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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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sie bleibt in der chronischen Anarchie auch unter Sebastian Lerdo de Tejada.
Sie kann sich nicht behaupten, die Uankees werden kommen und das Land
muß -- später oder früher -- unsere Beute werden, ist'lium von as,tur.


".


pariser Ariefe.
Das Studium der Geographie in Frankreich.

Schon Goethe hat zu Napoleon I. in Weimar gesagt: "Was die Franzosen
am meisten characterisirt, ist ihre Ignoranz in der Geographie." Und wie
sollte es anders sein, da Goethe selbst vom Kaiser der Franzosen Monsieur
Goethe genannt wurde. Rußland ist sechs Mal so groß wie Europa, und
dennoch können die Franzosen keinen russischen Namen aussprechen, sogar aus
Ural setzen sie einen falschen Accent. Ein gefangener französischer Officier in
Deutschland versicherte, daß die französische Flotte nach Berlin kommen werde,
da er eben so lebhaft überzeugt war, daß Berlin an der See liege, als seine
übrigen Landsleute in dem Glauben standen, daß Hamburg deswegen nicht
angegriffen werden könne, weil es an der Ostsee liege, die im Winter gefro¬
ren sei. -- Haben Sie eine gute Karte Deutschlands? frug man einen fran¬
zösischen General, der in den letzten Krieg zog und er antwortete stolz: mein
Degen ist Mine Karte. Sogar die Umgegend von Paris war den französi¬
schen Stabsofficieren unbekannt, die Paris zu vertheidigen hatten, und bei
Sedan sagte Graf Moltke zu Wimpfen- Sie haben den Krieg begonnen, ohne
Karten von Deutschland zu haben.

Haben doch die Franzosen einen Maltebrun und einen Balbi gehabt,
einen Lapeyrouse und andere Entdecker gezählt. Geht ihnen das Talent für
Geographie, das Ortsgedächtniß ab? Kaum. Sie waren nur bis jetzt über¬
zeugt, daß sie in anderen Ländern nichts zu lernen hätten, da alle Fremden
nach Paris kamen. Nun soll es anders werden. Aber wie? Die Mädchen¬
schulen (Laerv Lozur oder wie sie heißen mögen) werden noch lange unter der
Leitung der Priester bleiben und in den Lyceen wird Geographie nur ein
Mal die Woche gelehrt, was offenbar nicht hinreichend ist.

Jules Simon hat damit begonnen, daß er eine Commission zur Beför¬
derung der geographischen Studien zusammengerufen hat. Darunter waren



Wir entnehmen die meisten dieser Angaben dem Buche "Frankreichs Verfall",
welches so eben in Leipzig bei P. Frohverg erschienen ist.

sie bleibt in der chronischen Anarchie auch unter Sebastian Lerdo de Tejada.
Sie kann sich nicht behaupten, die Uankees werden kommen und das Land
muß — später oder früher — unsere Beute werden, ist'lium von as,tur.


«.


pariser Ariefe.
Das Studium der Geographie in Frankreich.

Schon Goethe hat zu Napoleon I. in Weimar gesagt: „Was die Franzosen
am meisten characterisirt, ist ihre Ignoranz in der Geographie." Und wie
sollte es anders sein, da Goethe selbst vom Kaiser der Franzosen Monsieur
Goethe genannt wurde. Rußland ist sechs Mal so groß wie Europa, und
dennoch können die Franzosen keinen russischen Namen aussprechen, sogar aus
Ural setzen sie einen falschen Accent. Ein gefangener französischer Officier in
Deutschland versicherte, daß die französische Flotte nach Berlin kommen werde,
da er eben so lebhaft überzeugt war, daß Berlin an der See liege, als seine
übrigen Landsleute in dem Glauben standen, daß Hamburg deswegen nicht
angegriffen werden könne, weil es an der Ostsee liege, die im Winter gefro¬
ren sei. — Haben Sie eine gute Karte Deutschlands? frug man einen fran¬
zösischen General, der in den letzten Krieg zog und er antwortete stolz: mein
Degen ist Mine Karte. Sogar die Umgegend von Paris war den französi¬
schen Stabsofficieren unbekannt, die Paris zu vertheidigen hatten, und bei
Sedan sagte Graf Moltke zu Wimpfen- Sie haben den Krieg begonnen, ohne
Karten von Deutschland zu haben.

Haben doch die Franzosen einen Maltebrun und einen Balbi gehabt,
einen Lapeyrouse und andere Entdecker gezählt. Geht ihnen das Talent für
Geographie, das Ortsgedächtniß ab? Kaum. Sie waren nur bis jetzt über¬
zeugt, daß sie in anderen Ländern nichts zu lernen hätten, da alle Fremden
nach Paris kamen. Nun soll es anders werden. Aber wie? Die Mädchen¬
schulen (Laerv Lozur oder wie sie heißen mögen) werden noch lange unter der
Leitung der Priester bleiben und in den Lyceen wird Geographie nur ein
Mal die Woche gelehrt, was offenbar nicht hinreichend ist.

Jules Simon hat damit begonnen, daß er eine Commission zur Beför¬
derung der geographischen Studien zusammengerufen hat. Darunter waren



Wir entnehmen die meisten dieser Angaben dem Buche „Frankreichs Verfall",
welches so eben in Leipzig bei P. Frohverg erschienen ist.
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[0464] sie bleibt in der chronischen Anarchie auch unter Sebastian Lerdo de Tejada. Sie kann sich nicht behaupten, die Uankees werden kommen und das Land muß — später oder früher — unsere Beute werden, ist'lium von as,tur. «. pariser Ariefe. Das Studium der Geographie in Frankreich. Schon Goethe hat zu Napoleon I. in Weimar gesagt: „Was die Franzosen am meisten characterisirt, ist ihre Ignoranz in der Geographie." Und wie sollte es anders sein, da Goethe selbst vom Kaiser der Franzosen Monsieur Goethe genannt wurde. Rußland ist sechs Mal so groß wie Europa, und dennoch können die Franzosen keinen russischen Namen aussprechen, sogar aus Ural setzen sie einen falschen Accent. Ein gefangener französischer Officier in Deutschland versicherte, daß die französische Flotte nach Berlin kommen werde, da er eben so lebhaft überzeugt war, daß Berlin an der See liege, als seine übrigen Landsleute in dem Glauben standen, daß Hamburg deswegen nicht angegriffen werden könne, weil es an der Ostsee liege, die im Winter gefro¬ ren sei. — Haben Sie eine gute Karte Deutschlands? frug man einen fran¬ zösischen General, der in den letzten Krieg zog und er antwortete stolz: mein Degen ist Mine Karte. Sogar die Umgegend von Paris war den französi¬ schen Stabsofficieren unbekannt, die Paris zu vertheidigen hatten, und bei Sedan sagte Graf Moltke zu Wimpfen- Sie haben den Krieg begonnen, ohne Karten von Deutschland zu haben. Haben doch die Franzosen einen Maltebrun und einen Balbi gehabt, einen Lapeyrouse und andere Entdecker gezählt. Geht ihnen das Talent für Geographie, das Ortsgedächtniß ab? Kaum. Sie waren nur bis jetzt über¬ zeugt, daß sie in anderen Ländern nichts zu lernen hätten, da alle Fremden nach Paris kamen. Nun soll es anders werden. Aber wie? Die Mädchen¬ schulen (Laerv Lozur oder wie sie heißen mögen) werden noch lange unter der Leitung der Priester bleiben und in den Lyceen wird Geographie nur ein Mal die Woche gelehrt, was offenbar nicht hinreichend ist. Jules Simon hat damit begonnen, daß er eine Commission zur Beför¬ derung der geographischen Studien zusammengerufen hat. Darunter waren Wir entnehmen die meisten dieser Angaben dem Buche „Frankreichs Verfall", welches so eben in Leipzig bei P. Frohverg erschienen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/464>, abgerufen am 01.07.2024.