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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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dung in ganz französisch Afrika nahezu vernichtet wurde und zwar, da es
sich um Handschriften handelt, ohne Aussicht auf Wiederherstellung.*) Das
nennen die Franzosen: mai-ekel' In, Ms as ig. eivilisxttionl

Europa betrachtete das Unternehmen gegen Algier vorzugsweise wie eine
Kriegsschule der französischen Armee, und das ist es ja auch in der That ge¬
wesen. Ob aber eine gute Schule, das dürfte mehr als zweifelhaft sein.
Allerdings haben ja die Generale, welche in der nächsten Zeit bedeutendere
politische Rollen spielen sollten, wie Bugeaud, Cavaignac. Changarnier,
Lamorieiere, Bedeau u. A., sich in Algier einen Namen gemacht und durch
Soldatengunst Gewicht bekommen; denn es war von jeher Bedürfniß der
französischen Parteien, die Männer des Krieges übertrieben zu verherrlichen,
um sie demnächst im Frieden oder im Bürgerkriege zu benutzen; aber für den
großen Krieg lernten weder die Generale noch die Armee viel bei solchen
Postengefechten und wilden Razzien, von der sittlichen Seite dieser Kriegfüh¬
rung ganz zu geschweige". Nicht einmal der Sicherheitsdienst, der in der
französischen Armee ja sprichwörtlich schlecht war, hob sich bei jenen Kämpfen;
um ihn zu fördern, hätte -die Disciplin besser sein müssen.

Während so in Afrika ein Theil der Armee eine Schule von zweideuti¬
gem Werth durchmachte, ereignete sich daheim das Abenteuer von Stra߬
burg. Man mag die Unternehmung Louis Bonaparte's noch so läppisch fin¬
den -- der Umstand, daß sich ihm ein ganzes Artillerie-Regiment anschloß,
die Leichtigkeit, mit welcher französische Offiziere sich durch das Wort eines
jungen, nur durch seine Herkunft bekannten Mannes verleiten ließen, ihren
Eid zu brechen, die überall sichtbar werdende Macht der kaiserlichen Er¬
innerungen -- alles das mußte umsomehr ernstes Nachdenken erzeugen,
als sich auch die republikanischen Traditionen wieder so stark in der
Armee zeigten, daß sie fast gleichzeitig zu einer Soldatenmeuterei in Vendome
führten. Dennoch wurden die Faiseurs der Straßburger Affaire: der Oberst
Vaudrey, die Rittmeister Parquin und Brue, die Lieutenants Luity und Que-
relles nicht nur freigesprochen, sondern sie wurden die Helden des Tages, der
Mittelpunkt von Festessen, und reiche Hagestolze setzten sie zu Erben ein/*) Man
sagt, der König habe durch seine milde Behandlung Louis Napoleon's diese
Haltung provozirt. Aber Louis war nicht französischer Soldat. Er brach
seinen Eid nicht. Das aber thaten seine Helfershelfer. Wie muß ein Volk
von seinem Heere denken, das also Recht spricht! Und es handelte nicht etwa




') v. Rochau a. a. O.
") Der Ex-Wachtmeister Flaum, welcher sich selbst zum Monsieur de Persigny nobilitirte,
früher Royalist, dann als Theilnehmer an einer republikanischen Bewegung verabschiedet, jetzt
leidenschaftlicher Bonapartist, hatte sich der Untersuchung durch Flucht entzogen. Der Ex-
Lieutenant Laity, auch einer der unermüdlichsten Apostel Buonapartes war wol nicht zugegen.

dung in ganz französisch Afrika nahezu vernichtet wurde und zwar, da es
sich um Handschriften handelt, ohne Aussicht auf Wiederherstellung.*) Das
nennen die Franzosen: mai-ekel' In, Ms as ig. eivilisxttionl

Europa betrachtete das Unternehmen gegen Algier vorzugsweise wie eine
Kriegsschule der französischen Armee, und das ist es ja auch in der That ge¬
wesen. Ob aber eine gute Schule, das dürfte mehr als zweifelhaft sein.
Allerdings haben ja die Generale, welche in der nächsten Zeit bedeutendere
politische Rollen spielen sollten, wie Bugeaud, Cavaignac. Changarnier,
Lamorieiere, Bedeau u. A., sich in Algier einen Namen gemacht und durch
Soldatengunst Gewicht bekommen; denn es war von jeher Bedürfniß der
französischen Parteien, die Männer des Krieges übertrieben zu verherrlichen,
um sie demnächst im Frieden oder im Bürgerkriege zu benutzen; aber für den
großen Krieg lernten weder die Generale noch die Armee viel bei solchen
Postengefechten und wilden Razzien, von der sittlichen Seite dieser Kriegfüh¬
rung ganz zu geschweige«. Nicht einmal der Sicherheitsdienst, der in der
französischen Armee ja sprichwörtlich schlecht war, hob sich bei jenen Kämpfen;
um ihn zu fördern, hätte -die Disciplin besser sein müssen.

Während so in Afrika ein Theil der Armee eine Schule von zweideuti¬
gem Werth durchmachte, ereignete sich daheim das Abenteuer von Stra߬
burg. Man mag die Unternehmung Louis Bonaparte's noch so läppisch fin¬
den — der Umstand, daß sich ihm ein ganzes Artillerie-Regiment anschloß,
die Leichtigkeit, mit welcher französische Offiziere sich durch das Wort eines
jungen, nur durch seine Herkunft bekannten Mannes verleiten ließen, ihren
Eid zu brechen, die überall sichtbar werdende Macht der kaiserlichen Er¬
innerungen — alles das mußte umsomehr ernstes Nachdenken erzeugen,
als sich auch die republikanischen Traditionen wieder so stark in der
Armee zeigten, daß sie fast gleichzeitig zu einer Soldatenmeuterei in Vendome
führten. Dennoch wurden die Faiseurs der Straßburger Affaire: der Oberst
Vaudrey, die Rittmeister Parquin und Brue, die Lieutenants Luity und Que-
relles nicht nur freigesprochen, sondern sie wurden die Helden des Tages, der
Mittelpunkt von Festessen, und reiche Hagestolze setzten sie zu Erben ein/*) Man
sagt, der König habe durch seine milde Behandlung Louis Napoleon's diese
Haltung provozirt. Aber Louis war nicht französischer Soldat. Er brach
seinen Eid nicht. Das aber thaten seine Helfershelfer. Wie muß ein Volk
von seinem Heere denken, das also Recht spricht! Und es handelte nicht etwa




') v. Rochau a. a. O.
") Der Ex-Wachtmeister Flaum, welcher sich selbst zum Monsieur de Persigny nobilitirte,
früher Royalist, dann als Theilnehmer an einer republikanischen Bewegung verabschiedet, jetzt
leidenschaftlicher Bonapartist, hatte sich der Untersuchung durch Flucht entzogen. Der Ex-
Lieutenant Laity, auch einer der unermüdlichsten Apostel Buonapartes war wol nicht zugegen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/503>, abgerufen am 22.12.2024.