Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.Auflösung. So entschloß sich das Ministerium, die Kammern aufzulösen. Aber so überaus ehrenvoll dieses Zeugniß der Feinde Deutschlands dem Fürsten Auflösung. So entschloß sich das Ministerium, die Kammern aufzulösen. Aber so überaus ehrenvoll dieses Zeugniß der Feinde Deutschlands dem Fürsten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127986"/> <p xml:id="ID_147" prev="#ID_146"> Auflösung. So entschloß sich das Ministerium, die Kammern aufzulösen.<lb/> Die Eintheilung der Wahlkreise sollte der liberalen Partei zum Siege ver¬<lb/> helfen. Allein die liberale Partei, siegreich in den Städten, unterlag auf dem<lb/> Lande: 80 Patrioten standen 74 Liberalen gegenüber. Es ist heute kein Ge¬<lb/> heimniß mehr, daß dieses Resultat im wesentlichen französischer Agitation und<lb/> französischem Gelde zu danken ist, welches die französische Gesandtschaft in<lb/> München für die Zwecke des „heiligen Glaubens und gegen die Verpreußung"<lb/> mit vollen Händen ausstreute. Selbst die Namen der deutschen Buben, die<lb/> damals in französischem Solde das Land gegen „den Preußen" aufwiegelten,<lb/> sind uns bekannt. Und wenige Monate später, als während der Frühjahrs¬<lb/> sitzung des deutschen Zollparlaments 1870 noch Alles dem tiefsten Friedens¬<lb/> vertrauen sich hingab, erklärte Fürst Hohenlohe auf einer Soiree des Kron¬<lb/> prinzen in Berlin den Krieg mit Frankreich für nahe bevorstehend, unvermeid¬<lb/> lich, da die Depeschen des Herrn Dr. Sigl vom bayerischen „Baterland" dem<lb/> Erbfeind Deutschlands die süße Gewißheit gegeben hatten, daß der Sturz<lb/> Hohenlohe's gleichbedeutend sei mit der Neutralität Bayerns im Kriegsfall,<lb/> und man in Paris hieran ernstlich glaubte.</p><lb/> <p xml:id="ID_148" next="#ID_149"> Aber so überaus ehrenvoll dieses Zeugniß der Feinde Deutschlands dem Fürsten<lb/> Hohenlohe vor dem Tribunal der deutschen Geschichte stets bleiben wird, und so<lb/> elend im Sommer 1870 der Vaterlandsverrath der Schwarzen zu Schanden wurde<lb/> an der deutschen Treue der braven Bayern — dennoch reichte die winzige<lb/> Majorität der „Patrioten" der bayerischen Kammern aus, Hohenlohe damals<lb/> zu stürzen. Sofort als das Wahlergebniß bekannt war, reichte das Ministe¬<lb/> rium seine Entlassung ein, die indessen vom König nur theilweise angenommen<lb/> wurde, v. Hörmann und Gresser schieden aus. Hohenlohe trat mit Schlor,<lb/> Lutz und Psretzschner der äußerst erbitterten Kammer gegenüber. Womöglich noch<lb/> winziger als die Mehrheit der Gegner war das geistige Capital, über welches die¬<lb/> selben zu verfügen hatten. Der weitaus beste Theil ihres Rüstzeuges ward im<lb/> Vatican geschmiedet, und natürlich, wie alle Waffen der Curie, in das vor-<lb/> räthige Gift getränkt. Als der jugendliche König, fest zu Hohenlohe stehend,<lb/> die Annahme der Reichsrathsdeputation verweigerte, welche ihm die wider das<lb/> gesammte Ministerium beschlossene Mißtrauensadresse überreichen wollte, die Prin¬<lb/> zen Luitpold, Ludwig und Leopold aber, welche an diesem Beschlusse Theil ge¬<lb/> nommen, vom Besuch des Hofes dispensirte, und dagegen die zwölf Herren der<lb/> Minorität des Reichsraths nebst den Ministern am 30. Januar 1870 zur<lb/> königlichen Tafel zog, da schrieb das „bayerische Vaterland": König Ludwig<lb/> II. heiße nicht Ludwig XIV., das Land sei konstitutionell, die Regierung wolle<lb/> Unruhen im Lande erzeugen und dann die Preußen als Retter ins Land<lb/> rufen. Aber „sobald ein Preuße die Grenzen Bayerns überschreitet, setzen sich<lb/> 600,000 Franzosen und 400,000 Oesterreicher in Bewegung, den Preußen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
Auflösung. So entschloß sich das Ministerium, die Kammern aufzulösen.
Die Eintheilung der Wahlkreise sollte der liberalen Partei zum Siege ver¬
helfen. Allein die liberale Partei, siegreich in den Städten, unterlag auf dem
Lande: 80 Patrioten standen 74 Liberalen gegenüber. Es ist heute kein Ge¬
heimniß mehr, daß dieses Resultat im wesentlichen französischer Agitation und
französischem Gelde zu danken ist, welches die französische Gesandtschaft in
München für die Zwecke des „heiligen Glaubens und gegen die Verpreußung"
mit vollen Händen ausstreute. Selbst die Namen der deutschen Buben, die
damals in französischem Solde das Land gegen „den Preußen" aufwiegelten,
sind uns bekannt. Und wenige Monate später, als während der Frühjahrs¬
sitzung des deutschen Zollparlaments 1870 noch Alles dem tiefsten Friedens¬
vertrauen sich hingab, erklärte Fürst Hohenlohe auf einer Soiree des Kron¬
prinzen in Berlin den Krieg mit Frankreich für nahe bevorstehend, unvermeid¬
lich, da die Depeschen des Herrn Dr. Sigl vom bayerischen „Baterland" dem
Erbfeind Deutschlands die süße Gewißheit gegeben hatten, daß der Sturz
Hohenlohe's gleichbedeutend sei mit der Neutralität Bayerns im Kriegsfall,
und man in Paris hieran ernstlich glaubte.
Aber so überaus ehrenvoll dieses Zeugniß der Feinde Deutschlands dem Fürsten
Hohenlohe vor dem Tribunal der deutschen Geschichte stets bleiben wird, und so
elend im Sommer 1870 der Vaterlandsverrath der Schwarzen zu Schanden wurde
an der deutschen Treue der braven Bayern — dennoch reichte die winzige
Majorität der „Patrioten" der bayerischen Kammern aus, Hohenlohe damals
zu stürzen. Sofort als das Wahlergebniß bekannt war, reichte das Ministe¬
rium seine Entlassung ein, die indessen vom König nur theilweise angenommen
wurde, v. Hörmann und Gresser schieden aus. Hohenlohe trat mit Schlor,
Lutz und Psretzschner der äußerst erbitterten Kammer gegenüber. Womöglich noch
winziger als die Mehrheit der Gegner war das geistige Capital, über welches die¬
selben zu verfügen hatten. Der weitaus beste Theil ihres Rüstzeuges ward im
Vatican geschmiedet, und natürlich, wie alle Waffen der Curie, in das vor-
räthige Gift getränkt. Als der jugendliche König, fest zu Hohenlohe stehend,
die Annahme der Reichsrathsdeputation verweigerte, welche ihm die wider das
gesammte Ministerium beschlossene Mißtrauensadresse überreichen wollte, die Prin¬
zen Luitpold, Ludwig und Leopold aber, welche an diesem Beschlusse Theil ge¬
nommen, vom Besuch des Hofes dispensirte, und dagegen die zwölf Herren der
Minorität des Reichsraths nebst den Ministern am 30. Januar 1870 zur
königlichen Tafel zog, da schrieb das „bayerische Vaterland": König Ludwig
II. heiße nicht Ludwig XIV., das Land sei konstitutionell, die Regierung wolle
Unruhen im Lande erzeugen und dann die Preußen als Retter ins Land
rufen. Aber „sobald ein Preuße die Grenzen Bayerns überschreitet, setzen sich
600,000 Franzosen und 400,000 Oesterreicher in Bewegung, den Preußen
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