Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬
ran so ein Trappistengelage!

Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben
Dimensionen, ist aber durchaus kein angenehmer Ort. Die Schlafstellen sind
schmal wie Pferdestände und mit Vorhängen den Blicken entzogen, und die
beiden Reihen derselben, die auf jeder Wandseite von der einen schmalen Seite
bis zur andern laufen, füllen das Gemach so sehr, daß der Mittelgang zwi¬
schen ihnen sehr eng ist.

"Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬
nem Führer.

"Vielleicht ist's so", erwiederte er. "Aber mag sein; wir haben kaum Zeit,
an die Temperatur zu denken, wenn wir hierher kommen. Dann sind auch
unsere Betten so eingerichtet, daß sie uns kühl halten", setzte er hinzu. "Füh¬
len Sie nur mal eins an -- gleichviel, welches; denn sie sind alle gleich."

Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte -- bald
hätte ich gesagt, das Bett an; aber ich will den Namen des lieben guten
Hausgeräthes lieber nicht entweihen. Der Gegenstand, aus welchem ein Trap¬
pist sein Bischen Schlaf abmacht, mag eine Matratze und von Menschenhand
angefertigt sein, aber er hat nicht viel mehr Weiche und Elasticität, als ob
er aus dem Herzen ewiger Berge gehauen wäre. Und das Kopfkissen war,
glaub' ich, noch schlimmer als die Matratze; denn diese war zwar hart,
aber doch glatt, jenes aber war hart und überdieß voll Buckel und Vertie¬
fungen.

"Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert.

Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die
Gewöhnung daran hätte den Unterschied zwischen diesen und andern Betten
vergessen lassen. Uebrigens möchte ich doch bedenken, daß jemand, wenn er
'Tag für Tag und Jahr auf Jahr von vierundzwanzig Stunden täglich nur
sechs zum Ausschlafen hätte, und wenn er überdieß die übrigbleibenden acht¬
zehn auf anstrengende körperliche Arbeit oder auf geistliche Uebungen verwen¬
den müßte, welche sein leiblich Theil ganz ebenso mitnehmen, sehr wenig an die
Beschaffenheit der Stelle dächte, wo er schliefe. Das Einzige, worauf er sein
Augenmerk richtete, wäre das Signal, welches ihm erlaubte, die Augen zu
schließen. Und mein biederer Begleiter sah sehr traurig, aber auch sehr er¬
geben aus.

Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt
in mehr oder weniger unbeholfener Weise anfing, mich von meiner Zusage,
die Nacht hier zu bleiben, wegschlängeln zu wollen. "Warten Sie einen Au¬
genblick", sagte er mich unterbrechend, "wir sind jetzt im eigentlichen Kloster,


Grenzboten III. 1872.

sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬
ran so ein Trappistengelage!

Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben
Dimensionen, ist aber durchaus kein angenehmer Ort. Die Schlafstellen sind
schmal wie Pferdestände und mit Vorhängen den Blicken entzogen, und die
beiden Reihen derselben, die auf jeder Wandseite von der einen schmalen Seite
bis zur andern laufen, füllen das Gemach so sehr, daß der Mittelgang zwi¬
schen ihnen sehr eng ist.

„Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬
nem Führer.

„Vielleicht ist's so", erwiederte er. „Aber mag sein; wir haben kaum Zeit,
an die Temperatur zu denken, wenn wir hierher kommen. Dann sind auch
unsere Betten so eingerichtet, daß sie uns kühl halten", setzte er hinzu. „Füh¬
len Sie nur mal eins an — gleichviel, welches; denn sie sind alle gleich."

Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte — bald
hätte ich gesagt, das Bett an; aber ich will den Namen des lieben guten
Hausgeräthes lieber nicht entweihen. Der Gegenstand, aus welchem ein Trap¬
pist sein Bischen Schlaf abmacht, mag eine Matratze und von Menschenhand
angefertigt sein, aber er hat nicht viel mehr Weiche und Elasticität, als ob
er aus dem Herzen ewiger Berge gehauen wäre. Und das Kopfkissen war,
glaub' ich, noch schlimmer als die Matratze; denn diese war zwar hart,
aber doch glatt, jenes aber war hart und überdieß voll Buckel und Vertie¬
fungen.

„Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert.

Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die
Gewöhnung daran hätte den Unterschied zwischen diesen und andern Betten
vergessen lassen. Uebrigens möchte ich doch bedenken, daß jemand, wenn er
'Tag für Tag und Jahr auf Jahr von vierundzwanzig Stunden täglich nur
sechs zum Ausschlafen hätte, und wenn er überdieß die übrigbleibenden acht¬
zehn auf anstrengende körperliche Arbeit oder auf geistliche Uebungen verwen¬
den müßte, welche sein leiblich Theil ganz ebenso mitnehmen, sehr wenig an die
Beschaffenheit der Stelle dächte, wo er schliefe. Das Einzige, worauf er sein
Augenmerk richtete, wäre das Signal, welches ihm erlaubte, die Augen zu
schließen. Und mein biederer Begleiter sah sehr traurig, aber auch sehr er¬
geben aus.

Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt
in mehr oder weniger unbeholfener Weise anfing, mich von meiner Zusage,
die Nacht hier zu bleiben, wegschlängeln zu wollen. „Warten Sie einen Au¬
genblick", sagte er mich unterbrechend, „wir sind jetzt im eigentlichen Kloster,


Grenzboten III. 1872.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128321"/>
          <p xml:id="ID_1328" prev="#ID_1327"> sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬<lb/>
ran so ein Trappistengelage!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1329"> Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben<lb/>
Dimensionen, ist aber durchaus kein angenehmer Ort. Die Schlafstellen sind<lb/>
schmal wie Pferdestände und mit Vorhängen den Blicken entzogen, und die<lb/>
beiden Reihen derselben, die auf jeder Wandseite von der einen schmalen Seite<lb/>
bis zur andern laufen, füllen das Gemach so sehr, daß der Mittelgang zwi¬<lb/>
schen ihnen sehr eng ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1330"> &#x201E;Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬<lb/>
nem Führer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1331"> &#x201E;Vielleicht ist's so", erwiederte er. &#x201E;Aber mag sein; wir haben kaum Zeit,<lb/>
an die Temperatur zu denken, wenn wir hierher kommen. Dann sind auch<lb/>
unsere Betten so eingerichtet, daß sie uns kühl halten", setzte er hinzu. &#x201E;Füh¬<lb/>
len Sie nur mal eins an &#x2014; gleichviel, welches; denn sie sind alle gleich."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1332"> Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte &#x2014; bald<lb/>
hätte ich gesagt, das Bett an; aber ich will den Namen des lieben guten<lb/>
Hausgeräthes lieber nicht entweihen. Der Gegenstand, aus welchem ein Trap¬<lb/>
pist sein Bischen Schlaf abmacht, mag eine Matratze und von Menschenhand<lb/>
angefertigt sein, aber er hat nicht viel mehr Weiche und Elasticität, als ob<lb/>
er aus dem Herzen ewiger Berge gehauen wäre. Und das Kopfkissen war,<lb/>
glaub' ich, noch schlimmer als die Matratze; denn diese war zwar hart,<lb/>
aber doch glatt, jenes aber war hart und überdieß voll Buckel und Vertie¬<lb/>
fungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1333"> &#x201E;Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1334"> Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die<lb/>
Gewöhnung daran hätte den Unterschied zwischen diesen und andern Betten<lb/>
vergessen lassen. Uebrigens möchte ich doch bedenken, daß jemand, wenn er<lb/>
'Tag für Tag und Jahr auf Jahr von vierundzwanzig Stunden täglich nur<lb/>
sechs zum Ausschlafen hätte, und wenn er überdieß die übrigbleibenden acht¬<lb/>
zehn auf anstrengende körperliche Arbeit oder auf geistliche Uebungen verwen¬<lb/>
den müßte, welche sein leiblich Theil ganz ebenso mitnehmen, sehr wenig an die<lb/>
Beschaffenheit der Stelle dächte, wo er schliefe. Das Einzige, worauf er sein<lb/>
Augenmerk richtete, wäre das Signal, welches ihm erlaubte, die Augen zu<lb/>
schließen. Und mein biederer Begleiter sah sehr traurig, aber auch sehr er¬<lb/>
geben aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1335" next="#ID_1336"> Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt<lb/>
in mehr oder weniger unbeholfener Weise anfing, mich von meiner Zusage,<lb/>
die Nacht hier zu bleiben, wegschlängeln zu wollen.  &#x201E;Warten Sie einen Au¬<lb/>
genblick", sagte er mich unterbrechend, &#x201E;wir sind jetzt im eigentlichen Kloster,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1872.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0393] sein Leben über ausgezeichnetem Whiskey-Toddy. Nun halte man einmal da¬ ran so ein Trappistengelage! Der Schlafsaal liegt unmittelbar über dem Refectorium und hat dieselben Dimensionen, ist aber durchaus kein angenehmer Ort. Die Schlafstellen sind schmal wie Pferdestände und mit Vorhängen den Blicken entzogen, und die beiden Reihen derselben, die auf jeder Wandseite von der einen schmalen Seite bis zur andern laufen, füllen das Gemach so sehr, daß der Mittelgang zwi¬ schen ihnen sehr eng ist. „Sie müssen's hier im Sommer furchtbar heiß haben", bemerkte ich mei¬ nem Führer. „Vielleicht ist's so", erwiederte er. „Aber mag sein; wir haben kaum Zeit, an die Temperatur zu denken, wenn wir hierher kommen. Dann sind auch unsere Betten so eingerichtet, daß sie uns kühl halten", setzte er hinzu. „Füh¬ len Sie nur mal eins an — gleichviel, welches; denn sie sind alle gleich." Er zog einen der Vorhänge bei Seite, ich trat vor und fühlte — bald hätte ich gesagt, das Bett an; aber ich will den Namen des lieben guten Hausgeräthes lieber nicht entweihen. Der Gegenstand, aus welchem ein Trap¬ pist sein Bischen Schlaf abmacht, mag eine Matratze und von Menschenhand angefertigt sein, aber er hat nicht viel mehr Weiche und Elasticität, als ob er aus dem Herzen ewiger Berge gehauen wäre. Und das Kopfkissen war, glaub' ich, noch schlimmer als die Matratze; denn diese war zwar hart, aber doch glatt, jenes aber war hart und überdieß voll Buckel und Vertie¬ fungen. „Wie können Sie das nur aushalten?" fragte ich verwundert. Er sagte, zuerst wäre es ihm ein wenig seltsam vorgekommen, aber die Gewöhnung daran hätte den Unterschied zwischen diesen und andern Betten vergessen lassen. Uebrigens möchte ich doch bedenken, daß jemand, wenn er 'Tag für Tag und Jahr auf Jahr von vierundzwanzig Stunden täglich nur sechs zum Ausschlafen hätte, und wenn er überdieß die übrigbleibenden acht¬ zehn auf anstrengende körperliche Arbeit oder auf geistliche Uebungen verwen¬ den müßte, welche sein leiblich Theil ganz ebenso mitnehmen, sehr wenig an die Beschaffenheit der Stelle dächte, wo er schliefe. Das Einzige, worauf er sein Augenmerk richtete, wäre das Signal, welches ihm erlaubte, die Augen zu schließen. Und mein biederer Begleiter sah sehr traurig, aber auch sehr er¬ geben aus. Auch bei mir wurde, wie ich glaube, einige Trauer sichtbar, als ich jetzt in mehr oder weniger unbeholfener Weise anfing, mich von meiner Zusage, die Nacht hier zu bleiben, wegschlängeln zu wollen. „Warten Sie einen Au¬ genblick", sagte er mich unterbrechend, „wir sind jetzt im eigentlichen Kloster, Grenzboten III. 1872.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/393
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/393>, abgerufen am 22.07.2024.