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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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in dem ersten halben Jahr seiner Amtsführung das Fundament, auf dem er
stand, sicher gegründet hatte. Auch die Gründung eines Südbundes in allen
Formen und Verhüllungen, in welchen er ihm angeboten wurde, wies er ent¬
schieden ab.

Und nun erließ Bismarck, wohl im wesentlichen als Gegendienst für die
nationale That Hohenlohe's, seine berühmte Circulardepesche vom September
1867, wo er aufs bestimmteste leugnete, daß Preußen jemals auf den Beitritt
der Südstaaten oder eines derselben zum Norddeutschen Bund auch nur den
geringsten Druck üben werde. Die Depesche hätte sich jeder bayerische "Patriot"
ins Gedächtniß rufen sollen, wenn er von Hohenlohe annahm, der Fürst werde
wider Willen den Beitritt Bayerns zum Norddeutschen Bund erklären müssen.
Denn die Depesche war nicht nur für Paris und Wien, sie war wesentlich
zur Beruhigung der bayerischen Gemüther geschrieben; in Hessen und Baden
wenigstens trug nach einer solchen Mäßigung Bismarcks nur der kleinste Thut
der Bevölkerung Verlangen, und um Herrn von Varnbüler zu befestigen, war
sie schwerlich abgefaßt.

Wer ferner den Fürsten Hohenlohe der Halbheit in der Verfolgung seiner
nationalen Aufgabe bezüchtigt, mag sich erinnern, welche Thaten er nach seiner
Rede vom 9. October 1867 aufzuweisen hat. Die zweite Kammer genehmigte
fast mit Einstimmigkeit die Erneuerung der Zollvereinsverträge, und später
das Schutz- und Trutzbündniß mit dem Norddeutschen Bund. Die Kammer
der Reichsrathe aber war in ihrer übergroßen Mehrheit so entschieden für die
Verwerfung beider Verträge gestimmt, und die Verwerfung ihrerseits eine so
kritische Cabinetsfrage für Hohenlohe, daß die Feinheit, mit welcher er die
ganze erste Kammer einstimmig zur Genehmigung umzustimmen wußte, schlecht¬
hin meisterhaft zu nennen ist. Für alle diejenigen nämlich, welche mit der
Geschichte des Zollvereins vertraut waren, lag klar auf der Hand, daß der
neue Zvllvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 stand und fiel mit der in ihm
durchgeführten Abschaffung des absoluten Veto jedes Zollvereinsgliedes. Diese
Errungenschaft war eine der besten des Jahres 1866, und es war sicher, daß
Preußen sie unter keinen Umständen preis gab. Gleichwohl brachte der Fürst
Löwenstein-Nosenburg im bayerischen Reichsrath, im Gegensatz zu dem unbe¬
dingten Verwerfungsvorschlag der Mehrheit den Antrag ein, den Zollvereins¬
vertrag zwar zu genehmigen, jedoch nur unter der Bedingung, daß es hinsicht¬
lich des Veto für Bayern beim Alten bliebe. Hohenlohe empfahl zur Über¬
raschung seiner Standesgenossen den Antrag zur Annahme, ja, er versprach
ausdrücklich, falls der Antrag angenommen werde, denselben in Berlin zu
befürworten. Die hohe Kammer nahm den Antrag an.

Hohenlohe ging nun in seiner Connivenz gegen seine Widersacher noch
weiter. Er lud den hochgewandten Führer der Gegner, den Baron von


in dem ersten halben Jahr seiner Amtsführung das Fundament, auf dem er
stand, sicher gegründet hatte. Auch die Gründung eines Südbundes in allen
Formen und Verhüllungen, in welchen er ihm angeboten wurde, wies er ent¬
schieden ab.

Und nun erließ Bismarck, wohl im wesentlichen als Gegendienst für die
nationale That Hohenlohe's, seine berühmte Circulardepesche vom September
1867, wo er aufs bestimmteste leugnete, daß Preußen jemals auf den Beitritt
der Südstaaten oder eines derselben zum Norddeutschen Bund auch nur den
geringsten Druck üben werde. Die Depesche hätte sich jeder bayerische „Patriot"
ins Gedächtniß rufen sollen, wenn er von Hohenlohe annahm, der Fürst werde
wider Willen den Beitritt Bayerns zum Norddeutschen Bund erklären müssen.
Denn die Depesche war nicht nur für Paris und Wien, sie war wesentlich
zur Beruhigung der bayerischen Gemüther geschrieben; in Hessen und Baden
wenigstens trug nach einer solchen Mäßigung Bismarcks nur der kleinste Thut
der Bevölkerung Verlangen, und um Herrn von Varnbüler zu befestigen, war
sie schwerlich abgefaßt.

Wer ferner den Fürsten Hohenlohe der Halbheit in der Verfolgung seiner
nationalen Aufgabe bezüchtigt, mag sich erinnern, welche Thaten er nach seiner
Rede vom 9. October 1867 aufzuweisen hat. Die zweite Kammer genehmigte
fast mit Einstimmigkeit die Erneuerung der Zollvereinsverträge, und später
das Schutz- und Trutzbündniß mit dem Norddeutschen Bund. Die Kammer
der Reichsrathe aber war in ihrer übergroßen Mehrheit so entschieden für die
Verwerfung beider Verträge gestimmt, und die Verwerfung ihrerseits eine so
kritische Cabinetsfrage für Hohenlohe, daß die Feinheit, mit welcher er die
ganze erste Kammer einstimmig zur Genehmigung umzustimmen wußte, schlecht¬
hin meisterhaft zu nennen ist. Für alle diejenigen nämlich, welche mit der
Geschichte des Zollvereins vertraut waren, lag klar auf der Hand, daß der
neue Zvllvereinsvertrag vom 8. Juli 1867 stand und fiel mit der in ihm
durchgeführten Abschaffung des absoluten Veto jedes Zollvereinsgliedes. Diese
Errungenschaft war eine der besten des Jahres 1866, und es war sicher, daß
Preußen sie unter keinen Umständen preis gab. Gleichwohl brachte der Fürst
Löwenstein-Nosenburg im bayerischen Reichsrath, im Gegensatz zu dem unbe¬
dingten Verwerfungsvorschlag der Mehrheit den Antrag ein, den Zollvereins¬
vertrag zwar zu genehmigen, jedoch nur unter der Bedingung, daß es hinsicht¬
lich des Veto für Bayern beim Alten bliebe. Hohenlohe empfahl zur Über¬
raschung seiner Standesgenossen den Antrag zur Annahme, ja, er versprach
ausdrücklich, falls der Antrag angenommen werde, denselben in Berlin zu
befürworten. Die hohe Kammer nahm den Antrag an.

Hohenlohe ging nun in seiner Connivenz gegen seine Widersacher noch
weiter. Er lud den hochgewandten Führer der Gegner, den Baron von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/55>, abgerufen am 25.08.2024.