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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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land, aufrichtiger Anschluß an Norddeutschlands leitende Militärmacht, aber
auch Wahrung der bayerischen Selbständigkeit, Anbahnung eines freundlicheren
Verhältnisses mit Oesterreich. Von rechts und links, von den festgewurzelten
Altbayern und heimatlosen Ultramontanen, wie von denjenigen, die nach dem
Tempo des Jahres 1866 die seitherige Entwickelung der deutschen Einheit
als eine zu langsame oder gar rückläufige ansahen, ist Hohenlohe wegen jener
Rede der Halbheit bezüchtigt worden. Jene erklärten, er gebe den letzten
Schimmer bayerischer Selbständigkeit an feine preußischen Sympathieen; diese
ließen sich oftmals zu dem pessimistischen Ausspruch hinreißen: Lieber ein ul¬
tramontanes Ministerium ganz nach dem Herzen des bayerischen Neichsrathes,
das den Staat an den Rand des Verderbens brächte, als diese gemessene
Haltung! Wir lassen auch hier Thatsachen reden, statt politischer Borurtheile.

Zunächst nämlich hatte Hohenlohe wenige Wochen, ehe er am 9. October
1867 sein Programm in der Kammer entwickelte, das glänzendste Zeugniß
abgelegt für eine rein deutsch e Gesinnung Man wird sich erinnern, wie
lebhaft zu Anfang jenes Jahres der französische Chauvinismus wider uns
erregt war, wie beinahe um Luxemburg der Krieg zwischen Deutschland und
Frankreich entbrannte. Die Gefahr war kaum abgewendet, als geheime Boten
zwischen Wien und Paris hin- und herreisten, und die zur Schau getragene
Busenfreundschaft der beiden Staaten in der geheimnißvollen Zusammenkunft
Beusts und Napoleons in Salzburg ihre Weihe fand. Wieder begannen die
Chauvinisten diesseit und jenseit des Rheins und der Donau mit dem Säbel
zu rasseln, die Reize eines deutschen Südbundes gar anziehend zu entfalten
und die deutschen Südstaaten zu einer "selbständigen" Politik im Kriegsfall
aufzumuntern, wobei ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß diese "selbständige"
Politik in der Bundesgenossenschaft der Südstaaten mit Preußen gar nicht
gedeihen könne; daneben fehlte natürlich nicht die Drohung mit der preußischen
Annexion, die man in Süddeutschland überall ankündigte. Diese hochfahrende
Verschwörung wider die Ehre des deutschen Namens, an der sich namentlich
in Würtemberg die sogenannte Volkspartei in hellen Haufen berauschte, konnte
nicht gründlicher abgestraft und lächerlich gemacht werden, als durch die plötz¬
liche Veröffentlichung der Augustbündnisse aller süddeutschen Staaten mit
Preußen, die Hohenlohe nun geschehen ließ. Die Ernüchterung der Schwelger
in Nheinbündelei war um so vollständiger, je besser bis dahin das Geheimniß
bewahrt worden war. Die Veröffentlichung dieser Bündnisse in Bayern gerade
jetzt, wo der Kampf um die Erneuerung der Zollverträge entbrannt war. in
einem Lande, wo die Nheinbündelei bis dahin so zweifellos für patriotisch
galt, daß der große Obelisk in München von den im Solde Napoleons in
Rußland verbluteten Bayern kündet: "Auch sie sind für das Vaterland ge¬
fallen", war wirklich eine mannhafte That, ein Zeugniß, daß Hohenlohe schon


land, aufrichtiger Anschluß an Norddeutschlands leitende Militärmacht, aber
auch Wahrung der bayerischen Selbständigkeit, Anbahnung eines freundlicheren
Verhältnisses mit Oesterreich. Von rechts und links, von den festgewurzelten
Altbayern und heimatlosen Ultramontanen, wie von denjenigen, die nach dem
Tempo des Jahres 1866 die seitherige Entwickelung der deutschen Einheit
als eine zu langsame oder gar rückläufige ansahen, ist Hohenlohe wegen jener
Rede der Halbheit bezüchtigt worden. Jene erklärten, er gebe den letzten
Schimmer bayerischer Selbständigkeit an feine preußischen Sympathieen; diese
ließen sich oftmals zu dem pessimistischen Ausspruch hinreißen: Lieber ein ul¬
tramontanes Ministerium ganz nach dem Herzen des bayerischen Neichsrathes,
das den Staat an den Rand des Verderbens brächte, als diese gemessene
Haltung! Wir lassen auch hier Thatsachen reden, statt politischer Borurtheile.

Zunächst nämlich hatte Hohenlohe wenige Wochen, ehe er am 9. October
1867 sein Programm in der Kammer entwickelte, das glänzendste Zeugniß
abgelegt für eine rein deutsch e Gesinnung Man wird sich erinnern, wie
lebhaft zu Anfang jenes Jahres der französische Chauvinismus wider uns
erregt war, wie beinahe um Luxemburg der Krieg zwischen Deutschland und
Frankreich entbrannte. Die Gefahr war kaum abgewendet, als geheime Boten
zwischen Wien und Paris hin- und herreisten, und die zur Schau getragene
Busenfreundschaft der beiden Staaten in der geheimnißvollen Zusammenkunft
Beusts und Napoleons in Salzburg ihre Weihe fand. Wieder begannen die
Chauvinisten diesseit und jenseit des Rheins und der Donau mit dem Säbel
zu rasseln, die Reize eines deutschen Südbundes gar anziehend zu entfalten
und die deutschen Südstaaten zu einer „selbständigen" Politik im Kriegsfall
aufzumuntern, wobei ausdrücklich ausgesprochen wurde, daß diese „selbständige"
Politik in der Bundesgenossenschaft der Südstaaten mit Preußen gar nicht
gedeihen könne; daneben fehlte natürlich nicht die Drohung mit der preußischen
Annexion, die man in Süddeutschland überall ankündigte. Diese hochfahrende
Verschwörung wider die Ehre des deutschen Namens, an der sich namentlich
in Würtemberg die sogenannte Volkspartei in hellen Haufen berauschte, konnte
nicht gründlicher abgestraft und lächerlich gemacht werden, als durch die plötz¬
liche Veröffentlichung der Augustbündnisse aller süddeutschen Staaten mit
Preußen, die Hohenlohe nun geschehen ließ. Die Ernüchterung der Schwelger
in Nheinbündelei war um so vollständiger, je besser bis dahin das Geheimniß
bewahrt worden war. Die Veröffentlichung dieser Bündnisse in Bayern gerade
jetzt, wo der Kampf um die Erneuerung der Zollverträge entbrannt war. in
einem Lande, wo die Nheinbündelei bis dahin so zweifellos für patriotisch
galt, daß der große Obelisk in München von den im Solde Napoleons in
Rußland verbluteten Bayern kündet: „Auch sie sind für das Vaterland ge¬
fallen", war wirklich eine mannhafte That, ein Zeugniß, daß Hohenlohe schon


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/54>, abgerufen am 23.07.2024.