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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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des Landes ab, so wie liebevolles Mitleiden mit den Particularisten und
Anerkennung ihrer Verdienste um die Cultur. Endlich aber muß selbst Bis-
marck wieder herhalten; den alten Schimpfton von früher wagen freilich nur
sehr vereinzelte Blätter anzustimmen, nämlich jene die neben ihrem officiösen
Treiben auch noch Zeit haben in Demokratie und Republikanismus zu machen,
aver man sucht seine Stellung alle acht Tage einmal als völlig erschüttert
und den deutschen Kaiser ganz und gar als von der pietistischen Partei be¬
herrscht hinzustellen, um damit die Unsicherheit und die UnHaltbarkeit des
deutschen Liberalismus zu constatiren. Auch zur Befriedigung der österreichischen
Leser wird ihnen vorgeschwindelt, daß die Action Bismarcks gegen den Klerus
nur durch Uebertreibung so aufgestutzt sei und daß doch in Wirklichkeit
Oesterreich viel mehr auf diesem Gebiet schon geleistet habe, als man in
Preußen jemals erwarten könne, ja Stremahers Thaten wären nicht zu unter¬
schätzen, im Gegentheil könnten sie dreist neben die Bismarcks gestellt werden.
Es ist reine Bescheidenheit, wenn man seine Verdienste nicht genügend aner¬
kennt. Und wenn man Oesterreich mit Preußen vergleicht und findet, daß in
dem letzteren mehr geleistet wird, so ist das eine Tendenzlüge der Deutsch¬
nationalen. Diese Schwenkung kann nicht unerwähnt bleiben, weil sie von Be¬
deutung für die Beurtheilung der innern und äußern Politik der Regierung
ist. Seitdem nämlich dieselbe sich mehr consolidirt, meint sie der deutschen Sym¬
pathien entbehren, und wieder in das "reine Oesterreicherthum" einlenken zu
können. Ja man wird nicht irre gehen, wenn man in dieser Haltung der officiösen
Presse auch eine Concession der Regierung an die Krone sieht. Die lauten
Demonstrationen und die so unverhüllt zu Tage tretende Hinneigung eines
sehr großen Theiles der Deutschösterreicher zu dem deutschen Reiche ist ent¬
schieden höhern Ortes mit Abneigung aufgenommen worden, und daher sucht
man denn jetzt vom Preßbureau aus die Stimmung wieder abzuwiegeln und
den Enthusiasmus für das Deutsche Reich abzukühlen, um das wahre Oester¬
reicherthum wieder herzustellen. Die Taktik der officiösen Blätter ist zwar
sehr verschieden. Während die alte "Presse" in allen innern Fragen hoch
officiös und unbedingt der Regierung ergeben ist, hat man ihr in äußern
Fragen mehr freien Spielraum gelassen und läßt sie namentlich noch immer
ruhig in dem deutsch-sympathischen Fahrwasser schwimmen.

Anders ist es mit der "Neuen Freien Presse," sie darf hin und wieder
in den innern Fragen etwas ketzerisch sein, dagegen ist sie wie sie von jeher
war, in der äußeren Politik maßgebend für die von der Regierung beliebte
Richtung und hat auch bereits ihre Wandlung in der Beurtheilung der
deutschen Angelegenheiten vollzogen. Das alte "Fremdenblatt" wandelt die
Wege der alten "Presse," während das "Neue Fremdenblatt" in allen
Punkten officiös ist und als eigentlicher Tirailleur zuerst vorgeschickt wird.


Grcnjboten III. 1872.

des Landes ab, so wie liebevolles Mitleiden mit den Particularisten und
Anerkennung ihrer Verdienste um die Cultur. Endlich aber muß selbst Bis-
marck wieder herhalten; den alten Schimpfton von früher wagen freilich nur
sehr vereinzelte Blätter anzustimmen, nämlich jene die neben ihrem officiösen
Treiben auch noch Zeit haben in Demokratie und Republikanismus zu machen,
aver man sucht seine Stellung alle acht Tage einmal als völlig erschüttert
und den deutschen Kaiser ganz und gar als von der pietistischen Partei be¬
herrscht hinzustellen, um damit die Unsicherheit und die UnHaltbarkeit des
deutschen Liberalismus zu constatiren. Auch zur Befriedigung der österreichischen
Leser wird ihnen vorgeschwindelt, daß die Action Bismarcks gegen den Klerus
nur durch Uebertreibung so aufgestutzt sei und daß doch in Wirklichkeit
Oesterreich viel mehr auf diesem Gebiet schon geleistet habe, als man in
Preußen jemals erwarten könne, ja Stremahers Thaten wären nicht zu unter¬
schätzen, im Gegentheil könnten sie dreist neben die Bismarcks gestellt werden.
Es ist reine Bescheidenheit, wenn man seine Verdienste nicht genügend aner¬
kennt. Und wenn man Oesterreich mit Preußen vergleicht und findet, daß in
dem letzteren mehr geleistet wird, so ist das eine Tendenzlüge der Deutsch¬
nationalen. Diese Schwenkung kann nicht unerwähnt bleiben, weil sie von Be¬
deutung für die Beurtheilung der innern und äußern Politik der Regierung
ist. Seitdem nämlich dieselbe sich mehr consolidirt, meint sie der deutschen Sym¬
pathien entbehren, und wieder in das „reine Oesterreicherthum" einlenken zu
können. Ja man wird nicht irre gehen, wenn man in dieser Haltung der officiösen
Presse auch eine Concession der Regierung an die Krone sieht. Die lauten
Demonstrationen und die so unverhüllt zu Tage tretende Hinneigung eines
sehr großen Theiles der Deutschösterreicher zu dem deutschen Reiche ist ent¬
schieden höhern Ortes mit Abneigung aufgenommen worden, und daher sucht
man denn jetzt vom Preßbureau aus die Stimmung wieder abzuwiegeln und
den Enthusiasmus für das Deutsche Reich abzukühlen, um das wahre Oester¬
reicherthum wieder herzustellen. Die Taktik der officiösen Blätter ist zwar
sehr verschieden. Während die alte „Presse" in allen innern Fragen hoch
officiös und unbedingt der Regierung ergeben ist, hat man ihr in äußern
Fragen mehr freien Spielraum gelassen und läßt sie namentlich noch immer
ruhig in dem deutsch-sympathischen Fahrwasser schwimmen.

Anders ist es mit der „Neuen Freien Presse," sie darf hin und wieder
in den innern Fragen etwas ketzerisch sein, dagegen ist sie wie sie von jeher
war, in der äußeren Politik maßgebend für die von der Regierung beliebte
Richtung und hat auch bereits ihre Wandlung in der Beurtheilung der
deutschen Angelegenheiten vollzogen. Das alte „Fremdenblatt" wandelt die
Wege der alten „Presse," während das „Neue Fremdenblatt" in allen
Punkten officiös ist und als eigentlicher Tirailleur zuerst vorgeschickt wird.


Grcnjboten III. 1872.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/81>, abgerufen am 03.07.2024.