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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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sich in den öffentlichen Wochenblättern viel findet, erwähnen wir nur, daß
man die Tüncher 1813 auf kurze Zeit deßhalb Ofen setzen ließ, weil sämmt¬
liche Töpfer am Nervenfieber krank oder gestorben waren; und einer Wittwe
versagte man die Errichtung einer Wirthschaft, weil sie nach richterlicher Ent¬
scheidung so viel besitze, daß sie auch ohne dies Gewerbe leben könne. Die
Folgen zeigten sich bei der 1821 angestrebten ersten GeWerbeausstellung, auf
der nur 4--6 Leute etwas geleistet hatten. Sie hatten sich bereits seit 1816
gezeigt, wo allein 77 Schuhmacher öffentlich bekannten, mit Nahrungssorgen
kämpfen zu müssen, und sie zeigten sich in der allerdings wenig gefährlichen
Schusterrevolution, in der alle fremden Verkäufer mit Gewalt ausgetrieben
werden sollten, oder gar im Gebiete der Luftschifffahrt, der einzelne sich in
Weimar ergeben hatten, um das Glück, wie sie öffentlich drucken ließen, in
den höhern Regionen zu begründen, dessen sie hier nicht theilhaftig werden
könnten.

Selbstverständlich fehlte es bei dem Zunftzwang auch an Handel und
Wandel. Wenn man 1802 mit Nachbarstaaten Verträge zum gegenseitigen
Besuch der Fruchtmärkte schuf, so waren diese nur für die Zeiten des Ueber¬
flusses gültig. Gewerbliche Erzeugnisse stützten den Handel nicht; fertige
Möbel z. B. gab es vor 1805 in Weimar nicht, und die höhern Vermögens¬
nachweise, welche für Handelsgeschäfte gefordert wurden, ließen keine Ver¬
mehrung der Geschäfte und keinen Aufschwung zu. Ja, man hatte noch das Gesetz
von 1766, nach welchem kein Katholik durch Hauskauf sich ansässig machen durfte. '
Der hohe städtische Eingangszoll auf alle Waaren drückte den Handel ebenso gut
wie das noch bis 1811 bestehende Vorkaufsrecht Einzelner. Und wie man erst seit
1817 bestimmte Classen von fremden Gewerken auf hiesigen Jahrmärkten zu¬
ließ, die ihre Waaren bis 1818 als tüchtig und zulässig von dem Wei¬
marischen Handwerker prüfen lassen mußten, so durften auch die wenigen
Fabriken, welche Cölnisches Wasser und Cigarren (1816 und 22) fabricirten,
nur nach feierlicher Prüfung und nach Proben, welche die Regierung abnahm,
arbeiten und vertreiben. Auf den Standpunkt und die Höhe des Handels¬
standes gestattet der Umstand sicheren Rückschluß, daß Waarenlotterien wie
im vorigen Jahrhunderte noch in diesem an der Tagesordnung waren, und
die Begründung des Wollmarktes (1825) beinahe in Frage gestellt wurde,
weil es sowohl an öffentlichen Gebäuden und geräumigen Privathäusern, als
an genügendem Geldverkehr mangelte. Denn den letzteren vermittelte nur ein
einziges Bankhaus kleinern Styls. Die für den Wollmarkt nöthigen Ge¬
bäude aber, wie Waage und Meßhaus verdanken erst der glänzendem Ent¬
faltung des Marktes 1833 ihre Begründung.

Die Entwickelung der Landwirthschaft berühren wir nur kurz, weil
sie weniger aus die Stadt als auf die Landescultur im Großen Einfluß aus-


sich in den öffentlichen Wochenblättern viel findet, erwähnen wir nur, daß
man die Tüncher 1813 auf kurze Zeit deßhalb Ofen setzen ließ, weil sämmt¬
liche Töpfer am Nervenfieber krank oder gestorben waren; und einer Wittwe
versagte man die Errichtung einer Wirthschaft, weil sie nach richterlicher Ent¬
scheidung so viel besitze, daß sie auch ohne dies Gewerbe leben könne. Die
Folgen zeigten sich bei der 1821 angestrebten ersten GeWerbeausstellung, auf
der nur 4—6 Leute etwas geleistet hatten. Sie hatten sich bereits seit 1816
gezeigt, wo allein 77 Schuhmacher öffentlich bekannten, mit Nahrungssorgen
kämpfen zu müssen, und sie zeigten sich in der allerdings wenig gefährlichen
Schusterrevolution, in der alle fremden Verkäufer mit Gewalt ausgetrieben
werden sollten, oder gar im Gebiete der Luftschifffahrt, der einzelne sich in
Weimar ergeben hatten, um das Glück, wie sie öffentlich drucken ließen, in
den höhern Regionen zu begründen, dessen sie hier nicht theilhaftig werden
könnten.

Selbstverständlich fehlte es bei dem Zunftzwang auch an Handel und
Wandel. Wenn man 1802 mit Nachbarstaaten Verträge zum gegenseitigen
Besuch der Fruchtmärkte schuf, so waren diese nur für die Zeiten des Ueber¬
flusses gültig. Gewerbliche Erzeugnisse stützten den Handel nicht; fertige
Möbel z. B. gab es vor 1805 in Weimar nicht, und die höhern Vermögens¬
nachweise, welche für Handelsgeschäfte gefordert wurden, ließen keine Ver¬
mehrung der Geschäfte und keinen Aufschwung zu. Ja, man hatte noch das Gesetz
von 1766, nach welchem kein Katholik durch Hauskauf sich ansässig machen durfte. '
Der hohe städtische Eingangszoll auf alle Waaren drückte den Handel ebenso gut
wie das noch bis 1811 bestehende Vorkaufsrecht Einzelner. Und wie man erst seit
1817 bestimmte Classen von fremden Gewerken auf hiesigen Jahrmärkten zu¬
ließ, die ihre Waaren bis 1818 als tüchtig und zulässig von dem Wei¬
marischen Handwerker prüfen lassen mußten, so durften auch die wenigen
Fabriken, welche Cölnisches Wasser und Cigarren (1816 und 22) fabricirten,
nur nach feierlicher Prüfung und nach Proben, welche die Regierung abnahm,
arbeiten und vertreiben. Auf den Standpunkt und die Höhe des Handels¬
standes gestattet der Umstand sicheren Rückschluß, daß Waarenlotterien wie
im vorigen Jahrhunderte noch in diesem an der Tagesordnung waren, und
die Begründung des Wollmarktes (1825) beinahe in Frage gestellt wurde,
weil es sowohl an öffentlichen Gebäuden und geräumigen Privathäusern, als
an genügendem Geldverkehr mangelte. Denn den letzteren vermittelte nur ein
einziges Bankhaus kleinern Styls. Die für den Wollmarkt nöthigen Ge¬
bäude aber, wie Waage und Meßhaus verdanken erst der glänzendem Ent¬
faltung des Marktes 1833 ihre Begründung.

Die Entwickelung der Landwirthschaft berühren wir nur kurz, weil
sie weniger aus die Stadt als auf die Landescultur im Großen Einfluß aus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/62>, abgerufen am 22.12.2024.