Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

übte. Schon im vorigen Jahrhundert hatte Karl August vieles zur Hebung
dieses Zweiges gethan, weil er auf die Bildung eines tüchtigen Bauernstandes
sein Augenmerk gerichtet, auf seinen Reisen reiche Erfahrungen gesammelt
hatte, um das Gelernte nach eignem Geständnis; in das engere Baterland zu
verpflanzen und zu verwerthen. Die Ettersburger Gutswirthschaft, die Ober¬
weimarische Musterwirthschaft, die landwirtschaftlichen Vereine, deren Be¬
gründung in dem Bauernstande 1802 selbst angeregt wurde, zeigten ihre
Wirkungen. Es entging ihm nicht leicht eine Handhabe zur Hebung der Boden¬
cultur, wenn auch hie und da bei dem Stande der Agricultur wissenschaftlich
mancher kleine Rechenfehler mit unterlief. Man förderte den Anbau des
Tabacks durch unentgeltliche Vertheilung des Saamens, weil man aus dem
Verbrauch auf den bedeutenden Ertrag einer Tabackssteuer rechnete (1812) ohne
zu bedenken, daß die Güte des Weimarischen Tabacks sehr zweifelhafter Natur
war und reichen Absatz in Frage stellte. Man fand, daß der Krieg, wie einst
den Vögeln, jetzt den schädlichen Mäusen und Maulwürfen erklärt werden
müsse (1810), man bekämpfte die Thiere mit Staats-, Commun- und Privat-
eassen, die Prämien zahlten. Später mußte jeder Ackerbesitzer mindestens 4
Maulwürfe aufbringen, fo schwer es auch oft war; man controlirte den über¬
mäßigen Verbrauch von Stroh, mit dem man (1813) heizte, und fand noch
viele kleine, mühevolle Wege, auf denen der Landwirthschaft aufgeholfen werden
sollte. Dagegen wurde manches nennenswerthe durch die 1814 begründete
Lehranstalt in Tiefurt geleistet, wo Sturms Thätigkeit in Verbindung mit der
Universität Jena die Bildung junger Landwirthe anstrebte. Dann kam 1815
die wieder von Bertuch ins Leben gerufene Landesbaumschule. Dabei war
man nun freilich auch wieder nicht frei von Mißgriffen, und besteuerte z. B. bis
1813 neben dem Grund und Boden auch noch die einzelnen Obstbäume,
deren Setzung im vorigen Jahrhunderte bei freudigen Familienfesten obliga¬
torisch gewesen war, und die Höhe unserer Obstcultur erzielt hatte. Ueber¬
haupt stoßen wir, wie in andern Staatsverwaltungen, auch bei uns auf
manches was uns heute staatswirthschaftlich ein Räthsel bleibt. Wir erwähnen
z. B. die Steuerverfassung, als Beweis, welche Fortschritte wir heute
gemacht haben. Dem Staate lag damals gar nichts daran die Steuerkraft
des Einzelnen auszunützen; er war nicht steuergierig. Als man in Weimar
an die Deckung der Kriegskosten ging, sagte das Gesetz ausdrücklich: Derjenige,
welchem daran gelegen ist, den eigentlichen Bestand seines Vermögens unge¬
wiß zu lassen, kann dies leicht dadurch bewirken, daß er sich zur Zahlung mit
Inbegriff eines freiwilligen Beitrags als Geschenk versteht. Ein höheres
Steuercapital als 2000 Thaler hatte man gar nicht im Auge. Freilich sah
man auch die Folgen dieser staatswirthschaftlichen Mariinen in der lang an¬
dauernden Fincmzcalamität Weimars. Man sah sie nicht allein in der Physio-


übte. Schon im vorigen Jahrhundert hatte Karl August vieles zur Hebung
dieses Zweiges gethan, weil er auf die Bildung eines tüchtigen Bauernstandes
sein Augenmerk gerichtet, auf seinen Reisen reiche Erfahrungen gesammelt
hatte, um das Gelernte nach eignem Geständnis; in das engere Baterland zu
verpflanzen und zu verwerthen. Die Ettersburger Gutswirthschaft, die Ober¬
weimarische Musterwirthschaft, die landwirtschaftlichen Vereine, deren Be¬
gründung in dem Bauernstande 1802 selbst angeregt wurde, zeigten ihre
Wirkungen. Es entging ihm nicht leicht eine Handhabe zur Hebung der Boden¬
cultur, wenn auch hie und da bei dem Stande der Agricultur wissenschaftlich
mancher kleine Rechenfehler mit unterlief. Man förderte den Anbau des
Tabacks durch unentgeltliche Vertheilung des Saamens, weil man aus dem
Verbrauch auf den bedeutenden Ertrag einer Tabackssteuer rechnete (1812) ohne
zu bedenken, daß die Güte des Weimarischen Tabacks sehr zweifelhafter Natur
war und reichen Absatz in Frage stellte. Man fand, daß der Krieg, wie einst
den Vögeln, jetzt den schädlichen Mäusen und Maulwürfen erklärt werden
müsse (1810), man bekämpfte die Thiere mit Staats-, Commun- und Privat-
eassen, die Prämien zahlten. Später mußte jeder Ackerbesitzer mindestens 4
Maulwürfe aufbringen, fo schwer es auch oft war; man controlirte den über¬
mäßigen Verbrauch von Stroh, mit dem man (1813) heizte, und fand noch
viele kleine, mühevolle Wege, auf denen der Landwirthschaft aufgeholfen werden
sollte. Dagegen wurde manches nennenswerthe durch die 1814 begründete
Lehranstalt in Tiefurt geleistet, wo Sturms Thätigkeit in Verbindung mit der
Universität Jena die Bildung junger Landwirthe anstrebte. Dann kam 1815
die wieder von Bertuch ins Leben gerufene Landesbaumschule. Dabei war
man nun freilich auch wieder nicht frei von Mißgriffen, und besteuerte z. B. bis
1813 neben dem Grund und Boden auch noch die einzelnen Obstbäume,
deren Setzung im vorigen Jahrhunderte bei freudigen Familienfesten obliga¬
torisch gewesen war, und die Höhe unserer Obstcultur erzielt hatte. Ueber¬
haupt stoßen wir, wie in andern Staatsverwaltungen, auch bei uns auf
manches was uns heute staatswirthschaftlich ein Räthsel bleibt. Wir erwähnen
z. B. die Steuerverfassung, als Beweis, welche Fortschritte wir heute
gemacht haben. Dem Staate lag damals gar nichts daran die Steuerkraft
des Einzelnen auszunützen; er war nicht steuergierig. Als man in Weimar
an die Deckung der Kriegskosten ging, sagte das Gesetz ausdrücklich: Derjenige,
welchem daran gelegen ist, den eigentlichen Bestand seines Vermögens unge¬
wiß zu lassen, kann dies leicht dadurch bewirken, daß er sich zur Zahlung mit
Inbegriff eines freiwilligen Beitrags als Geschenk versteht. Ein höheres
Steuercapital als 2000 Thaler hatte man gar nicht im Auge. Freilich sah
man auch die Folgen dieser staatswirthschaftlichen Mariinen in der lang an¬
dauernden Fincmzcalamität Weimars. Man sah sie nicht allein in der Physio-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127991"/>
          <p xml:id="ID_162" prev="#ID_161" next="#ID_163"> übte. Schon im vorigen Jahrhundert hatte Karl August vieles zur Hebung<lb/>
dieses Zweiges gethan, weil er auf die Bildung eines tüchtigen Bauernstandes<lb/>
sein Augenmerk gerichtet, auf seinen Reisen reiche Erfahrungen gesammelt<lb/>
hatte, um das Gelernte nach eignem Geständnis; in das engere Baterland zu<lb/>
verpflanzen und zu verwerthen. Die Ettersburger Gutswirthschaft, die Ober¬<lb/>
weimarische Musterwirthschaft, die landwirtschaftlichen Vereine, deren Be¬<lb/>
gründung in dem Bauernstande 1802 selbst angeregt wurde, zeigten ihre<lb/>
Wirkungen. Es entging ihm nicht leicht eine Handhabe zur Hebung der Boden¬<lb/>
cultur, wenn auch hie und da bei dem Stande der Agricultur wissenschaftlich<lb/>
mancher kleine Rechenfehler mit unterlief. Man förderte den Anbau des<lb/>
Tabacks durch unentgeltliche Vertheilung des Saamens, weil man aus dem<lb/>
Verbrauch auf den bedeutenden Ertrag einer Tabackssteuer rechnete (1812) ohne<lb/>
zu bedenken, daß die Güte des Weimarischen Tabacks sehr zweifelhafter Natur<lb/>
war und reichen Absatz in Frage stellte. Man fand, daß der Krieg, wie einst<lb/>
den Vögeln, jetzt den schädlichen Mäusen und Maulwürfen erklärt werden<lb/>
müsse (1810), man bekämpfte die Thiere mit Staats-, Commun- und Privat-<lb/>
eassen, die Prämien zahlten. Später mußte jeder Ackerbesitzer mindestens 4<lb/>
Maulwürfe aufbringen, fo schwer es auch oft war; man controlirte den über¬<lb/>
mäßigen Verbrauch von Stroh, mit dem man (1813) heizte, und fand noch<lb/>
viele kleine, mühevolle Wege, auf denen der Landwirthschaft aufgeholfen werden<lb/>
sollte. Dagegen wurde manches nennenswerthe durch die 1814 begründete<lb/>
Lehranstalt in Tiefurt geleistet, wo Sturms Thätigkeit in Verbindung mit der<lb/>
Universität Jena die Bildung junger Landwirthe anstrebte. Dann kam 1815<lb/>
die wieder von Bertuch ins Leben gerufene Landesbaumschule. Dabei war<lb/>
man nun freilich auch wieder nicht frei von Mißgriffen, und besteuerte z. B. bis<lb/>
1813 neben dem Grund und Boden auch noch die einzelnen Obstbäume,<lb/>
deren Setzung im vorigen Jahrhunderte bei freudigen Familienfesten obliga¬<lb/>
torisch gewesen war, und die Höhe unserer Obstcultur erzielt hatte. Ueber¬<lb/>
haupt stoßen wir, wie in andern Staatsverwaltungen, auch bei uns auf<lb/>
manches was uns heute staatswirthschaftlich ein Räthsel bleibt. Wir erwähnen<lb/>
z. B. die Steuerverfassung, als Beweis, welche Fortschritte wir heute<lb/>
gemacht haben. Dem Staate lag damals gar nichts daran die Steuerkraft<lb/>
des Einzelnen auszunützen; er war nicht steuergierig. Als man in Weimar<lb/>
an die Deckung der Kriegskosten ging, sagte das Gesetz ausdrücklich: Derjenige,<lb/>
welchem daran gelegen ist, den eigentlichen Bestand seines Vermögens unge¬<lb/>
wiß zu lassen, kann dies leicht dadurch bewirken, daß er sich zur Zahlung mit<lb/>
Inbegriff eines freiwilligen Beitrags als Geschenk versteht. Ein höheres<lb/>
Steuercapital als 2000 Thaler hatte man gar nicht im Auge. Freilich sah<lb/>
man auch die Folgen dieser staatswirthschaftlichen Mariinen in der lang an¬<lb/>
dauernden Fincmzcalamität Weimars. Man sah sie nicht allein in der Physio-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] übte. Schon im vorigen Jahrhundert hatte Karl August vieles zur Hebung dieses Zweiges gethan, weil er auf die Bildung eines tüchtigen Bauernstandes sein Augenmerk gerichtet, auf seinen Reisen reiche Erfahrungen gesammelt hatte, um das Gelernte nach eignem Geständnis; in das engere Baterland zu verpflanzen und zu verwerthen. Die Ettersburger Gutswirthschaft, die Ober¬ weimarische Musterwirthschaft, die landwirtschaftlichen Vereine, deren Be¬ gründung in dem Bauernstande 1802 selbst angeregt wurde, zeigten ihre Wirkungen. Es entging ihm nicht leicht eine Handhabe zur Hebung der Boden¬ cultur, wenn auch hie und da bei dem Stande der Agricultur wissenschaftlich mancher kleine Rechenfehler mit unterlief. Man förderte den Anbau des Tabacks durch unentgeltliche Vertheilung des Saamens, weil man aus dem Verbrauch auf den bedeutenden Ertrag einer Tabackssteuer rechnete (1812) ohne zu bedenken, daß die Güte des Weimarischen Tabacks sehr zweifelhafter Natur war und reichen Absatz in Frage stellte. Man fand, daß der Krieg, wie einst den Vögeln, jetzt den schädlichen Mäusen und Maulwürfen erklärt werden müsse (1810), man bekämpfte die Thiere mit Staats-, Commun- und Privat- eassen, die Prämien zahlten. Später mußte jeder Ackerbesitzer mindestens 4 Maulwürfe aufbringen, fo schwer es auch oft war; man controlirte den über¬ mäßigen Verbrauch von Stroh, mit dem man (1813) heizte, und fand noch viele kleine, mühevolle Wege, auf denen der Landwirthschaft aufgeholfen werden sollte. Dagegen wurde manches nennenswerthe durch die 1814 begründete Lehranstalt in Tiefurt geleistet, wo Sturms Thätigkeit in Verbindung mit der Universität Jena die Bildung junger Landwirthe anstrebte. Dann kam 1815 die wieder von Bertuch ins Leben gerufene Landesbaumschule. Dabei war man nun freilich auch wieder nicht frei von Mißgriffen, und besteuerte z. B. bis 1813 neben dem Grund und Boden auch noch die einzelnen Obstbäume, deren Setzung im vorigen Jahrhunderte bei freudigen Familienfesten obliga¬ torisch gewesen war, und die Höhe unserer Obstcultur erzielt hatte. Ueber¬ haupt stoßen wir, wie in andern Staatsverwaltungen, auch bei uns auf manches was uns heute staatswirthschaftlich ein Räthsel bleibt. Wir erwähnen z. B. die Steuerverfassung, als Beweis, welche Fortschritte wir heute gemacht haben. Dem Staate lag damals gar nichts daran die Steuerkraft des Einzelnen auszunützen; er war nicht steuergierig. Als man in Weimar an die Deckung der Kriegskosten ging, sagte das Gesetz ausdrücklich: Derjenige, welchem daran gelegen ist, den eigentlichen Bestand seines Vermögens unge¬ wiß zu lassen, kann dies leicht dadurch bewirken, daß er sich zur Zahlung mit Inbegriff eines freiwilligen Beitrags als Geschenk versteht. Ein höheres Steuercapital als 2000 Thaler hatte man gar nicht im Auge. Freilich sah man auch die Folgen dieser staatswirthschaftlichen Mariinen in der lang an¬ dauernden Fincmzcalamität Weimars. Man sah sie nicht allein in der Physio-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/63
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/63>, abgerufen am 22.12.2024.