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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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der Garde. Zwar behielt man die Alte Garde bei; zwei Compagnien der¬
selben hatten sogar Louis XVIII. bei seinem Einzuge in Paris das Ehren¬
geleit gegeben, und seitdem waren aus den Trümmern der Garde zwei In¬
fanterie- und vier Cavallerie-Regimenter unter dem Ehrennamen: "Oorxs roz^ux
Z<z Kranes" errichtet; aber man hatte diese Garde Napoleon's wie alle andern
Truppen in verschiedene Garnisonen vertheilt, und an ihrer Statt war für
den Dienst am Hofe die alte Maison du Roi hergestellt worden. Zu den
Gardes du Corps und Chevauxlegers, die schon Napoleon wieder erweckt, ge¬
sellten sich nun die längst vergessenen grauen, rothen und schwarzen Musque-
taires, die Hundertschweizer, die Hellebardierer, welche, sammt dem entsprechen¬
den (Zeremoniell aus der historischen Rumpelkammer hervorgeholt, binnen we¬
nigen Tagen vollzählig waren, da sich schon seit dem 1. April Tausende von
Adeligen in die königliche Garde hatten einschreiben lassen. Den alten Edel¬
leuten, die schon vor der Revolution darin gedient, wurde diejenige Zeit, die
sie seither im Auslande zugebracht, als Dienstjahre angerechnet; neben ihnen
wurden lauter junge Herrn aufgenommen, von denen jeder das Recht hatte,
mit Officiersrang in die Linie überzutreten, so daß den Officieren der letzteren
auch hiedurch die Beförderung in der empfindlichsten Weise verkümmert wurde.
Diese grobe Stilwidrigkeit im Neubau der Armee hat außerordentlichen Scha¬
den gethan. Die Bevorzugung jener neuerrichteten Corps, in deren prahleri¬
scher Uniform bartlose Knaben, welche nie ein Gewehr abgefeuert, hochmüthig
auf die Veteranen der Republik und des Kaiserreichs herabsahen, die Regun¬
gen des Neides, welche der Lieutenantsrang und Lieutenantssold der gemeinen
Musketiere, Hellebardiere u. s. w. in den unteren Reihen des Heeres hervor¬
rufen mußten, erzeugten täglich eine Menge von Reibereien und ein immer
tiefer fressendes Mißvergnügen. Bedenklicher aber war es noch, daß die vielen
Tausende der entlassenen Officiere. zum großen Theil Männer, die von der
Pike auf gedient hatten und dem Bauer und Kleinbürger durch ihren Ursprung
nahe verwandt waren, bei der Rückkehr in die Heimath ihren Mißmuth, ihren
gekränkten Ehrgeiz, ihren Haß in alle Provinzen trugen und jedem Landstädt¬
chen, ja fast jedem Dorfe einen von persönlicher Leidenschaft getriebenen Ver¬
treter des Geistes politischer Unzufriedenheit lieferten. Und wenn so die Re¬
gierung eine Fülle berechtigten Stolzes kränkte und vergiftete, so that sie auf
der andern Seite den Royalisten noch lange nicht genug. Der Zudrang derer,
welche von dem ehemaligen Befehlshaber der bewaffneten Emigration Dienst¬
zeugnisse verlangten, war so groß, daß der Prinz von Conde' sagte: "Ich
glaubte, nur einige Regimenter gehabt zu haben; jetzt aber finde ich, daß es
eine ganze Armee war." Dieser Spott verhinderte den Prinzen indessen nicht,
jedes gewünschte Zeugniß auszufertigen; ein Cord6'sches Dienstattest aber be¬
gründete in den Augen des Inhabers vollgültiges Anrecht auf ein Officiers-


der Garde. Zwar behielt man die Alte Garde bei; zwei Compagnien der¬
selben hatten sogar Louis XVIII. bei seinem Einzuge in Paris das Ehren¬
geleit gegeben, und seitdem waren aus den Trümmern der Garde zwei In¬
fanterie- und vier Cavallerie-Regimenter unter dem Ehrennamen: „Oorxs roz^ux
Z<z Kranes" errichtet; aber man hatte diese Garde Napoleon's wie alle andern
Truppen in verschiedene Garnisonen vertheilt, und an ihrer Statt war für
den Dienst am Hofe die alte Maison du Roi hergestellt worden. Zu den
Gardes du Corps und Chevauxlegers, die schon Napoleon wieder erweckt, ge¬
sellten sich nun die längst vergessenen grauen, rothen und schwarzen Musque-
taires, die Hundertschweizer, die Hellebardierer, welche, sammt dem entsprechen¬
den (Zeremoniell aus der historischen Rumpelkammer hervorgeholt, binnen we¬
nigen Tagen vollzählig waren, da sich schon seit dem 1. April Tausende von
Adeligen in die königliche Garde hatten einschreiben lassen. Den alten Edel¬
leuten, die schon vor der Revolution darin gedient, wurde diejenige Zeit, die
sie seither im Auslande zugebracht, als Dienstjahre angerechnet; neben ihnen
wurden lauter junge Herrn aufgenommen, von denen jeder das Recht hatte,
mit Officiersrang in die Linie überzutreten, so daß den Officieren der letzteren
auch hiedurch die Beförderung in der empfindlichsten Weise verkümmert wurde.
Diese grobe Stilwidrigkeit im Neubau der Armee hat außerordentlichen Scha¬
den gethan. Die Bevorzugung jener neuerrichteten Corps, in deren prahleri¬
scher Uniform bartlose Knaben, welche nie ein Gewehr abgefeuert, hochmüthig
auf die Veteranen der Republik und des Kaiserreichs herabsahen, die Regun¬
gen des Neides, welche der Lieutenantsrang und Lieutenantssold der gemeinen
Musketiere, Hellebardiere u. s. w. in den unteren Reihen des Heeres hervor¬
rufen mußten, erzeugten täglich eine Menge von Reibereien und ein immer
tiefer fressendes Mißvergnügen. Bedenklicher aber war es noch, daß die vielen
Tausende der entlassenen Officiere. zum großen Theil Männer, die von der
Pike auf gedient hatten und dem Bauer und Kleinbürger durch ihren Ursprung
nahe verwandt waren, bei der Rückkehr in die Heimath ihren Mißmuth, ihren
gekränkten Ehrgeiz, ihren Haß in alle Provinzen trugen und jedem Landstädt¬
chen, ja fast jedem Dorfe einen von persönlicher Leidenschaft getriebenen Ver¬
treter des Geistes politischer Unzufriedenheit lieferten. Und wenn so die Re¬
gierung eine Fülle berechtigten Stolzes kränkte und vergiftete, so that sie auf
der andern Seite den Royalisten noch lange nicht genug. Der Zudrang derer,
welche von dem ehemaligen Befehlshaber der bewaffneten Emigration Dienst¬
zeugnisse verlangten, war so groß, daß der Prinz von Conde' sagte: „Ich
glaubte, nur einige Regimenter gehabt zu haben; jetzt aber finde ich, daß es
eine ganze Armee war." Dieser Spott verhinderte den Prinzen indessen nicht,
jedes gewünschte Zeugniß auszufertigen; ein Cord6'sches Dienstattest aber be¬
gründete in den Augen des Inhabers vollgültiges Anrecht auf ein Officiers-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/403>, abgerufen am 22.12.2024.