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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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schen Ballenstädter zu wenden. Markgraf Otto III., der Stifter der Linie,
hatte das Kloster der Dominikaner zu Straußberg in der Mittelmark gegrün¬
det. Hier in einer Capelle, die er mit besonderer Pracht ausstattete, liegt der
ritterliche Fürst, der an der Seite seines Schwagers Ottokar den Kreuzzug
gegen die Preußen mitmachte, die heilige Eiche bei Romorve zerstören und
Königsberg mitgründen half, mit seiner Gemahlin Beatrix von Böhmen be¬
graben. Aber die Zeit hat jede Spur seiner Grabstätte verweht, erhalten
aber ist der Ruheort seines Sohnes, des Markgrafen Albrecht des Frommen,
im Kloster Himmelpfort in der Ukermark. Der letztgenannte Fürst hatte den
Schmerz, innerhalb kurzer Zeit seine beiden Söhne, auf denen seine Linie
stand, zu verlieren. Da zog er sich in die Einsamkeit seiner Burg zu Neu¬
stadt-Eberswalde zurück, legte statt des Harnisches das Gewand der Domini¬
kaner an und lebte den Rest seines Lebens ausschließlich Werken der Fröm¬
migkeit. Er ist der Stifter der Tempelherren-Commende Nemerow, des Dom¬
stifts zu Soldin, der Klöster Bernstein, Himmelsstadt und Himmelvfort. In
letzterem wurde er 1300 begraben.

Himmelvfort liegt auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei außeror¬
dentlich schönen Seen, dem Klosterhaussee und dem Stolpsee. Es war Toch¬
terkloster von Lehnin. Bon allen Gebäuden steht nur noch die Kirche, --
beraubt der Bogen und Gewölbe, zur Hälfte Gotteshaus, zur Hälfte Scheu¬
nen. Mit Himmelspforter Steinen pflasterte man die Straßen Berlins; --
so sank zuerst die Umfangsmauer; Conventsaal und Refectorium folgten nach.
Wehmüthig lächelt der heitre Himmel auf die Trümmer des einst ungewöhn¬
lich reich ausgestatteten Klosters herab. In der Kirche ist eine alte Holz¬
schnitzerei, eine verstaubte Einsetzung des Abendmahls, vorhanden, an der Wand
hängt ein Ritterhelm, Wappen und Handschuhe. Es sind die Reliquien des
berühmten Geschlechts von Trotte, dem Himmelpfort nach der Reformation
zufiel; sie erhalten das Andenken des kaiserlichen und brandenburgischen Feld¬
marschalls Adam von Trotte, eines tapferen Türkenkämpen aus dem 16. Jahr¬
hundert, zugleich eines Bruders der berühmten Eva von Trott, der Geliebten
Herzogs Heinrich von Braunschweig. Der Altar der Kirche ist nach ländlicher
Weise mit künstlichen Blumen geschmückt, -- die verblichenen Blätter verstärken
den elegischen Eindruck des Ortes. Langsam zerfallen die gluthrothen Rosen,
die weißen Lilien und die blauen Sternblumen in Asche, wie in Asche zerfal¬
len unten in der Erde das Gebein eines lebensmüden Sohnes des Hauses
Anhalt ruht.




schen Ballenstädter zu wenden. Markgraf Otto III., der Stifter der Linie,
hatte das Kloster der Dominikaner zu Straußberg in der Mittelmark gegrün¬
det. Hier in einer Capelle, die er mit besonderer Pracht ausstattete, liegt der
ritterliche Fürst, der an der Seite seines Schwagers Ottokar den Kreuzzug
gegen die Preußen mitmachte, die heilige Eiche bei Romorve zerstören und
Königsberg mitgründen half, mit seiner Gemahlin Beatrix von Böhmen be¬
graben. Aber die Zeit hat jede Spur seiner Grabstätte verweht, erhalten
aber ist der Ruheort seines Sohnes, des Markgrafen Albrecht des Frommen,
im Kloster Himmelpfort in der Ukermark. Der letztgenannte Fürst hatte den
Schmerz, innerhalb kurzer Zeit seine beiden Söhne, auf denen seine Linie
stand, zu verlieren. Da zog er sich in die Einsamkeit seiner Burg zu Neu¬
stadt-Eberswalde zurück, legte statt des Harnisches das Gewand der Domini¬
kaner an und lebte den Rest seines Lebens ausschließlich Werken der Fröm¬
migkeit. Er ist der Stifter der Tempelherren-Commende Nemerow, des Dom¬
stifts zu Soldin, der Klöster Bernstein, Himmelsstadt und Himmelvfort. In
letzterem wurde er 1300 begraben.

Himmelvfort liegt auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei außeror¬
dentlich schönen Seen, dem Klosterhaussee und dem Stolpsee. Es war Toch¬
terkloster von Lehnin. Bon allen Gebäuden steht nur noch die Kirche, —
beraubt der Bogen und Gewölbe, zur Hälfte Gotteshaus, zur Hälfte Scheu¬
nen. Mit Himmelspforter Steinen pflasterte man die Straßen Berlins; —
so sank zuerst die Umfangsmauer; Conventsaal und Refectorium folgten nach.
Wehmüthig lächelt der heitre Himmel auf die Trümmer des einst ungewöhn¬
lich reich ausgestatteten Klosters herab. In der Kirche ist eine alte Holz¬
schnitzerei, eine verstaubte Einsetzung des Abendmahls, vorhanden, an der Wand
hängt ein Ritterhelm, Wappen und Handschuhe. Es sind die Reliquien des
berühmten Geschlechts von Trotte, dem Himmelpfort nach der Reformation
zufiel; sie erhalten das Andenken des kaiserlichen und brandenburgischen Feld¬
marschalls Adam von Trotte, eines tapferen Türkenkämpen aus dem 16. Jahr¬
hundert, zugleich eines Bruders der berühmten Eva von Trott, der Geliebten
Herzogs Heinrich von Braunschweig. Der Altar der Kirche ist nach ländlicher
Weise mit künstlichen Blumen geschmückt, — die verblichenen Blätter verstärken
den elegischen Eindruck des Ortes. Langsam zerfallen die gluthrothen Rosen,
die weißen Lilien und die blauen Sternblumen in Asche, wie in Asche zerfal¬
len unten in der Erde das Gebein eines lebensmüden Sohnes des Hauses
Anhalt ruht.




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[0387] schen Ballenstädter zu wenden. Markgraf Otto III., der Stifter der Linie, hatte das Kloster der Dominikaner zu Straußberg in der Mittelmark gegrün¬ det. Hier in einer Capelle, die er mit besonderer Pracht ausstattete, liegt der ritterliche Fürst, der an der Seite seines Schwagers Ottokar den Kreuzzug gegen die Preußen mitmachte, die heilige Eiche bei Romorve zerstören und Königsberg mitgründen half, mit seiner Gemahlin Beatrix von Böhmen be¬ graben. Aber die Zeit hat jede Spur seiner Grabstätte verweht, erhalten aber ist der Ruheort seines Sohnes, des Markgrafen Albrecht des Frommen, im Kloster Himmelpfort in der Ukermark. Der letztgenannte Fürst hatte den Schmerz, innerhalb kurzer Zeit seine beiden Söhne, auf denen seine Linie stand, zu verlieren. Da zog er sich in die Einsamkeit seiner Burg zu Neu¬ stadt-Eberswalde zurück, legte statt des Harnisches das Gewand der Domini¬ kaner an und lebte den Rest seines Lebens ausschließlich Werken der Fröm¬ migkeit. Er ist der Stifter der Tempelherren-Commende Nemerow, des Dom¬ stifts zu Soldin, der Klöster Bernstein, Himmelsstadt und Himmelvfort. In letzterem wurde er 1300 begraben. Himmelvfort liegt auf einer schmalen Landzunge zwischen zwei außeror¬ dentlich schönen Seen, dem Klosterhaussee und dem Stolpsee. Es war Toch¬ terkloster von Lehnin. Bon allen Gebäuden steht nur noch die Kirche, — beraubt der Bogen und Gewölbe, zur Hälfte Gotteshaus, zur Hälfte Scheu¬ nen. Mit Himmelspforter Steinen pflasterte man die Straßen Berlins; — so sank zuerst die Umfangsmauer; Conventsaal und Refectorium folgten nach. Wehmüthig lächelt der heitre Himmel auf die Trümmer des einst ungewöhn¬ lich reich ausgestatteten Klosters herab. In der Kirche ist eine alte Holz¬ schnitzerei, eine verstaubte Einsetzung des Abendmahls, vorhanden, an der Wand hängt ein Ritterhelm, Wappen und Handschuhe. Es sind die Reliquien des berühmten Geschlechts von Trotte, dem Himmelpfort nach der Reformation zufiel; sie erhalten das Andenken des kaiserlichen und brandenburgischen Feld¬ marschalls Adam von Trotte, eines tapferen Türkenkämpen aus dem 16. Jahr¬ hundert, zugleich eines Bruders der berühmten Eva von Trott, der Geliebten Herzogs Heinrich von Braunschweig. Der Altar der Kirche ist nach ländlicher Weise mit künstlichen Blumen geschmückt, — die verblichenen Blätter verstärken den elegischen Eindruck des Ortes. Langsam zerfallen die gluthrothen Rosen, die weißen Lilien und die blauen Sternblumen in Asche, wie in Asche zerfal¬ len unten in der Erde das Gebein eines lebensmüden Sohnes des Hauses Anhalt ruht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/387>, abgerufen am 29.06.2024.