Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.80,000 Einwohnern, eine Kriegsentschädigung von 30 Millionen Gulden forderte Ganz Deutschland hat seitdem die Grundzüge des Hohenloheschen Pro¬ 80,000 Einwohnern, eine Kriegsentschädigung von 30 Millionen Gulden forderte Ganz Deutschland hat seitdem die Grundzüge des Hohenloheschen Pro¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127981"/> <p xml:id="ID_133" prev="#ID_132"> 80,000 Einwohnern, eine Kriegsentschädigung von 30 Millionen Gulden forderte<lb/> Preußen als Preis des Friedens. Schmerzlicher noch war, daß nutzlos das<lb/> Blut der Landeskinder in Strömen geflossen war unter einer durchaus unge¬<lb/> nügenden militärischen Führung. Das Ministerium von der Pfordten wurde<lb/> nun unmöglich. Und als derselbe Minister, der dem Lande jene harten Frie¬<lb/> densbedingungen eingebracht hatte, die Preußen nach dem Kriege stellte, vor<lb/> den Reichsrath und die Volksvertretung Bayerns trat, um die Vertheidigung<lb/> derselben zu übernehmen, da war es wieder Hohenlohe, der zwar nicht wie<lb/> viele seiner erlauchten College« an der Jsar. an den Bedingungen des Friedens<lb/> feilschte und mäkelte, aber das eine laut und unbedingt, unter nachhaltigem<lb/> Echo in der zweiten Kammer und in ganz Bayern forderte: Daß die Ratifi-<lb/> cation dieses Friedens der letzte politische Act des Ministeriums von der<lb/> Pfordten sein müsse, daß nur bei sofortigen Rücktritt dieses Ministeriums das<lb/> Land von seiner schweren Prüfung sich erholen könne. So sprach Hohenlohe<lb/> am 23. August 1866. Von da ab war sein Name derjenige, den unablässig<lb/> die gesammte nationale Presse des Landes nannte und forderte als leitendes<lb/> Haupt eines neuen Ministeriums, und sicher hätte der jugendliche König als¬<lb/> bald dieser Stimme Gehör geschenkt, wenn er nicht gezaudert hätte, einen der<lb/> ersten Standesherren Bayerns, dem wenige gleichkamen an Höhe und Sicher¬<lb/> heit der socialen Stellung, zum ersten Rathgeber der Krone zu machen. Doch<lb/> schwanden bald diese Bedenken vor der Thatsache, daß Hohenlohe der Mehr¬<lb/> heit des Landes und dem neuen Bundesgenossen Preußen weitaus der will¬<lb/> kommenste Leiter der bayrischen Staatsangelegenheiten sei, daß er den klarsten<lb/> Blick und den redlichsten Willen besitze, Bayern im neuen Deutschland deutsch<lb/> zu führen. Gegen Ende des Jahres 1866 forderte der junge König Hohen¬<lb/> lohe auf, ihm ein Programm derjenigen Grundsätze vorzulegen, die ihm even¬<lb/> tuell als bayerischer Minister zur Richtschnur dienen würden. Hohenlohe voll¬<lb/> zog den Auftrag zur Zufriedenheit des Königs. Mit dem 1. Januar 1867<lb/> trat Hohenlohe an von der Pfordtens Stelle.</p><lb/> <p xml:id="ID_134" next="#ID_135"> Ganz Deutschland hat seitdem die Grundzüge des Hohenloheschen Pro¬<lb/> grammes, namentlich in der deutschen Frage, durch seine Thaten erfahren, die<lb/> sich am klarsten mit seinen eigenen Worten verfolgen lassen, wenn man die<lb/> Rede liest, die er am 9. October 1867 in der Kammer der Abgeordneten hielt,<lb/> in jener wichtigen Krisis, da zum letzten Mal die Fortexistenz des deutschen<lb/> Zollvereins auf den schwankenden Majoritäten der süddeutschen Kammern<lb/> ruhte, ehe für immer das absolute Veto jedes Gliedes des alten Zollvereins,<lb/> der parlamentarischen Neugestaltung durch Zollbundesrath und Zollparlament<lb/> Platz machen sollte. Damals hat er in wenig kraftvollen Sätzen die goldene<lb/> Mittelstraße vorgezeichnet, die ein bayerischer Premier von diesen Tagen an zu ver¬<lb/> folgen habe: Volle rückhaltslose Anerkennung der neuen Zustände in Deutsch-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
80,000 Einwohnern, eine Kriegsentschädigung von 30 Millionen Gulden forderte
Preußen als Preis des Friedens. Schmerzlicher noch war, daß nutzlos das
Blut der Landeskinder in Strömen geflossen war unter einer durchaus unge¬
nügenden militärischen Führung. Das Ministerium von der Pfordten wurde
nun unmöglich. Und als derselbe Minister, der dem Lande jene harten Frie¬
densbedingungen eingebracht hatte, die Preußen nach dem Kriege stellte, vor
den Reichsrath und die Volksvertretung Bayerns trat, um die Vertheidigung
derselben zu übernehmen, da war es wieder Hohenlohe, der zwar nicht wie
viele seiner erlauchten College« an der Jsar. an den Bedingungen des Friedens
feilschte und mäkelte, aber das eine laut und unbedingt, unter nachhaltigem
Echo in der zweiten Kammer und in ganz Bayern forderte: Daß die Ratifi-
cation dieses Friedens der letzte politische Act des Ministeriums von der
Pfordten sein müsse, daß nur bei sofortigen Rücktritt dieses Ministeriums das
Land von seiner schweren Prüfung sich erholen könne. So sprach Hohenlohe
am 23. August 1866. Von da ab war sein Name derjenige, den unablässig
die gesammte nationale Presse des Landes nannte und forderte als leitendes
Haupt eines neuen Ministeriums, und sicher hätte der jugendliche König als¬
bald dieser Stimme Gehör geschenkt, wenn er nicht gezaudert hätte, einen der
ersten Standesherren Bayerns, dem wenige gleichkamen an Höhe und Sicher¬
heit der socialen Stellung, zum ersten Rathgeber der Krone zu machen. Doch
schwanden bald diese Bedenken vor der Thatsache, daß Hohenlohe der Mehr¬
heit des Landes und dem neuen Bundesgenossen Preußen weitaus der will¬
kommenste Leiter der bayrischen Staatsangelegenheiten sei, daß er den klarsten
Blick und den redlichsten Willen besitze, Bayern im neuen Deutschland deutsch
zu führen. Gegen Ende des Jahres 1866 forderte der junge König Hohen¬
lohe auf, ihm ein Programm derjenigen Grundsätze vorzulegen, die ihm even¬
tuell als bayerischer Minister zur Richtschnur dienen würden. Hohenlohe voll¬
zog den Auftrag zur Zufriedenheit des Königs. Mit dem 1. Januar 1867
trat Hohenlohe an von der Pfordtens Stelle.
Ganz Deutschland hat seitdem die Grundzüge des Hohenloheschen Pro¬
grammes, namentlich in der deutschen Frage, durch seine Thaten erfahren, die
sich am klarsten mit seinen eigenen Worten verfolgen lassen, wenn man die
Rede liest, die er am 9. October 1867 in der Kammer der Abgeordneten hielt,
in jener wichtigen Krisis, da zum letzten Mal die Fortexistenz des deutschen
Zollvereins auf den schwankenden Majoritäten der süddeutschen Kammern
ruhte, ehe für immer das absolute Veto jedes Gliedes des alten Zollvereins,
der parlamentarischen Neugestaltung durch Zollbundesrath und Zollparlament
Platz machen sollte. Damals hat er in wenig kraftvollen Sätzen die goldene
Mittelstraße vorgezeichnet, die ein bayerischer Premier von diesen Tagen an zu ver¬
folgen habe: Volle rückhaltslose Anerkennung der neuen Zustände in Deutsch-
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