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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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der größten Mühe nur 300,000 Francs auszugeben vermochte. Damit waren
die Dienste, welche aus diesen Summen bestritten wurden, jedenfalls auch aus¬
reichend bezahlt. Denn die "bedeutenden Erfolge" , welche der Chef dieses
Etablissements, Herr Cuvinot, mit "Liebe zur Kunst" erreicht haben soll, und
welche ihn in den Stand setzten, "den Corpsführern jeden Abend ein Circular
zugehen zu lassen, aus welchem die Stellungen des Feindes oft bis auf die
Nummern der Regimenter ersichtlich waren", erscheinen uns sehr problematisch.
Sonst hätte in Tours und Bordeaux wohl nicht ein so undurchdringliches
Dunkel über die Operationen Friedrich Karls gegen die Loirearmee, den Zug
Gödens gegen Faidherbe im Norden und die Manoeuvers der Armee Man-
teuffels gegen Bourbaki und Garibaldi bestehen, und sich in unverminderter
Kraft bis auf den heutigen Tag so gut erhalten können, daß auch das Werk
Freycinets durchaus kein richtiges Bild der deutschen Operationen gewährt.
Man war ja in Tours seelenfroh, wenn man die eigenen Stellungen kannte.
Auch das Material an Spionen, nämlich theils "besondere Sendboten, welche
fortwährend die Departements bereisten, und durch die preußischen Linien zu
dringen suchten (!)", theils "Maires, Telegraphenbeamte, Förster, Wegeaufseher,
Bahnwärter u. s. w., welche durch ihre Stellung (!) mit den Bewegungen des
Feindes stets mehr oder weniger vertraut waren (!), und uns davon unterrichten
konnten, ohne Verdacht zu erregen", hätte die Kriegsdelegation in Tours
nicht mit allzu großen Hoffnungen erfüllen sollen, wenn sie bedacht hätte, daß
meist alle diese Beamten mit Ausnahme der Maires, bei Ankunft der Deutschen
außer Function gesetzt wurden. Selbst das stolze "Corps von Kundschaftern,
nach dem Muster der amerikanischen Detectives gebildet, welches vor Le Mans
thätig war", hat die Niederlage gleichen Namens nicht abgewendet, und es
ist gewiß richtig, wenn Freycinet versichert: "der Friedensschluß hinderte uns,
soviel Nutzen aus diesem Corps zu ziehen, als wir gehofft hatten." Aber
das lebhafteste Interesse haben wir Deutschen an Feststellung der angeblichen
Thatsachen, welche Freycinet S. 18 anführt: "Cuvinot hatte einige sehr ge¬
wandte Agenten; einer derselben lebte zwei Monate lang inmit¬
ten eines preußischen Hauptquartiers und erstattete von dort
aus von Zeit zu Zeit die ausführlichsten Berichte, man versteht
wohl, weszhalb ich mich nicht.?genauer äußern kann. Ein Agent Cuvinots
war es auch, der uns im December einen Plan der Belagerungs¬
arbeiten um Paris zugehen ließ, welcher in Versailles einem Of-
ficier aus Moltkes Generalstabe entwendet worden war." --
Namentlich der deutschen Presse würde die Ermittelung der ersten dieser an¬
geblichen Thatsachen die größte Genugthuung gewähren. Denn es ist bekannt,
wie stiefmütterlich die Vertreter der deutschen Presse in unsern Hauptquartieren
behandelt, in welchem Maße und durch welchen Einfluß dagegen namentlich


der größten Mühe nur 300,000 Francs auszugeben vermochte. Damit waren
die Dienste, welche aus diesen Summen bestritten wurden, jedenfalls auch aus¬
reichend bezahlt. Denn die „bedeutenden Erfolge" , welche der Chef dieses
Etablissements, Herr Cuvinot, mit „Liebe zur Kunst" erreicht haben soll, und
welche ihn in den Stand setzten, „den Corpsführern jeden Abend ein Circular
zugehen zu lassen, aus welchem die Stellungen des Feindes oft bis auf die
Nummern der Regimenter ersichtlich waren", erscheinen uns sehr problematisch.
Sonst hätte in Tours und Bordeaux wohl nicht ein so undurchdringliches
Dunkel über die Operationen Friedrich Karls gegen die Loirearmee, den Zug
Gödens gegen Faidherbe im Norden und die Manoeuvers der Armee Man-
teuffels gegen Bourbaki und Garibaldi bestehen, und sich in unverminderter
Kraft bis auf den heutigen Tag so gut erhalten können, daß auch das Werk
Freycinets durchaus kein richtiges Bild der deutschen Operationen gewährt.
Man war ja in Tours seelenfroh, wenn man die eigenen Stellungen kannte.
Auch das Material an Spionen, nämlich theils „besondere Sendboten, welche
fortwährend die Departements bereisten, und durch die preußischen Linien zu
dringen suchten (!)", theils „Maires, Telegraphenbeamte, Förster, Wegeaufseher,
Bahnwärter u. s. w., welche durch ihre Stellung (!) mit den Bewegungen des
Feindes stets mehr oder weniger vertraut waren (!), und uns davon unterrichten
konnten, ohne Verdacht zu erregen", hätte die Kriegsdelegation in Tours
nicht mit allzu großen Hoffnungen erfüllen sollen, wenn sie bedacht hätte, daß
meist alle diese Beamten mit Ausnahme der Maires, bei Ankunft der Deutschen
außer Function gesetzt wurden. Selbst das stolze „Corps von Kundschaftern,
nach dem Muster der amerikanischen Detectives gebildet, welches vor Le Mans
thätig war", hat die Niederlage gleichen Namens nicht abgewendet, und es
ist gewiß richtig, wenn Freycinet versichert: „der Friedensschluß hinderte uns,
soviel Nutzen aus diesem Corps zu ziehen, als wir gehofft hatten." Aber
das lebhafteste Interesse haben wir Deutschen an Feststellung der angeblichen
Thatsachen, welche Freycinet S. 18 anführt: „Cuvinot hatte einige sehr ge¬
wandte Agenten; einer derselben lebte zwei Monate lang inmit¬
ten eines preußischen Hauptquartiers und erstattete von dort
aus von Zeit zu Zeit die ausführlichsten Berichte, man versteht
wohl, weszhalb ich mich nicht.?genauer äußern kann. Ein Agent Cuvinots
war es auch, der uns im December einen Plan der Belagerungs¬
arbeiten um Paris zugehen ließ, welcher in Versailles einem Of-
ficier aus Moltkes Generalstabe entwendet worden war." —
Namentlich der deutschen Presse würde die Ermittelung der ersten dieser an¬
geblichen Thatsachen die größte Genugthuung gewähren. Denn es ist bekannt,
wie stiefmütterlich die Vertreter der deutschen Presse in unsern Hauptquartieren
behandelt, in welchem Maße und durch welchen Einfluß dagegen namentlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/295>, abgerufen am 23.07.2024.