Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.tauben. Daß die ultramontane Presse ihren ganzen Grimm gegen das deut¬ Um das Bild der Wiener Journalistik zu vervollständigen, muß auch Außerdem aber ist es stehende Sitte geworden, daß die großen Unter¬ Das ist die Schattenseite jener glänzenden Journalistik, die auf ihre Be¬ tauben. Daß die ultramontane Presse ihren ganzen Grimm gegen das deut¬ Um das Bild der Wiener Journalistik zu vervollständigen, muß auch Außerdem aber ist es stehende Sitte geworden, daß die großen Unter¬ Das ist die Schattenseite jener glänzenden Journalistik, die auf ihre Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128012"/> <p xml:id="ID_221" prev="#ID_220"> tauben. Daß die ultramontane Presse ihren ganzen Grimm gegen das deut¬<lb/> sche Reich kehrt, ist nicht zu verwundern, sie wissen ja warum. Unaufhörlich<lb/> predigt sie deshalb auch den Kreuzzug gegen Deutschland und alles was<lb/> deutsch ist. Sie stimmen darin mit den Czechen und Föderalisten vollständig<lb/> überein. Sie verlangen von Oesterreich beständig eine antideutsche Politik und<lb/> finden diese in einem Bündniß mit Frankreich zur Wiederherstellung des Kir¬<lb/> chenstaats und der Zerstörung des deutschen Reiches. Wenn nun diese Ziele<lb/> in der ultramontanen Presse so deutlich hervortreten, so ist es um so uner¬<lb/> klärlicher, daß ein Theil der verfassungstreuen Presse ganz in denselben Ton<lb/> verfällt, ein anderer aber wenn auch nur versteckt wieder in demselben Sinne<lb/> arbeitet. Unter den klerikalen Blättern vertritt das „Vaterland" die extreme<lb/> Richtung, während der „Volksfreund", das Organ des Cardinal Erzbischofs<lb/> Rauscher, sich mehr auf das Vermitteln und Diplomatisiren legt und seine<lb/> Farbe nicht so grell bekennt.</p><lb/> <p xml:id="ID_222"> Um das Bild der Wiener Journalistik zu vervollständigen, muß auch<lb/> noch die volkswirtschaftliche Corruption erwähnt werden, welche sich in der<lb/> erassesten Weise geltend macht. Die Anpreisung von Bankunternehmungen und<lb/> Gründungen in dem volkswirthschaftlichen Theil in der harmlosen Gestalt von<lb/> Notizen ist nämlich für die meisten Journale eine glänzende Einnahmequelle<lb/> geworden. Je bedeutender und gewagter das Unternehmen ist, um so höher<lb/> fällt auch die Quote aus, welche für solche Reclame gezahlt werden muß.<lb/> Große Blätter wie die alte und die neue Presse lassen sich solche Mittheilungen<lb/> mit Tausenden bezahlen. Am einträglichsten wird aber das Geschäft, wenn<lb/> man es mit Concurrenten zu thun hat, die dasselbe Unternehmen vorhaben.<lb/> Da wird eine endlose Schraube angelegt und ein Concurrent immer auf<lb/> Kosten des andern geschröpft. Dieses Naubwesen ist in ein förmliches System ><lb/> gebracht, und die Unternehmer von Zeitungen stehen sich nicht schlecht dabei<lb/> denn sie schlagen in kurzer Zeit viele Tausende zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_223"> Außerdem aber ist es stehende Sitte geworden, daß die großen Unter¬<lb/> nehmungen, die Bank-, Eisenbahn-und sonstigen Actiengesellschaften die Blätter<lb/> „betheiligen", d. h. für ihre Neclamen oder Schweigedienste ihnen Actien oder<lb/> Dividendenscheine von ziemlich bedeutendem Betrage zum Geschenk machen.<lb/> Durch diese Bestechungen sind die meisten Wiener Zeitungen Mitschuldige jener<lb/> betrügerischen Unternehmungen geworden, die den kleinen Leuten das Geld<lb/> aus der Tasche locken zu Gunsten der Gründer und Verwaltungsräthe.</p><lb/> <p xml:id="ID_224" next="#ID_225"> Das ist die Schattenseite jener glänzenden Journalistik, die auf ihre Be¬<lb/> deutung und ihre technische Vollendung so stolz ist. Gesinnungslos und<lb/> bestechlich könnte man als das Motto über die meisten Blätter schreiben. Die<lb/> wenigen unabhängigen und ehrlichen Blätter haben deßhalb auch einen höchst<lb/> schwierigen Stand dieser Coterie der „Betheiligten" gegenüber. Nicht nur daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
tauben. Daß die ultramontane Presse ihren ganzen Grimm gegen das deut¬
sche Reich kehrt, ist nicht zu verwundern, sie wissen ja warum. Unaufhörlich
predigt sie deshalb auch den Kreuzzug gegen Deutschland und alles was
deutsch ist. Sie stimmen darin mit den Czechen und Föderalisten vollständig
überein. Sie verlangen von Oesterreich beständig eine antideutsche Politik und
finden diese in einem Bündniß mit Frankreich zur Wiederherstellung des Kir¬
chenstaats und der Zerstörung des deutschen Reiches. Wenn nun diese Ziele
in der ultramontanen Presse so deutlich hervortreten, so ist es um so uner¬
klärlicher, daß ein Theil der verfassungstreuen Presse ganz in denselben Ton
verfällt, ein anderer aber wenn auch nur versteckt wieder in demselben Sinne
arbeitet. Unter den klerikalen Blättern vertritt das „Vaterland" die extreme
Richtung, während der „Volksfreund", das Organ des Cardinal Erzbischofs
Rauscher, sich mehr auf das Vermitteln und Diplomatisiren legt und seine
Farbe nicht so grell bekennt.
Um das Bild der Wiener Journalistik zu vervollständigen, muß auch
noch die volkswirtschaftliche Corruption erwähnt werden, welche sich in der
erassesten Weise geltend macht. Die Anpreisung von Bankunternehmungen und
Gründungen in dem volkswirthschaftlichen Theil in der harmlosen Gestalt von
Notizen ist nämlich für die meisten Journale eine glänzende Einnahmequelle
geworden. Je bedeutender und gewagter das Unternehmen ist, um so höher
fällt auch die Quote aus, welche für solche Reclame gezahlt werden muß.
Große Blätter wie die alte und die neue Presse lassen sich solche Mittheilungen
mit Tausenden bezahlen. Am einträglichsten wird aber das Geschäft, wenn
man es mit Concurrenten zu thun hat, die dasselbe Unternehmen vorhaben.
Da wird eine endlose Schraube angelegt und ein Concurrent immer auf
Kosten des andern geschröpft. Dieses Naubwesen ist in ein förmliches System >
gebracht, und die Unternehmer von Zeitungen stehen sich nicht schlecht dabei
denn sie schlagen in kurzer Zeit viele Tausende zusammen.
Außerdem aber ist es stehende Sitte geworden, daß die großen Unter¬
nehmungen, die Bank-, Eisenbahn-und sonstigen Actiengesellschaften die Blätter
„betheiligen", d. h. für ihre Neclamen oder Schweigedienste ihnen Actien oder
Dividendenscheine von ziemlich bedeutendem Betrage zum Geschenk machen.
Durch diese Bestechungen sind die meisten Wiener Zeitungen Mitschuldige jener
betrügerischen Unternehmungen geworden, die den kleinen Leuten das Geld
aus der Tasche locken zu Gunsten der Gründer und Verwaltungsräthe.
Das ist die Schattenseite jener glänzenden Journalistik, die auf ihre Be¬
deutung und ihre technische Vollendung so stolz ist. Gesinnungslos und
bestechlich könnte man als das Motto über die meisten Blätter schreiben. Die
wenigen unabhängigen und ehrlichen Blätter haben deßhalb auch einen höchst
schwierigen Stand dieser Coterie der „Betheiligten" gegenüber. Nicht nur daß
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