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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Plänen des Hauses Anhalt. Otto IV. ließ sich es so viel Mühe kosten. Prinzen
seines Hauses auf die Bischofsstühle des Landes zu bringen, weil er die
Sonderstellung der geistlichen Territorien innerhalb feiner Lande aufheben
wollte. Beide Bischöfe starben zu früh für die Ausführung dieser Pläne.

Eine Eigenthümlichkeit, welche sich die Havelberger Kathedrale aus alter
Zeit bewahrt hat, sind ihre vielen Seitenaltäre, die zum Theil noch eine
Heiligenfigur oder eine Darstellung aus der biblischen Geschichte tragen.
Höheres Interesse bietet der Kreuzgang der Domkirche. Er umschließt den
mit hohem Gras bewachsenen Kirchhof, Moose und Flechten aber haben auf
seinen Leichensteinen längst jede Spur der Inschriften verwischt. Eine dunkle
Tanne, der einzige Baum auf ihm, ragt aus der leichengedüngten Erde hoch
bis zum Dach der Kirche empor. In langen Reihen stehen unter den ge¬
drungenen Gewölben des Kreuzganges die Denksteine der Prioren und Dom¬
herren, zwischen ihnen geharnischte Edelleute, tiefverhüllte Frauen und blumen¬
bekränzte Kinder.

Zwei der Steine gehören einem der bedeutendsten Vasallengeschlechter der
Ballenstädter an, den Buch's. Als Berather ihrer Fürsten und als Kriegs¬
männer haben dessen Glieder sich gleichen Ruhm erworben, stets wehte dem
markgräflichen Panier zur Seite die Fahne der Buch's mit dem rothen Quer¬
balken. Der hochverdiente Glossator des Sachsenspiegels, ferner der von der
Sage zum Retter Markgraf Otto's IV. gestempelte Johann von Buch, end¬
lich der treulose Freund Woldemar's, Nikolaus von Buch, dessen Verrath 1308
dem Hause Anhalt die Kaiserkrone kostete und der dafür mit dem Hungertode
büßte, gehören diesem Geschlechte an.

Ein anderer Stein, eine fast verlöschte weibliche Figur von großer Zier¬
lichkeit zeigend, nennt uns in der Legende eine "eääele to xotlist", ein ande¬
rer neben ihm trägt die Inschrift: "Uf. el-isti bora N° MOO" I,XV" la,re
am ersten mkwäg,Fne in "Zei- vasten LtarK aer vsvlg'lie-boren glig-us Iiere to
xotlist, ach sels ron^ve in äem treäe Mach. ^wen. Ein Ritter in der
knappen Waffentracht des 13. Jahrhunderts, mit Sturmhaube und Stechhelm,
Tartsche und Brustplattenharnisch, steht vor uns, -- es ist Caspar Gans,
der Landeshauptmann der Priegnitz und der Altmark, der tüchtigste und ehren¬
hafteste Widersacher Friedrich's I. von Hohenzollern. Der Lauf der Ge¬
schichte ging über den hochstrebenden Ritter hinweg, im Burgverließ zu
Ziesar, gefangen von dem brandenburgischen Stiftshauptmann von Redern,
mußte er unthätig zuschauen, wie die Burgen des märkischen Adels sanken.
Aber er fand sich in die neue Ordnung und wurde ein treuer Diener seines
Fürsten, -- die Größe seines Hauses lernte er verschmerzen.

Den kühlen Kreuzgang verlassend, wenden wir uns wieder dem Rande '
des Domberges zu. In freundliche Säle verwandelt, liegt dort das alte Re-


Plänen des Hauses Anhalt. Otto IV. ließ sich es so viel Mühe kosten. Prinzen
seines Hauses auf die Bischofsstühle des Landes zu bringen, weil er die
Sonderstellung der geistlichen Territorien innerhalb feiner Lande aufheben
wollte. Beide Bischöfe starben zu früh für die Ausführung dieser Pläne.

Eine Eigenthümlichkeit, welche sich die Havelberger Kathedrale aus alter
Zeit bewahrt hat, sind ihre vielen Seitenaltäre, die zum Theil noch eine
Heiligenfigur oder eine Darstellung aus der biblischen Geschichte tragen.
Höheres Interesse bietet der Kreuzgang der Domkirche. Er umschließt den
mit hohem Gras bewachsenen Kirchhof, Moose und Flechten aber haben auf
seinen Leichensteinen längst jede Spur der Inschriften verwischt. Eine dunkle
Tanne, der einzige Baum auf ihm, ragt aus der leichengedüngten Erde hoch
bis zum Dach der Kirche empor. In langen Reihen stehen unter den ge¬
drungenen Gewölben des Kreuzganges die Denksteine der Prioren und Dom¬
herren, zwischen ihnen geharnischte Edelleute, tiefverhüllte Frauen und blumen¬
bekränzte Kinder.

Zwei der Steine gehören einem der bedeutendsten Vasallengeschlechter der
Ballenstädter an, den Buch's. Als Berather ihrer Fürsten und als Kriegs¬
männer haben dessen Glieder sich gleichen Ruhm erworben, stets wehte dem
markgräflichen Panier zur Seite die Fahne der Buch's mit dem rothen Quer¬
balken. Der hochverdiente Glossator des Sachsenspiegels, ferner der von der
Sage zum Retter Markgraf Otto's IV. gestempelte Johann von Buch, end¬
lich der treulose Freund Woldemar's, Nikolaus von Buch, dessen Verrath 1308
dem Hause Anhalt die Kaiserkrone kostete und der dafür mit dem Hungertode
büßte, gehören diesem Geschlechte an.

Ein anderer Stein, eine fast verlöschte weibliche Figur von großer Zier¬
lichkeit zeigend, nennt uns in der Legende eine „eääele to xotlist", ein ande¬
rer neben ihm trägt die Inschrift: „Uf. el-isti bora N° MOO" I,XV" la,re
am ersten mkwäg,Fne in «Zei- vasten LtarK aer vsvlg'lie-boren glig-us Iiere to
xotlist, ach sels ron^ve in äem treäe Mach. ^wen. Ein Ritter in der
knappen Waffentracht des 13. Jahrhunderts, mit Sturmhaube und Stechhelm,
Tartsche und Brustplattenharnisch, steht vor uns, — es ist Caspar Gans,
der Landeshauptmann der Priegnitz und der Altmark, der tüchtigste und ehren¬
hafteste Widersacher Friedrich's I. von Hohenzollern. Der Lauf der Ge¬
schichte ging über den hochstrebenden Ritter hinweg, im Burgverließ zu
Ziesar, gefangen von dem brandenburgischen Stiftshauptmann von Redern,
mußte er unthätig zuschauen, wie die Burgen des märkischen Adels sanken.
Aber er fand sich in die neue Ordnung und wurde ein treuer Diener seines
Fürsten, — die Größe seines Hauses lernte er verschmerzen.

Den kühlen Kreuzgang verlassend, wenden wir uns wieder dem Rande '
des Domberges zu. In freundliche Säle verwandelt, liegt dort das alte Re-


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[0421] Plänen des Hauses Anhalt. Otto IV. ließ sich es so viel Mühe kosten. Prinzen seines Hauses auf die Bischofsstühle des Landes zu bringen, weil er die Sonderstellung der geistlichen Territorien innerhalb feiner Lande aufheben wollte. Beide Bischöfe starben zu früh für die Ausführung dieser Pläne. Eine Eigenthümlichkeit, welche sich die Havelberger Kathedrale aus alter Zeit bewahrt hat, sind ihre vielen Seitenaltäre, die zum Theil noch eine Heiligenfigur oder eine Darstellung aus der biblischen Geschichte tragen. Höheres Interesse bietet der Kreuzgang der Domkirche. Er umschließt den mit hohem Gras bewachsenen Kirchhof, Moose und Flechten aber haben auf seinen Leichensteinen längst jede Spur der Inschriften verwischt. Eine dunkle Tanne, der einzige Baum auf ihm, ragt aus der leichengedüngten Erde hoch bis zum Dach der Kirche empor. In langen Reihen stehen unter den ge¬ drungenen Gewölben des Kreuzganges die Denksteine der Prioren und Dom¬ herren, zwischen ihnen geharnischte Edelleute, tiefverhüllte Frauen und blumen¬ bekränzte Kinder. Zwei der Steine gehören einem der bedeutendsten Vasallengeschlechter der Ballenstädter an, den Buch's. Als Berather ihrer Fürsten und als Kriegs¬ männer haben dessen Glieder sich gleichen Ruhm erworben, stets wehte dem markgräflichen Panier zur Seite die Fahne der Buch's mit dem rothen Quer¬ balken. Der hochverdiente Glossator des Sachsenspiegels, ferner der von der Sage zum Retter Markgraf Otto's IV. gestempelte Johann von Buch, end¬ lich der treulose Freund Woldemar's, Nikolaus von Buch, dessen Verrath 1308 dem Hause Anhalt die Kaiserkrone kostete und der dafür mit dem Hungertode büßte, gehören diesem Geschlechte an. Ein anderer Stein, eine fast verlöschte weibliche Figur von großer Zier¬ lichkeit zeigend, nennt uns in der Legende eine „eääele to xotlist", ein ande¬ rer neben ihm trägt die Inschrift: „Uf. el-isti bora N° MOO" I,XV" la,re am ersten mkwäg,Fne in «Zei- vasten LtarK aer vsvlg'lie-boren glig-us Iiere to xotlist, ach sels ron^ve in äem treäe Mach. ^wen. Ein Ritter in der knappen Waffentracht des 13. Jahrhunderts, mit Sturmhaube und Stechhelm, Tartsche und Brustplattenharnisch, steht vor uns, — es ist Caspar Gans, der Landeshauptmann der Priegnitz und der Altmark, der tüchtigste und ehren¬ hafteste Widersacher Friedrich's I. von Hohenzollern. Der Lauf der Ge¬ schichte ging über den hochstrebenden Ritter hinweg, im Burgverließ zu Ziesar, gefangen von dem brandenburgischen Stiftshauptmann von Redern, mußte er unthätig zuschauen, wie die Burgen des märkischen Adels sanken. Aber er fand sich in die neue Ordnung und wurde ein treuer Diener seines Fürsten, — die Größe seines Hauses lernte er verschmerzen. Den kühlen Kreuzgang verlassend, wenden wir uns wieder dem Rande ' des Domberges zu. In freundliche Säle verwandelt, liegt dort das alte Re-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/421>, abgerufen am 22.12.2024.