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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Schrecken vor dem Lande, auf das er seine Hoffnung gesetzt und wendet alle
Mittel an, ihn zu isoliren. Er soll nicht die Töchter des Landes heirathen,
seine Kinder sollen nicht die öffentlichen Schulen besuchen und womöglich auch
nicht die englische Sprache erlernen, "Sprich nur deutsch in deiner Familie,
laß deine Kindernurdeutschsprechen,ja,zwingesiedazu" --heißt es im Rathgeber.
Das ist nun vom deutsch-nationalen Standpunkte aus sehr schön, aber dieser
Standpunkt liegt jenen "Rathgebern" durchaus fern, ihnen kommt es nur
auf die Jsolirung an. Aber welcher Unsinn, ja welche Schändlichkeit liegt
darin, die Leute in diesem Lande von der Erlernung der englischen Sprache
zurückzuhalten! Die Jsolirung derselben wird damit wohl erreicht, aber wie
steht es dann mit dem Fortkommen? Ohne Kenntniß des Englischen ist man
hier verrathen und verkauft, zu einer Pariastellung verdammt.

Freilich der Mann gehorcht seinem Priester und bleibt unwissend, ein
wenig nützliches Glied der Gesellschaft. Aber der Zweck ist erreicht. Trotz
der speciell römisch-katholischen Schulen, welche hier existiren, ist der Culturzu¬
stand gerade unserer Katholiken ein nichts weniger als erfreulicher. Im neusten
Report ok tus Vommissionor ok Däueation in Washington wird nachgewiesen,
wie die "illiteracy", der Mangel der Kenntniß des Lesens und Schreibens,
in den östlichen Staaten vorwiege und namentlich durch unkundige Einwan¬
derer gefördert werde. Hier kommen natürlich die Deutschen nicht in Betracht,
die sich ohnehin meistens nach dem Westen wenden, sondern die katholischen
Jrländer, die Katholiken aus den romanischen Staaten. Und dabei sollen
diese noch den öffentlichen Schulen fern bleiben! Im Staate New-Uork
kommen nach dem genannten Berichte auf 20,000 Eingeborene, die nicht lesen
und schreiben können, 100,000 solche Eingewanderte. 0t' tkesö, heißt es im
Report, tre Kroater part o-re roman Latiiolics, g.r>6 it is trou tuis class
etat eile romisli (Anired vouIZ exduäo ins gonial intiusueö ok tlo xublio
LLNOvI.

Sie sehen also, daß auch wir, im freien Amerika, unsere Kirchen- und
Schulfragen haben, von denen die Welt einmal bis zum Ueberdrusse heimge¬
sucht ist. Die größere Zahl der Verbrecher, die überwiegende Menge der
Armen ist in diesem Lande auf Seiten der Katholiken. Bei Leibe nicht, daß
wir dieses dem Katholicismus als solchem zuschreiben wollen -- aber die Un¬
bildung, künstlich durch die Geistlichkeit genährt, ist hieran Schuld. Und wie
leicht wird in diesem Lande des hastigen Strebens der Unkundige von den
Kenntnißreichen überflügelt! Die verpestete Verwaltung der Empire city, der
irische Janhangel in ihr, der die Herrschaft, die große unwissende Masse von
"Stimmvieh" an sich gerissen hat -- sie sind alle in den Händen der Jesuiten,
die ihren Maximen getreu ihre Leute in die einflußreichsten Stellen einzu¬
schmuggeln suchen. Jahr für Jahr sind sie weiter vorgedrungen, ein Posten,


Schrecken vor dem Lande, auf das er seine Hoffnung gesetzt und wendet alle
Mittel an, ihn zu isoliren. Er soll nicht die Töchter des Landes heirathen,
seine Kinder sollen nicht die öffentlichen Schulen besuchen und womöglich auch
nicht die englische Sprache erlernen, „Sprich nur deutsch in deiner Familie,
laß deine Kindernurdeutschsprechen,ja,zwingesiedazu" —heißt es im Rathgeber.
Das ist nun vom deutsch-nationalen Standpunkte aus sehr schön, aber dieser
Standpunkt liegt jenen „Rathgebern" durchaus fern, ihnen kommt es nur
auf die Jsolirung an. Aber welcher Unsinn, ja welche Schändlichkeit liegt
darin, die Leute in diesem Lande von der Erlernung der englischen Sprache
zurückzuhalten! Die Jsolirung derselben wird damit wohl erreicht, aber wie
steht es dann mit dem Fortkommen? Ohne Kenntniß des Englischen ist man
hier verrathen und verkauft, zu einer Pariastellung verdammt.

Freilich der Mann gehorcht seinem Priester und bleibt unwissend, ein
wenig nützliches Glied der Gesellschaft. Aber der Zweck ist erreicht. Trotz
der speciell römisch-katholischen Schulen, welche hier existiren, ist der Culturzu¬
stand gerade unserer Katholiken ein nichts weniger als erfreulicher. Im neusten
Report ok tus Vommissionor ok Däueation in Washington wird nachgewiesen,
wie die „illiteracy", der Mangel der Kenntniß des Lesens und Schreibens,
in den östlichen Staaten vorwiege und namentlich durch unkundige Einwan¬
derer gefördert werde. Hier kommen natürlich die Deutschen nicht in Betracht,
die sich ohnehin meistens nach dem Westen wenden, sondern die katholischen
Jrländer, die Katholiken aus den romanischen Staaten. Und dabei sollen
diese noch den öffentlichen Schulen fern bleiben! Im Staate New-Uork
kommen nach dem genannten Berichte auf 20,000 Eingeborene, die nicht lesen
und schreiben können, 100,000 solche Eingewanderte. 0t' tkesö, heißt es im
Report, tre Kroater part o-re roman Latiiolics, g.r>6 it is trou tuis class
etat eile romisli (Anired vouIZ exduäo ins gonial intiusueö ok tlo xublio
LLNOvI.

Sie sehen also, daß auch wir, im freien Amerika, unsere Kirchen- und
Schulfragen haben, von denen die Welt einmal bis zum Ueberdrusse heimge¬
sucht ist. Die größere Zahl der Verbrecher, die überwiegende Menge der
Armen ist in diesem Lande auf Seiten der Katholiken. Bei Leibe nicht, daß
wir dieses dem Katholicismus als solchem zuschreiben wollen — aber die Un¬
bildung, künstlich durch die Geistlichkeit genährt, ist hieran Schuld. Und wie
leicht wird in diesem Lande des hastigen Strebens der Unkundige von den
Kenntnißreichen überflügelt! Die verpestete Verwaltung der Empire city, der
irische Janhangel in ihr, der die Herrschaft, die große unwissende Masse von
„Stimmvieh" an sich gerissen hat — sie sind alle in den Händen der Jesuiten,
die ihren Maximen getreu ihre Leute in die einflußreichsten Stellen einzu¬
schmuggeln suchen. Jahr für Jahr sind sie weiter vorgedrungen, ein Posten,


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[0270] Schrecken vor dem Lande, auf das er seine Hoffnung gesetzt und wendet alle Mittel an, ihn zu isoliren. Er soll nicht die Töchter des Landes heirathen, seine Kinder sollen nicht die öffentlichen Schulen besuchen und womöglich auch nicht die englische Sprache erlernen, „Sprich nur deutsch in deiner Familie, laß deine Kindernurdeutschsprechen,ja,zwingesiedazu" —heißt es im Rathgeber. Das ist nun vom deutsch-nationalen Standpunkte aus sehr schön, aber dieser Standpunkt liegt jenen „Rathgebern" durchaus fern, ihnen kommt es nur auf die Jsolirung an. Aber welcher Unsinn, ja welche Schändlichkeit liegt darin, die Leute in diesem Lande von der Erlernung der englischen Sprache zurückzuhalten! Die Jsolirung derselben wird damit wohl erreicht, aber wie steht es dann mit dem Fortkommen? Ohne Kenntniß des Englischen ist man hier verrathen und verkauft, zu einer Pariastellung verdammt. Freilich der Mann gehorcht seinem Priester und bleibt unwissend, ein wenig nützliches Glied der Gesellschaft. Aber der Zweck ist erreicht. Trotz der speciell römisch-katholischen Schulen, welche hier existiren, ist der Culturzu¬ stand gerade unserer Katholiken ein nichts weniger als erfreulicher. Im neusten Report ok tus Vommissionor ok Däueation in Washington wird nachgewiesen, wie die „illiteracy", der Mangel der Kenntniß des Lesens und Schreibens, in den östlichen Staaten vorwiege und namentlich durch unkundige Einwan¬ derer gefördert werde. Hier kommen natürlich die Deutschen nicht in Betracht, die sich ohnehin meistens nach dem Westen wenden, sondern die katholischen Jrländer, die Katholiken aus den romanischen Staaten. Und dabei sollen diese noch den öffentlichen Schulen fern bleiben! Im Staate New-Uork kommen nach dem genannten Berichte auf 20,000 Eingeborene, die nicht lesen und schreiben können, 100,000 solche Eingewanderte. 0t' tkesö, heißt es im Report, tre Kroater part o-re roman Latiiolics, g.r>6 it is trou tuis class etat eile romisli (Anired vouIZ exduäo ins gonial intiusueö ok tlo xublio LLNOvI. Sie sehen also, daß auch wir, im freien Amerika, unsere Kirchen- und Schulfragen haben, von denen die Welt einmal bis zum Ueberdrusse heimge¬ sucht ist. Die größere Zahl der Verbrecher, die überwiegende Menge der Armen ist in diesem Lande auf Seiten der Katholiken. Bei Leibe nicht, daß wir dieses dem Katholicismus als solchem zuschreiben wollen — aber die Un¬ bildung, künstlich durch die Geistlichkeit genährt, ist hieran Schuld. Und wie leicht wird in diesem Lande des hastigen Strebens der Unkundige von den Kenntnißreichen überflügelt! Die verpestete Verwaltung der Empire city, der irische Janhangel in ihr, der die Herrschaft, die große unwissende Masse von „Stimmvieh" an sich gerissen hat — sie sind alle in den Händen der Jesuiten, die ihren Maximen getreu ihre Leute in die einflußreichsten Stellen einzu¬ schmuggeln suchen. Jahr für Jahr sind sie weiter vorgedrungen, ein Posten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/270>, abgerufen am 22.07.2024.