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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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wähnte Wartthurm, dessen Erdgeschoß fest wie ein Burgverließ ist, so die
Abtei und einzelne Kapellen, die aber durch ihre Verwendung zu wirthschaft¬
lichen Zwecken fast unkenntlich gemacht worden sind. Nicht geschichtlichen Er¬
eignissen, sondern zumeist öconomischen Rücksichten fielen die Lehniner Kloster¬
gebäude zum Opfer. König Friedrich I. baute sich in Lehnin ein Jagdschloß,
-- da riß man den Klosterthürmen ihre kupfernen Bekleidungen ab, die wie
Gold über den See hinglänzten, da verwandelte man Kreuzgänge und Kapellen
in Ställe und Scheunen. Dann kamen die Bauern aus Radnitz und Dahms-
dorf und benutzten die alten Mauern als Steinbrüche und die Grabsteine der
Fürsten zu Schwellen für Haus und Stall.

Eine glänzende Geschichte wie die berühmten Klöster im Süden Deutsch¬
lands hat Lehnin nicht. Hier hat man nicht wie dort Geschichte geschrieben,
-- man hat Geschichte gemacht, indem man die Marken colonisirte. Nur
ein großer Mann, der Erzbischof Dietrich Kagelwied von Magdeburg, ist aus
dem Kloster hervorgegangen; nur einmal wird das Kloster als politisch thä¬
tig in der Territorialgeschichte erwähnt, als nämlich sein energischer Abt Hein¬
rich von Stich mit gewaffneter Hand die Rechte des Klosters gegen die
Quitzow'schen Brüder vertrat und dem Kurfürsten Friedrich I. die Mauern
von Friesack brechen half. Als die Reformation durchgeführt ward, wurde
aus der berühmten Abtei ein Jagdschloß, im Klostergarten hielten sich der
Sage nach die Kurfürsten Hirsche mit goldenen Halsbändern. Da klang das
Jägerhorn lustig durch die grünen Wälder, der Falke stieg in die Luft, um
auf den Reiher zu stoßen, und wenn die Herren dann heimkehrten, scholl die
Festesfreude durch die ehemaligen Mönchszellen. Dann wurde es auf ein Jahr¬
hundert wieder still in Lehnin, das Kloster war vergessen, die Glocken kamen
fort. Thurm und Dach zerfielen. Im Jahr 1704 begann König Friedrich I.
hier einen Schloßbau. Auch der ist bis auf ein paar zopfige Säulen ver¬
schwunden. Durch das Revolutionsjahr 1848 kam Lehnin wieder aus der
Vergessenheit, man wandte die urkundlich nachweisbar im 17. Jahrhundert
erst entstandene Weissagung des angeblichen Mönchs Hermann zu Lehnin als
ein Zeugniß wider das Haus Hohenzollern an. Gewiß werden niemals mehr
die Schlußworte dieser Dichtung:


"?i'iseg.hus resurgeut I,can ac tectg, Liorini
"Ase xlus MM nobili luxus insiciiatur ovüi."

in Erfüllung gehen, aber unvergänglich sind dennoch die Ehren von Kloster
Lehnin, und gern sieht an dieser Stelle der Blick in die Vergangenheit zurück,
als diese stolzen Giebel noch ungebrochen in die Luft ragten, als die Kloster¬
pforte gastlich sich dem Reisenden erschloß und Hacke und Karst des Cister"
ziensers für die nachfolgenden Geschlechter die Saatfelder erschufen.

Wir haben uns noch nach andern Stätten zu den Gräbern der Ottoni-


wähnte Wartthurm, dessen Erdgeschoß fest wie ein Burgverließ ist, so die
Abtei und einzelne Kapellen, die aber durch ihre Verwendung zu wirthschaft¬
lichen Zwecken fast unkenntlich gemacht worden sind. Nicht geschichtlichen Er¬
eignissen, sondern zumeist öconomischen Rücksichten fielen die Lehniner Kloster¬
gebäude zum Opfer. König Friedrich I. baute sich in Lehnin ein Jagdschloß,
— da riß man den Klosterthürmen ihre kupfernen Bekleidungen ab, die wie
Gold über den See hinglänzten, da verwandelte man Kreuzgänge und Kapellen
in Ställe und Scheunen. Dann kamen die Bauern aus Radnitz und Dahms-
dorf und benutzten die alten Mauern als Steinbrüche und die Grabsteine der
Fürsten zu Schwellen für Haus und Stall.

Eine glänzende Geschichte wie die berühmten Klöster im Süden Deutsch¬
lands hat Lehnin nicht. Hier hat man nicht wie dort Geschichte geschrieben,
— man hat Geschichte gemacht, indem man die Marken colonisirte. Nur
ein großer Mann, der Erzbischof Dietrich Kagelwied von Magdeburg, ist aus
dem Kloster hervorgegangen; nur einmal wird das Kloster als politisch thä¬
tig in der Territorialgeschichte erwähnt, als nämlich sein energischer Abt Hein¬
rich von Stich mit gewaffneter Hand die Rechte des Klosters gegen die
Quitzow'schen Brüder vertrat und dem Kurfürsten Friedrich I. die Mauern
von Friesack brechen half. Als die Reformation durchgeführt ward, wurde
aus der berühmten Abtei ein Jagdschloß, im Klostergarten hielten sich der
Sage nach die Kurfürsten Hirsche mit goldenen Halsbändern. Da klang das
Jägerhorn lustig durch die grünen Wälder, der Falke stieg in die Luft, um
auf den Reiher zu stoßen, und wenn die Herren dann heimkehrten, scholl die
Festesfreude durch die ehemaligen Mönchszellen. Dann wurde es auf ein Jahr¬
hundert wieder still in Lehnin, das Kloster war vergessen, die Glocken kamen
fort. Thurm und Dach zerfielen. Im Jahr 1704 begann König Friedrich I.
hier einen Schloßbau. Auch der ist bis auf ein paar zopfige Säulen ver¬
schwunden. Durch das Revolutionsjahr 1848 kam Lehnin wieder aus der
Vergessenheit, man wandte die urkundlich nachweisbar im 17. Jahrhundert
erst entstandene Weissagung des angeblichen Mönchs Hermann zu Lehnin als
ein Zeugniß wider das Haus Hohenzollern an. Gewiß werden niemals mehr
die Schlußworte dieser Dichtung:


„?i'iseg.hus resurgeut I,can ac tectg, Liorini
„Ase xlus MM nobili luxus insiciiatur ovüi."

in Erfüllung gehen, aber unvergänglich sind dennoch die Ehren von Kloster
Lehnin, und gern sieht an dieser Stelle der Blick in die Vergangenheit zurück,
als diese stolzen Giebel noch ungebrochen in die Luft ragten, als die Kloster¬
pforte gastlich sich dem Reisenden erschloß und Hacke und Karst des Cister«
ziensers für die nachfolgenden Geschlechter die Saatfelder erschufen.

Wir haben uns noch nach andern Stätten zu den Gräbern der Ottoni-


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[0386] wähnte Wartthurm, dessen Erdgeschoß fest wie ein Burgverließ ist, so die Abtei und einzelne Kapellen, die aber durch ihre Verwendung zu wirthschaft¬ lichen Zwecken fast unkenntlich gemacht worden sind. Nicht geschichtlichen Er¬ eignissen, sondern zumeist öconomischen Rücksichten fielen die Lehniner Kloster¬ gebäude zum Opfer. König Friedrich I. baute sich in Lehnin ein Jagdschloß, — da riß man den Klosterthürmen ihre kupfernen Bekleidungen ab, die wie Gold über den See hinglänzten, da verwandelte man Kreuzgänge und Kapellen in Ställe und Scheunen. Dann kamen die Bauern aus Radnitz und Dahms- dorf und benutzten die alten Mauern als Steinbrüche und die Grabsteine der Fürsten zu Schwellen für Haus und Stall. Eine glänzende Geschichte wie die berühmten Klöster im Süden Deutsch¬ lands hat Lehnin nicht. Hier hat man nicht wie dort Geschichte geschrieben, — man hat Geschichte gemacht, indem man die Marken colonisirte. Nur ein großer Mann, der Erzbischof Dietrich Kagelwied von Magdeburg, ist aus dem Kloster hervorgegangen; nur einmal wird das Kloster als politisch thä¬ tig in der Territorialgeschichte erwähnt, als nämlich sein energischer Abt Hein¬ rich von Stich mit gewaffneter Hand die Rechte des Klosters gegen die Quitzow'schen Brüder vertrat und dem Kurfürsten Friedrich I. die Mauern von Friesack brechen half. Als die Reformation durchgeführt ward, wurde aus der berühmten Abtei ein Jagdschloß, im Klostergarten hielten sich der Sage nach die Kurfürsten Hirsche mit goldenen Halsbändern. Da klang das Jägerhorn lustig durch die grünen Wälder, der Falke stieg in die Luft, um auf den Reiher zu stoßen, und wenn die Herren dann heimkehrten, scholl die Festesfreude durch die ehemaligen Mönchszellen. Dann wurde es auf ein Jahr¬ hundert wieder still in Lehnin, das Kloster war vergessen, die Glocken kamen fort. Thurm und Dach zerfielen. Im Jahr 1704 begann König Friedrich I. hier einen Schloßbau. Auch der ist bis auf ein paar zopfige Säulen ver¬ schwunden. Durch das Revolutionsjahr 1848 kam Lehnin wieder aus der Vergessenheit, man wandte die urkundlich nachweisbar im 17. Jahrhundert erst entstandene Weissagung des angeblichen Mönchs Hermann zu Lehnin als ein Zeugniß wider das Haus Hohenzollern an. Gewiß werden niemals mehr die Schlußworte dieser Dichtung: „?i'iseg.hus resurgeut I,can ac tectg, Liorini „Ase xlus MM nobili luxus insiciiatur ovüi." in Erfüllung gehen, aber unvergänglich sind dennoch die Ehren von Kloster Lehnin, und gern sieht an dieser Stelle der Blick in die Vergangenheit zurück, als diese stolzen Giebel noch ungebrochen in die Luft ragten, als die Kloster¬ pforte gastlich sich dem Reisenden erschloß und Hacke und Karst des Cister« ziensers für die nachfolgenden Geschlechter die Saatfelder erschufen. Wir haben uns noch nach andern Stätten zu den Gräbern der Ottoni-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/386>, abgerufen am 01.07.2024.