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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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wieder hinauszuwerfen . . und jeder muß als Freund willkommen sein, der
Bayern den Bayern erhält. In der "Ilmtg, t-Ättolieg." aber war um dieselbe
Zeit zu lesen: "Der König hat mit seinem Betragen das Land ungemein
aufgeregt, und wenn er nicht zu klügeren Rathschlägen zurückkehrt, so setzt er
seine Krone auf's Spiel, die ohnedies für sein leichtes Haupt viel zu schwer
ist. Dem Fürsten Hohenlohe, welcher den König bat, die Reichsrathsadresse
und seine Entlassung anzunehmen, hat derselbe verneinend geantwortet und
hinzugefügt, daß er noch Soldaten habe, auf die er zählen könne. Wenn
das wahr ist, so ist es augenscheinlich, daß der gute Ludwig aufgehört hat,
König zu sein." Und das "(-iornals al Koma", das Organ des Cardinals
Antonelli, erklärte: "wenn das Ministerium nach dem Mißtrauensvotum noch
im Amte' bleibt, so werden die Kammern durch Verweigerung der Steuern es
zum Rücktritt zwingen."

Auch bei dieser Gelegenheit offenbarte sich die wunderbare Harmonie französi¬
scher und klerikaler Interessen, die natürlich nur rein zufällig war und ist, wie wir
gern bestätigen, da die Herren Ultramontanen heute es nöthig finden, den Mantel
nationaler Gesinnung sich umzuhängen. Damals scheuten sich die "Patrioten" der
zweiten bayerischen Kammer nicht, das Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen
als den Hauptgegenstand des Aergernisses gegen den Fürsten Hohenlohe zu
bezeichnen. "Die Verträge mit Preußen sind erfahrungsgemäß der Deutung
fähig", hieß es in dem Adreßentwurf der "Patrioten", der nach zwölftägigen
Sitzungen und Debatten am 13. Februar 1870 endlich mit 78 gegen 62 Stim¬
men Annahme fand, "und die möglichen Deutungen verbreiten Beängstigung
im Volke. Daraus entspringt unwillkührlich das Verlangen nach einem Leiter der
auswärtigen Angelegenheiten, dem das Vertrauen des Volkes entgegengetragen
würde." Fürst Hohenlohe erklärte darauf offen, es gebe eine zweifache Art
des Vertragsbruchs, eine offene und eine versteckte, zu der letzteren sei er un¬
fähig; er ließ deutlich durchschimmern, welche Partei den offenen Treubruch
nicht wage, den versteckten beabsichtige. Gegenüber dieser mannhaften Sprache,
die durch Volk, Stauffenberg, Marquard Barth und A. mächtig unterstützt
wurde, nahm sich die Beredtsamkeit und die Taktik der Gegner des Fürsten
recht armselig aus. Der Militärcurat Lukas führte den "Sauhieb" in
den parlamentarischen Paukcomment ein. Der nun verstorbene "Reichsgreil"
debütirte schon damals mit dem Glaubensbekenntniß des heutigen schwarzen
Centrums: "Es gibt Gesetze, die man nicht befolgen darf, denn der göttliche
Wille steht über dem menschlichen." Und Dr. Jörg, der Referent der Ma¬
jorität und Redacteur der gelben Blätter der Familie Görres, wußte seine
durch zwölf Tage verhaltene Begründung der Adresse nicht besser zu beschließen
als mit den Worten: "Es sei ein gar schlimmes Gerücht im Lande verbreitet,
das habe man ihm, während er immer abgewehrt, gar oft in die Ohren ge-


wieder hinauszuwerfen . . und jeder muß als Freund willkommen sein, der
Bayern den Bayern erhält. In der „Ilmtg, t-Ättolieg." aber war um dieselbe
Zeit zu lesen: „Der König hat mit seinem Betragen das Land ungemein
aufgeregt, und wenn er nicht zu klügeren Rathschlägen zurückkehrt, so setzt er
seine Krone auf's Spiel, die ohnedies für sein leichtes Haupt viel zu schwer
ist. Dem Fürsten Hohenlohe, welcher den König bat, die Reichsrathsadresse
und seine Entlassung anzunehmen, hat derselbe verneinend geantwortet und
hinzugefügt, daß er noch Soldaten habe, auf die er zählen könne. Wenn
das wahr ist, so ist es augenscheinlich, daß der gute Ludwig aufgehört hat,
König zu sein." Und das „(-iornals al Koma", das Organ des Cardinals
Antonelli, erklärte: „wenn das Ministerium nach dem Mißtrauensvotum noch
im Amte' bleibt, so werden die Kammern durch Verweigerung der Steuern es
zum Rücktritt zwingen."

Auch bei dieser Gelegenheit offenbarte sich die wunderbare Harmonie französi¬
scher und klerikaler Interessen, die natürlich nur rein zufällig war und ist, wie wir
gern bestätigen, da die Herren Ultramontanen heute es nöthig finden, den Mantel
nationaler Gesinnung sich umzuhängen. Damals scheuten sich die „Patrioten" der
zweiten bayerischen Kammer nicht, das Schutz- und Trutzbündniß mit Preußen
als den Hauptgegenstand des Aergernisses gegen den Fürsten Hohenlohe zu
bezeichnen. „Die Verträge mit Preußen sind erfahrungsgemäß der Deutung
fähig", hieß es in dem Adreßentwurf der „Patrioten", der nach zwölftägigen
Sitzungen und Debatten am 13. Februar 1870 endlich mit 78 gegen 62 Stim¬
men Annahme fand, „und die möglichen Deutungen verbreiten Beängstigung
im Volke. Daraus entspringt unwillkührlich das Verlangen nach einem Leiter der
auswärtigen Angelegenheiten, dem das Vertrauen des Volkes entgegengetragen
würde." Fürst Hohenlohe erklärte darauf offen, es gebe eine zweifache Art
des Vertragsbruchs, eine offene und eine versteckte, zu der letzteren sei er un¬
fähig; er ließ deutlich durchschimmern, welche Partei den offenen Treubruch
nicht wage, den versteckten beabsichtige. Gegenüber dieser mannhaften Sprache,
die durch Volk, Stauffenberg, Marquard Barth und A. mächtig unterstützt
wurde, nahm sich die Beredtsamkeit und die Taktik der Gegner des Fürsten
recht armselig aus. Der Militärcurat Lukas führte den „Sauhieb" in
den parlamentarischen Paukcomment ein. Der nun verstorbene „Reichsgreil"
debütirte schon damals mit dem Glaubensbekenntniß des heutigen schwarzen
Centrums: „Es gibt Gesetze, die man nicht befolgen darf, denn der göttliche
Wille steht über dem menschlichen." Und Dr. Jörg, der Referent der Ma¬
jorität und Redacteur der gelben Blätter der Familie Görres, wußte seine
durch zwölf Tage verhaltene Begründung der Adresse nicht besser zu beschließen
als mit den Worten: „Es sei ein gar schlimmes Gerücht im Lande verbreitet,
das habe man ihm, während er immer abgewehrt, gar oft in die Ohren ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/59>, abgerufen am 22.07.2024.