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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Schorkiöi und sodann nach dem zwischen drei Pässen des Balkan belegenen,
von dem 4000 Fuß hohen Witosch beherrschten Sofia gehen, dem Knotenpunkt
der Straßen nach Radomir, Köstendil, Borkovac und Konstantinopel. Auf
der Route über Sofia ziehen heute die k. k. österreichische Fahrpost und die
türkische Courierpost ("Menzil") nach Konstantinopel; in wenigen Jahren
werden statt ihrer schnellfahrende Eisenbahnzüge die Vermittler des Verkehrs
und Ideenaustausches zwischen Occident und Orient sein.

Für die Civilisation der Türkei muß die Vollendung der Schienenstraße
auf dieser Route von weittragenden Einflüsse sein; denn sie wird große und
von der Natur reich gesegnete Gebiete, welche Jahrhunderte lang von euro¬
päischer Cultur losgerissen waren, der Aufklärung und dem Fortschritt öffnen.
Die Ausführung der Linie ist bekanntlich der Loeivtö Impörials Loueossionmrö,
an deren Spitze Baron Hirsch steht, übertragen. Neuerdings hat die türkische
Regierung in einem mit Baron Hirsch abgeschlossenen Vertrage die etwas
zweifelhaft gewordene finanzielle Seite des Unternehmens anderweit geregelt,
so daß in dieser Hinsicht Bedenken kaum bestehen, welche die weitere Aus¬
führung des türkischen Bahnnetzes, von dem bereits 1200 Kilometer vollendet
sind, in Frage stellen könnten. Die erste Section der Rumelischen Hauptbahn
in einer Länge von 17 Kilometern ist bereits Anfangs Januar des Jahres
1871 eröffnet worden; sie durchbricht die Mauer der türkischen Hauptstadt bei
Uedi-Kate, dem Thor der "sieben Thürme", und führt an der Südseite um
Konstantinopel herum längs der Küste des Marmara-Meeres über Makrikeny
und Se. Stefano, beliebte Sommeraufenthaltsorte der Bewohner der Haupt¬
stadt, nach Kutschuk-Tschekmedje, in dessen Nähe der Hafen Bujuk-Tschekmedje
an der Propontis liegt, so daß die Handelsschiffe schon jetzt den Vortheil be¬
quemer Verladung der Waaren vom Orient genießen. In zwei Jahren soll
die Bahn bis Adrianopel -- 190 Kilometer Entfernung -- vollendet sein;
die Strecke wird von Vitali gebaut werden, welcher ein Consortium von
Bankiers und Finanzgrößen der Pariser Foncier-Gruppe repräsentier. Für
die weitere Strecke Adrianopel-Philippopel-Sarimbey-Risch (türkisch-serbische
Grenze) sollen deutsche Bauunternehmer gewonnen sein. Der Anschluß an
die serbisch-ungarischen Bahnen ist in der Conferenz im Juli 1870 nach An-
drassy's Plänen festgestellt und wird einerseits bei Jankova-Clissura, anderer¬
seits, auf türkischem Gebiete, bei Alexinatz-Risch stattfinden; die serbische Re¬
gierung hat sich in einem Vertrage mit Baron Hirsch verpflichtet, zur Deckung
der Baukosten eine Subvention von 60,000 Francs per Kilometer für die ser¬
bische Strecke zu gewähren.

Während so die Ausführung der Hauptbahn Wien-Belgrad-Konstantinopel
gesichert ist, werden auch die Nebenlinien nicht außer Acht gelassen. Die Tra-
cirung einzelner dieser Linien, nämlich nördlich nach Rustschuk, Schumla


Grenzboten III. 1872. 44

Schorkiöi und sodann nach dem zwischen drei Pässen des Balkan belegenen,
von dem 4000 Fuß hohen Witosch beherrschten Sofia gehen, dem Knotenpunkt
der Straßen nach Radomir, Köstendil, Borkovac und Konstantinopel. Auf
der Route über Sofia ziehen heute die k. k. österreichische Fahrpost und die
türkische Courierpost („Menzil") nach Konstantinopel; in wenigen Jahren
werden statt ihrer schnellfahrende Eisenbahnzüge die Vermittler des Verkehrs
und Ideenaustausches zwischen Occident und Orient sein.

Für die Civilisation der Türkei muß die Vollendung der Schienenstraße
auf dieser Route von weittragenden Einflüsse sein; denn sie wird große und
von der Natur reich gesegnete Gebiete, welche Jahrhunderte lang von euro¬
päischer Cultur losgerissen waren, der Aufklärung und dem Fortschritt öffnen.
Die Ausführung der Linie ist bekanntlich der Loeivtö Impörials Loueossionmrö,
an deren Spitze Baron Hirsch steht, übertragen. Neuerdings hat die türkische
Regierung in einem mit Baron Hirsch abgeschlossenen Vertrage die etwas
zweifelhaft gewordene finanzielle Seite des Unternehmens anderweit geregelt,
so daß in dieser Hinsicht Bedenken kaum bestehen, welche die weitere Aus¬
führung des türkischen Bahnnetzes, von dem bereits 1200 Kilometer vollendet
sind, in Frage stellen könnten. Die erste Section der Rumelischen Hauptbahn
in einer Länge von 17 Kilometern ist bereits Anfangs Januar des Jahres
1871 eröffnet worden; sie durchbricht die Mauer der türkischen Hauptstadt bei
Uedi-Kate, dem Thor der „sieben Thürme", und führt an der Südseite um
Konstantinopel herum längs der Küste des Marmara-Meeres über Makrikeny
und Se. Stefano, beliebte Sommeraufenthaltsorte der Bewohner der Haupt¬
stadt, nach Kutschuk-Tschekmedje, in dessen Nähe der Hafen Bujuk-Tschekmedje
an der Propontis liegt, so daß die Handelsschiffe schon jetzt den Vortheil be¬
quemer Verladung der Waaren vom Orient genießen. In zwei Jahren soll
die Bahn bis Adrianopel — 190 Kilometer Entfernung — vollendet sein;
die Strecke wird von Vitali gebaut werden, welcher ein Consortium von
Bankiers und Finanzgrößen der Pariser Foncier-Gruppe repräsentier. Für
die weitere Strecke Adrianopel-Philippopel-Sarimbey-Risch (türkisch-serbische
Grenze) sollen deutsche Bauunternehmer gewonnen sein. Der Anschluß an
die serbisch-ungarischen Bahnen ist in der Conferenz im Juli 1870 nach An-
drassy's Plänen festgestellt und wird einerseits bei Jankova-Clissura, anderer¬
seits, auf türkischem Gebiete, bei Alexinatz-Risch stattfinden; die serbische Re¬
gierung hat sich in einem Vertrage mit Baron Hirsch verpflichtet, zur Deckung
der Baukosten eine Subvention von 60,000 Francs per Kilometer für die ser¬
bische Strecke zu gewähren.

Während so die Ausführung der Hauptbahn Wien-Belgrad-Konstantinopel
gesichert ist, werden auch die Nebenlinien nicht außer Acht gelassen. Die Tra-
cirung einzelner dieser Linien, nämlich nördlich nach Rustschuk, Schumla


Grenzboten III. 1872. 44
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[0345] Schorkiöi und sodann nach dem zwischen drei Pässen des Balkan belegenen, von dem 4000 Fuß hohen Witosch beherrschten Sofia gehen, dem Knotenpunkt der Straßen nach Radomir, Köstendil, Borkovac und Konstantinopel. Auf der Route über Sofia ziehen heute die k. k. österreichische Fahrpost und die türkische Courierpost („Menzil") nach Konstantinopel; in wenigen Jahren werden statt ihrer schnellfahrende Eisenbahnzüge die Vermittler des Verkehrs und Ideenaustausches zwischen Occident und Orient sein. Für die Civilisation der Türkei muß die Vollendung der Schienenstraße auf dieser Route von weittragenden Einflüsse sein; denn sie wird große und von der Natur reich gesegnete Gebiete, welche Jahrhunderte lang von euro¬ päischer Cultur losgerissen waren, der Aufklärung und dem Fortschritt öffnen. Die Ausführung der Linie ist bekanntlich der Loeivtö Impörials Loueossionmrö, an deren Spitze Baron Hirsch steht, übertragen. Neuerdings hat die türkische Regierung in einem mit Baron Hirsch abgeschlossenen Vertrage die etwas zweifelhaft gewordene finanzielle Seite des Unternehmens anderweit geregelt, so daß in dieser Hinsicht Bedenken kaum bestehen, welche die weitere Aus¬ führung des türkischen Bahnnetzes, von dem bereits 1200 Kilometer vollendet sind, in Frage stellen könnten. Die erste Section der Rumelischen Hauptbahn in einer Länge von 17 Kilometern ist bereits Anfangs Januar des Jahres 1871 eröffnet worden; sie durchbricht die Mauer der türkischen Hauptstadt bei Uedi-Kate, dem Thor der „sieben Thürme", und führt an der Südseite um Konstantinopel herum längs der Küste des Marmara-Meeres über Makrikeny und Se. Stefano, beliebte Sommeraufenthaltsorte der Bewohner der Haupt¬ stadt, nach Kutschuk-Tschekmedje, in dessen Nähe der Hafen Bujuk-Tschekmedje an der Propontis liegt, so daß die Handelsschiffe schon jetzt den Vortheil be¬ quemer Verladung der Waaren vom Orient genießen. In zwei Jahren soll die Bahn bis Adrianopel — 190 Kilometer Entfernung — vollendet sein; die Strecke wird von Vitali gebaut werden, welcher ein Consortium von Bankiers und Finanzgrößen der Pariser Foncier-Gruppe repräsentier. Für die weitere Strecke Adrianopel-Philippopel-Sarimbey-Risch (türkisch-serbische Grenze) sollen deutsche Bauunternehmer gewonnen sein. Der Anschluß an die serbisch-ungarischen Bahnen ist in der Conferenz im Juli 1870 nach An- drassy's Plänen festgestellt und wird einerseits bei Jankova-Clissura, anderer¬ seits, auf türkischem Gebiete, bei Alexinatz-Risch stattfinden; die serbische Re¬ gierung hat sich in einem Vertrage mit Baron Hirsch verpflichtet, zur Deckung der Baukosten eine Subvention von 60,000 Francs per Kilometer für die ser¬ bische Strecke zu gewähren. Während so die Ausführung der Hauptbahn Wien-Belgrad-Konstantinopel gesichert ist, werden auch die Nebenlinien nicht außer Acht gelassen. Die Tra- cirung einzelner dieser Linien, nämlich nördlich nach Rustschuk, Schumla Grenzboten III. 1872. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/345>, abgerufen am 22.12.2024.