der Preis unsres Sieges, die Verheißung künftigen Friedens. So dachten wir. Es kam aber ganz anders. Die Jesuiten war man los, die Ultramon¬ tanen waren geblieben. Sie gelangten mit der Zeit sogar viel weiter in dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/85>, abgerufen am 22.07.2024.