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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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nen Pfd. Sterl. englischen Geldes. Wie Mr. Jenkinson im vorigen Jahre
dem Unterhause nachzuweisen versuchte, genügt der Suez-Canal, so wichtig
seine Vollendung auch ist, England zur Verbindung mit Indien nicht mehr.
Je weiter die ostindischen Bahnen nach dem nordwestlichen Punkte des indisch¬
britischen Gebiets, zur Jndusmündung, hinaufrücken, desto fühlbarer tritt der
Mangel einer Eisenbahnverbindung nach Europa hervor. Konstantinopel, die
Völkerbrücke zwischen Europa und Asien, muß einerseits mit Indien, anderer¬
seits mit dem großen europäischen Bahnnetze in Verbindung gesetzt werden.

In Nordwesteuropa und Mitteleuropa sind die Bahnglieder auf den
Routen Ostende-Brenner-Donau-Drau- und Sauthal fertig oder doch in den
zuletzt genannten Thälern der Vollendung nahe. Diese Route ist die natür¬
lichste, geradeste für den Verkehr von Nordwesteuropa nach Indien; sie wird
also über kurz oder lang ihre weltbedeutende Stellung unangefochten einneh¬
men, selbst wenn sie in einzelnen Phasen daraus verdrängt werden sollte; sie
ist namentlich auch für Deutschland und für die österreichisch-ungarischen Länder
von hoher Wichtigkeit; denn sie sichert diesen Gebieten die Theilnahme an dem
europäisch-asiatischen Weltverkehr, die sie bereits zur Zeit der venetianischen
Handelshegemonie besaßen. -- Von der ungarischen Grenze aus muß die
Eisenbahn nach Konstantinopel im Wesentlichen die Richtung der alten Römer¬
straße von Carnuntum und Vindobona nach Konstantinopel einschlagen, ein
Moment, welches einen sprechenden Beweis von dem politischen und wirth¬
schaftlichen Scharfblick liefert, mit dem die Römer für ihre großen Straßen¬
züge die passendste Route herausgefunden haben. Die Linie würde bei Bel¬
grad beginnen, sodann bis zur Vereinigung der Nissawa und Morawa im
Thale der Morawa bis Filibe', und von dort durch die Porta-Trajana west¬
lich von Talar-Bosardschik im Thale der Maritza über Adrianopel bis ans
Marmara-Meer nach dem Goldenen Horn gehen; sie bietet im Ganzen bei
der äußerst günstigen Configuration des Bodens wenig Schwierigkeiten, da
die in Strabo's Phantasie entstandene, von allen älteren Geographen als
vorhanden betrachtete Fortsetzung der alpinen Centralkette bis zum Pontus
nicht existirt, sich vielmehr nach den gründlichen Untersuchungen Bone"s, Gri-
sebach's und von Hahn's als Mythe erwiesen hat. Die Gebirgsmassen der
albanischen Alpen (Strabo's "Bertiskos" und "Skaroo's") sind im Gegentheil
(zwischen Morawa und Vardar) so auseinandergeschoben, daß beispielsweise
zwischen Donau und Salonich gar kein Gebirge zu überschreiten ist. Die
Längenaxen der Gebirgszüge aber gehen in der Centraltürkei von Nord nach
Süd. Die Wasserscheide zwischen der Donau und dem ägäischen Meer hat
nach Streffleur's Messungen nur etwa 1328 Fuß Höhe. Der nördliche tür¬
kische Anfangspunkt der Hauptbahn ist Risch, das alte Naifsus, Geburtsort
Konstantin's des Großen. Von hier würde die Bahn nach dem gewerblichen


nen Pfd. Sterl. englischen Geldes. Wie Mr. Jenkinson im vorigen Jahre
dem Unterhause nachzuweisen versuchte, genügt der Suez-Canal, so wichtig
seine Vollendung auch ist, England zur Verbindung mit Indien nicht mehr.
Je weiter die ostindischen Bahnen nach dem nordwestlichen Punkte des indisch¬
britischen Gebiets, zur Jndusmündung, hinaufrücken, desto fühlbarer tritt der
Mangel einer Eisenbahnverbindung nach Europa hervor. Konstantinopel, die
Völkerbrücke zwischen Europa und Asien, muß einerseits mit Indien, anderer¬
seits mit dem großen europäischen Bahnnetze in Verbindung gesetzt werden.

In Nordwesteuropa und Mitteleuropa sind die Bahnglieder auf den
Routen Ostende-Brenner-Donau-Drau- und Sauthal fertig oder doch in den
zuletzt genannten Thälern der Vollendung nahe. Diese Route ist die natür¬
lichste, geradeste für den Verkehr von Nordwesteuropa nach Indien; sie wird
also über kurz oder lang ihre weltbedeutende Stellung unangefochten einneh¬
men, selbst wenn sie in einzelnen Phasen daraus verdrängt werden sollte; sie
ist namentlich auch für Deutschland und für die österreichisch-ungarischen Länder
von hoher Wichtigkeit; denn sie sichert diesen Gebieten die Theilnahme an dem
europäisch-asiatischen Weltverkehr, die sie bereits zur Zeit der venetianischen
Handelshegemonie besaßen. — Von der ungarischen Grenze aus muß die
Eisenbahn nach Konstantinopel im Wesentlichen die Richtung der alten Römer¬
straße von Carnuntum und Vindobona nach Konstantinopel einschlagen, ein
Moment, welches einen sprechenden Beweis von dem politischen und wirth¬
schaftlichen Scharfblick liefert, mit dem die Römer für ihre großen Straßen¬
züge die passendste Route herausgefunden haben. Die Linie würde bei Bel¬
grad beginnen, sodann bis zur Vereinigung der Nissawa und Morawa im
Thale der Morawa bis Filibe', und von dort durch die Porta-Trajana west¬
lich von Talar-Bosardschik im Thale der Maritza über Adrianopel bis ans
Marmara-Meer nach dem Goldenen Horn gehen; sie bietet im Ganzen bei
der äußerst günstigen Configuration des Bodens wenig Schwierigkeiten, da
die in Strabo's Phantasie entstandene, von allen älteren Geographen als
vorhanden betrachtete Fortsetzung der alpinen Centralkette bis zum Pontus
nicht existirt, sich vielmehr nach den gründlichen Untersuchungen Bone"s, Gri-
sebach's und von Hahn's als Mythe erwiesen hat. Die Gebirgsmassen der
albanischen Alpen (Strabo's „Bertiskos" und „Skaroo's") sind im Gegentheil
(zwischen Morawa und Vardar) so auseinandergeschoben, daß beispielsweise
zwischen Donau und Salonich gar kein Gebirge zu überschreiten ist. Die
Längenaxen der Gebirgszüge aber gehen in der Centraltürkei von Nord nach
Süd. Die Wasserscheide zwischen der Donau und dem ägäischen Meer hat
nach Streffleur's Messungen nur etwa 1328 Fuß Höhe. Der nördliche tür¬
kische Anfangspunkt der Hauptbahn ist Risch, das alte Naifsus, Geburtsort
Konstantin's des Großen. Von hier würde die Bahn nach dem gewerblichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/344>, abgerufen am 22.12.2024.