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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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patent, deren auch wirklich so viele ausgegeben wurden, daß Frankreich bei
einem Heerbestande von 200,000 Mann bald mehr Generale zählte, als erfor¬
derlich gewesen wären, um eine Million Soldaten zu befehligen*). -- So
schnell kehrte man zu den Mißbräuchen der vorrevolutionären Zeit zurück.
Das auf die Bourbonen gerichtete Wort: "Sie haben nichts gelernt und nichts
vergessen!" trifft in militärischer Beziehung unläugbar zu. Selbst die billigste
Art der Abspeisung royalistischer Ansprüche: die Aufnahmein die Ehrenlegion
mußte das Heer beleidigen. Man berechnete, daß Louis XVIII. binnen we¬
niger Monate eine größere Zahl von Rittern, Officieren und Grvßkreuzen er¬
nannt habe, als Napoleon während seiner ganzen Regierung, und erinnerte
sich dieser maßlosen Verschwendung gegenüber manches ergreifenden Zuges,
wie kaiserliche Krieger das ihnen verliehene Kreuz abgelehnt hätten, weil sie
selbst sich dessen noch nicht werth gehalten.

Dies war die Nahrung der Unzufriedenheit in der Armee und im Lande.
Schon in den ersten Monaten des Jahres 181S bildeten sich Verschwörungen
mit Generalen und Staatsmännern an der Spitze, die auf den Sturz der
Bourbonen hinarbeiteten. Einige dachten damals bereits, sie durch Orleans ^)
zu ersetzen, die meisten Verschwörer aber waren Buonapartisten. Zu Elba
fand beständiger Verkehr entlassener kaiserlicher Officiere statt und gern ließ sich
Napoleon von ihnen berichten, wie die französischen Soldaten mehr als je an
ihm hingen, wie sie den Sold der Bourbonen auf seine Gesundheit vertrauten
und dem abgenöthigten: "Vivs 1e Hol!" leise ein "as Roms" hinzuzufügen
pflegten. -- Mürrisch lagen die Corps in ihren Garnisonen; auch jetzt war
die Alte Garde das musterhafteste; keine einzige Strafe war in ihren Reihen
seit dem Abschied von Fontainebleau ertheilt worden. Aber auch sie wurde,
wie die übrigen Corps mit ungewohnten Uebungen und Musterungen geplagt,
von denen man zu wissen glaubte, daß es die Lehrstunden ihrer Neulinge von
Befehlshabern seien. Verhaßt war den Truppen die weiße Kokarde, unmöglich
schien es ihnen, dem Könige die Abtretung Belgiens zu vergeben. Bald führte der
Bürger in den Umgebungen der Soldaten dieselbe Sprache. Seit die Angst
vor der Conscription verschwunden war, strahlte das Bild des Kaisers, der
die Franzosen zur "Zranäe Nation" gemacht, in märchenhaften Glänze; ja
wie das Urtheil der gebauten- und ideallosen Masse sich stets in Extremen be¬
wegt, so fing man plötzlich an zu überlegen, daß die beiden verhaßtesten Ein-




") v, Rochau: Geschichte Frankreichs vom Sturze Napoleon's bis zur Wiederherstellung
des Kaiserthums. (1814--1852.) Leipzig, 1858.
") In der Armee hatte der Herzog noch von seinen Feldzügen her einige Verbindungen;
kräftiger aber war die Unterstützung, welche sein Name von der alten republikanischen Partei
Moreau's empfing, die um keinen Preis des Kaisers Rückkehr wollte. -- Eine kleine Partei
nannte auch Eugen Beauharnais als Throncandidaten-

patent, deren auch wirklich so viele ausgegeben wurden, daß Frankreich bei
einem Heerbestande von 200,000 Mann bald mehr Generale zählte, als erfor¬
derlich gewesen wären, um eine Million Soldaten zu befehligen*). — So
schnell kehrte man zu den Mißbräuchen der vorrevolutionären Zeit zurück.
Das auf die Bourbonen gerichtete Wort: „Sie haben nichts gelernt und nichts
vergessen!" trifft in militärischer Beziehung unläugbar zu. Selbst die billigste
Art der Abspeisung royalistischer Ansprüche: die Aufnahmein die Ehrenlegion
mußte das Heer beleidigen. Man berechnete, daß Louis XVIII. binnen we¬
niger Monate eine größere Zahl von Rittern, Officieren und Grvßkreuzen er¬
nannt habe, als Napoleon während seiner ganzen Regierung, und erinnerte
sich dieser maßlosen Verschwendung gegenüber manches ergreifenden Zuges,
wie kaiserliche Krieger das ihnen verliehene Kreuz abgelehnt hätten, weil sie
selbst sich dessen noch nicht werth gehalten.

Dies war die Nahrung der Unzufriedenheit in der Armee und im Lande.
Schon in den ersten Monaten des Jahres 181S bildeten sich Verschwörungen
mit Generalen und Staatsmännern an der Spitze, die auf den Sturz der
Bourbonen hinarbeiteten. Einige dachten damals bereits, sie durch Orleans ^)
zu ersetzen, die meisten Verschwörer aber waren Buonapartisten. Zu Elba
fand beständiger Verkehr entlassener kaiserlicher Officiere statt und gern ließ sich
Napoleon von ihnen berichten, wie die französischen Soldaten mehr als je an
ihm hingen, wie sie den Sold der Bourbonen auf seine Gesundheit vertrauten
und dem abgenöthigten: „Vivs 1e Hol!" leise ein „as Roms" hinzuzufügen
pflegten. — Mürrisch lagen die Corps in ihren Garnisonen; auch jetzt war
die Alte Garde das musterhafteste; keine einzige Strafe war in ihren Reihen
seit dem Abschied von Fontainebleau ertheilt worden. Aber auch sie wurde,
wie die übrigen Corps mit ungewohnten Uebungen und Musterungen geplagt,
von denen man zu wissen glaubte, daß es die Lehrstunden ihrer Neulinge von
Befehlshabern seien. Verhaßt war den Truppen die weiße Kokarde, unmöglich
schien es ihnen, dem Könige die Abtretung Belgiens zu vergeben. Bald führte der
Bürger in den Umgebungen der Soldaten dieselbe Sprache. Seit die Angst
vor der Conscription verschwunden war, strahlte das Bild des Kaisers, der
die Franzosen zur „Zranäe Nation" gemacht, in märchenhaften Glänze; ja
wie das Urtheil der gebauten- und ideallosen Masse sich stets in Extremen be¬
wegt, so fing man plötzlich an zu überlegen, daß die beiden verhaßtesten Ein-




") v, Rochau: Geschichte Frankreichs vom Sturze Napoleon's bis zur Wiederherstellung
des Kaiserthums. (1814—1852.) Leipzig, 1858.
") In der Armee hatte der Herzog noch von seinen Feldzügen her einige Verbindungen;
kräftiger aber war die Unterstützung, welche sein Name von der alten republikanischen Partei
Moreau's empfing, die um keinen Preis des Kaisers Rückkehr wollte. — Eine kleine Partei
nannte auch Eugen Beauharnais als Throncandidaten-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/404>, abgerufen am 22.12.2024.