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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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storben. Vom Fürsten zum geistlichen Ritter; vom Ritter zum Mönch, --
diesem Zeitalter, dem oft plötzlich durch die welkenden Blumen der Haide. über
welche der Kriegsmann zog, der Sinn für die stille Beschaulichkeit der Mönchs¬
zelle geweckt ward, lag so ein Wechsel nicht allzu fern. In der Nähe des
Altars in Kloster Lehnin befindet sich der Grabstein dieses merkwürdigen
Fürsten; er stellt den Markgrafen in lebensvoller Weise dar, die Rechte lehrend
erhoben, mit der Linken das Evangelienbuch haltend, das Mönchsgewand mit
den Adlerschilden Brandenburgs belegt.

Das also sind die Züge unserer ersten Markgrafen von Brandenburg.
Welcher Unterschied aber, wenn wir das uns erhaltene Bildniß des Mark¬
grafen Otto IV. gegen diesen Leichenstein halten! Hier friedliche Ruhe, stille Ent¬
sagung in dem tiefgefurchten Antlitz, dort ein Muth, der nach dem Höchsten
auf Erden greift, eine Lebenslust, die jeden Augenblick des Daseins auszulaufen
bereit scheint!

Nach dem Tode des Mönchs Otto hatte Lehnin nur noch zwei Leichen
des Hauses Ballenstädt zu empfangen. Im Jahr 1308 wurde Markgraf
Hermann der Lange hier beigesetzt, ein Fürst von großer, organisatorischer
Befähigung, den wir überall in seines Landes Angelegenheiten ordnend,
bessernd, neugestaltend eingreifen sehen. Sein letztes bedeutendes Werk war
die Vereinigung der beiden Gemeinwesen Berlin und Cöln zu einer Stadt.
Mitten im Bauen, unter den erstehenden Mauern seiner Beste Eldenburg, raffte
ihn der Tod hinweg. Auf eben so plötzliche Weise ward auch sein Sohn
Johann zu seinen Vätern versammelt; der Jüngling, der eben zu schönster
Blüthe sich entfaltete, und auf den die Märker mit freudigem Stolze blickten,
starb eines jähen Todes auf dem Schlosse zu Spandau, im Lande aber flüsterte
man sich zu, Markgraf Woldemar, sein nächster Verwandter, habe ihn durch
eine blutige That aus dem Wege geräumt. ,

Auch die ersten beiden Hohenzollern, die in der Mark starben, ließen sich
aus schöner Pietät gegen das alte Fürstenhaus hier begraben. Deren Leichen
aber ruhen nun in der Fürstengruft zu Cöln an der Spree; man entnahm
sie dem Kloster, als die Reformation seine Räume veröden ließ. Von jener
Pietät haben die nachfolgenden Geschlechter wenig gehabt; sonst würde uns
von all den reichen Monumenten wohl mehr geblieben sein als die Grabes¬
platte des einen Lehniner Mönchs. Aber gerade dies Bild der Zerstörung,
welches Lehnin zeigt, verleiht dem Kloster seinen eigenthümlichen Reiz. In
den hohen, schönen Kirchenräumen, edel und rein, wie sie der Rundbogenstyl
nur je hervorgebracht hat, vergessen wir doch unwillkürlich die Trümmer um
uns her. Außer der Klosterkirche, deren westlicher, gothischer Theil augen¬
scheinlich viel jünger ist als der östliche, romanische, haben sich zu Lehnin noch
einzelne, werthvolle Reste der alten Kirchengebäude erhalten, so der schon er-


Grenzbotm III. 1872. 49

storben. Vom Fürsten zum geistlichen Ritter; vom Ritter zum Mönch, —
diesem Zeitalter, dem oft plötzlich durch die welkenden Blumen der Haide. über
welche der Kriegsmann zog, der Sinn für die stille Beschaulichkeit der Mönchs¬
zelle geweckt ward, lag so ein Wechsel nicht allzu fern. In der Nähe des
Altars in Kloster Lehnin befindet sich der Grabstein dieses merkwürdigen
Fürsten; er stellt den Markgrafen in lebensvoller Weise dar, die Rechte lehrend
erhoben, mit der Linken das Evangelienbuch haltend, das Mönchsgewand mit
den Adlerschilden Brandenburgs belegt.

Das also sind die Züge unserer ersten Markgrafen von Brandenburg.
Welcher Unterschied aber, wenn wir das uns erhaltene Bildniß des Mark¬
grafen Otto IV. gegen diesen Leichenstein halten! Hier friedliche Ruhe, stille Ent¬
sagung in dem tiefgefurchten Antlitz, dort ein Muth, der nach dem Höchsten
auf Erden greift, eine Lebenslust, die jeden Augenblick des Daseins auszulaufen
bereit scheint!

Nach dem Tode des Mönchs Otto hatte Lehnin nur noch zwei Leichen
des Hauses Ballenstädt zu empfangen. Im Jahr 1308 wurde Markgraf
Hermann der Lange hier beigesetzt, ein Fürst von großer, organisatorischer
Befähigung, den wir überall in seines Landes Angelegenheiten ordnend,
bessernd, neugestaltend eingreifen sehen. Sein letztes bedeutendes Werk war
die Vereinigung der beiden Gemeinwesen Berlin und Cöln zu einer Stadt.
Mitten im Bauen, unter den erstehenden Mauern seiner Beste Eldenburg, raffte
ihn der Tod hinweg. Auf eben so plötzliche Weise ward auch sein Sohn
Johann zu seinen Vätern versammelt; der Jüngling, der eben zu schönster
Blüthe sich entfaltete, und auf den die Märker mit freudigem Stolze blickten,
starb eines jähen Todes auf dem Schlosse zu Spandau, im Lande aber flüsterte
man sich zu, Markgraf Woldemar, sein nächster Verwandter, habe ihn durch
eine blutige That aus dem Wege geräumt. ,

Auch die ersten beiden Hohenzollern, die in der Mark starben, ließen sich
aus schöner Pietät gegen das alte Fürstenhaus hier begraben. Deren Leichen
aber ruhen nun in der Fürstengruft zu Cöln an der Spree; man entnahm
sie dem Kloster, als die Reformation seine Räume veröden ließ. Von jener
Pietät haben die nachfolgenden Geschlechter wenig gehabt; sonst würde uns
von all den reichen Monumenten wohl mehr geblieben sein als die Grabes¬
platte des einen Lehniner Mönchs. Aber gerade dies Bild der Zerstörung,
welches Lehnin zeigt, verleiht dem Kloster seinen eigenthümlichen Reiz. In
den hohen, schönen Kirchenräumen, edel und rein, wie sie der Rundbogenstyl
nur je hervorgebracht hat, vergessen wir doch unwillkürlich die Trümmer um
uns her. Außer der Klosterkirche, deren westlicher, gothischer Theil augen¬
scheinlich viel jünger ist als der östliche, romanische, haben sich zu Lehnin noch
einzelne, werthvolle Reste der alten Kirchengebäude erhalten, so der schon er-


Grenzbotm III. 1872. 49
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/385>, abgerufen am 01.10.2024.