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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Dieses Blatt trägt alle Farben weit greller auf und hat dies namentlich auch
schon zu wiederholten Malen in der Beurtheilung der deutschen Angelegen¬
heiten gezeigt. Selbst die Tagespresse, welche früher im Solde des Königs
von Hannover arbeitete, ist jetzt in officiösen Dienst getreten. Sie prunkt
uoch immer mit Republikanismus und Demokratie nach außen und mit ihren
antideutschen Mitarbeitern, wie Kolb und Karl Vogt, während sie in innern
Fragen sich entschieden ministeriell gerirt. Die hämischen Angriffe dieses
Blattes auf das Deutsche Reich sind in ihrer rohesten und gemeinsten Weise
das Extremste, was von den mit dem Preßbureau in Beziehung stehenden
Blättern geleistet wird. Gleichzeitig muß bemerkt werden, daß sowohl die
"Tagespresse" als auch das "Neue Fremdenblatt" ein förmliches Cartell mit
der "Neuen Freien Presse" eingegangen sind und von dieser oft ihre Weisung
erhalten, wenn es sich um eine Polemik mit unabhängigen Blättern oder Par¬
teien handelt; sie sind gewissermaßen die Secundärem des großen "Weltblattes,"
die das aussprechen, was jenes selber zu sagen zu vornehm ist. Auch das
"Neue Wiener Tageblatt," welches sich demokratische Zeitung nennt, ist nicht
ganz von dem Borwurf der Beeinflussung durch das Preßbureau freizusprechen.
Es speculirt namentlich auf den Scandal und weiß durch allarmirende Ge¬
rüchte sein Publicum immer in Athem zu halten. Es fließt vor lauter Libe¬
ralismus und Demokratie förmlich über, dennoch fecundirt es die Regierung
selbst unter diesem Deckmantel hin und wieder sehr gut. Auch in der deutschen
Frage geht es diesen Weg. Es verherrlicht zwar Bismarck, weil auch er jetzt
der populärste Mann in Oesterreich ist; dagegen aber paralysirt es doch wieder
diese Haltung, indem es die Berliner Hofcamarilla mit überschwänglichen
Farben malt und hin und wieder sensative Briefe über den Einfluß der
königlichen Damen, den Pietismus des Königs, bevorstehenden Sturz des Reichs¬
kanzlers :c. schreiben läßt, die allein darauf berechnet sind, den deutschen Sym¬
pathien des Publicums einen Dämpfer aufzusetzen. Einem genauen Beobachter
der Wiener Presse können diese Erscheinungen nicht entgehen, aber dem Ein¬
geweihten liegen sie vollkommen klar als eine wohlerwogene Taktik des Pre߬
bureaus, dem ja sogar ein eigner Minister vorsteht. Ein klareres Relief erhalten
die Zustände aber noch dadurch, daß die Osficiösen mit einer wahren Wuth
und allen Mitteln der Verdächtigung und Verleumdung gegen die Blätter
vorgehen, welche vollständig unabhängig, keinerlei Einfluß zugänglich sind
und es sich zur Aufgabe gemacht haben, in erster Linie die deutsch-nationale
Gesinnung der Bevölkerung zu stärken und dem Publicum ein wahres und
trugfreies Bild der heimathlichen Zustände vorzuhalten.

In erster Linie kommt dabei die neubegründete "Deutsche Zeitung" in Betracht,
die gerade wegen dieser ihrer Haltung in der kurzen Zeit ihres Bestehens einen glän¬
zenden Erfolg und einen großen Einfluß errungen hat. Wiesehrdiese Zeitung von


Dieses Blatt trägt alle Farben weit greller auf und hat dies namentlich auch
schon zu wiederholten Malen in der Beurtheilung der deutschen Angelegen¬
heiten gezeigt. Selbst die Tagespresse, welche früher im Solde des Königs
von Hannover arbeitete, ist jetzt in officiösen Dienst getreten. Sie prunkt
uoch immer mit Republikanismus und Demokratie nach außen und mit ihren
antideutschen Mitarbeitern, wie Kolb und Karl Vogt, während sie in innern
Fragen sich entschieden ministeriell gerirt. Die hämischen Angriffe dieses
Blattes auf das Deutsche Reich sind in ihrer rohesten und gemeinsten Weise
das Extremste, was von den mit dem Preßbureau in Beziehung stehenden
Blättern geleistet wird. Gleichzeitig muß bemerkt werden, daß sowohl die
„Tagespresse" als auch das „Neue Fremdenblatt" ein förmliches Cartell mit
der „Neuen Freien Presse" eingegangen sind und von dieser oft ihre Weisung
erhalten, wenn es sich um eine Polemik mit unabhängigen Blättern oder Par¬
teien handelt; sie sind gewissermaßen die Secundärem des großen „Weltblattes,"
die das aussprechen, was jenes selber zu sagen zu vornehm ist. Auch das
„Neue Wiener Tageblatt," welches sich demokratische Zeitung nennt, ist nicht
ganz von dem Borwurf der Beeinflussung durch das Preßbureau freizusprechen.
Es speculirt namentlich auf den Scandal und weiß durch allarmirende Ge¬
rüchte sein Publicum immer in Athem zu halten. Es fließt vor lauter Libe¬
ralismus und Demokratie förmlich über, dennoch fecundirt es die Regierung
selbst unter diesem Deckmantel hin und wieder sehr gut. Auch in der deutschen
Frage geht es diesen Weg. Es verherrlicht zwar Bismarck, weil auch er jetzt
der populärste Mann in Oesterreich ist; dagegen aber paralysirt es doch wieder
diese Haltung, indem es die Berliner Hofcamarilla mit überschwänglichen
Farben malt und hin und wieder sensative Briefe über den Einfluß der
königlichen Damen, den Pietismus des Königs, bevorstehenden Sturz des Reichs¬
kanzlers :c. schreiben läßt, die allein darauf berechnet sind, den deutschen Sym¬
pathien des Publicums einen Dämpfer aufzusetzen. Einem genauen Beobachter
der Wiener Presse können diese Erscheinungen nicht entgehen, aber dem Ein¬
geweihten liegen sie vollkommen klar als eine wohlerwogene Taktik des Pre߬
bureaus, dem ja sogar ein eigner Minister vorsteht. Ein klareres Relief erhalten
die Zustände aber noch dadurch, daß die Osficiösen mit einer wahren Wuth
und allen Mitteln der Verdächtigung und Verleumdung gegen die Blätter
vorgehen, welche vollständig unabhängig, keinerlei Einfluß zugänglich sind
und es sich zur Aufgabe gemacht haben, in erster Linie die deutsch-nationale
Gesinnung der Bevölkerung zu stärken und dem Publicum ein wahres und
trugfreies Bild der heimathlichen Zustände vorzuhalten.

In erster Linie kommt dabei die neubegründete „Deutsche Zeitung" in Betracht,
die gerade wegen dieser ihrer Haltung in der kurzen Zeit ihres Bestehens einen glän¬
zenden Erfolg und einen großen Einfluß errungen hat. Wiesehrdiese Zeitung von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/82>, abgerufen am 22.12.2024.