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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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weil wir die Versammlung auf der Pfingstweide nicht für das
d eutsche Volk an sehen und uns den Die taten ihrer ex altirten Ab¬
geordneten nicht fügen wollten. Wahrlich, man möchte oft lieber in
den Urwäldern von Kalifornien sitzen, als in der deutschen Volksvertretung.
Nie hat eine Partei so unmittelbar am Siege gestanden, als die unsere und
nie hatte sie bei nur einem Fünkchen von Vernunft mehr Interesse
davon, daß keine gewaltsame Verschiebung dieser Stellung ein¬
trete; dennoch aber soll gerade sie die Gewalt provocirt haben! Es ist ent¬
setzlich, wie weit die Parteileidenschaft die aller einfachsten Verstandessätze ver¬
kommen lassen kann.

Gott sei Dank, die Dummheit, welche uns in den Straßen zu
Frankfurt, im Badischen Oberlande, in Würtemberg, Köln u.
s. w. zu Grunde gerichtet hat -- sie erhebt uns wohl auch wieder. Denn
die Reaction ist zu übermüthig, sie errichtet Barrikaden in der Paulskirche
und fällt so in Struvescher Manier in das Gebiet des Rechtes und der Billigkeit
ein, daß sie sich selbst zu Grunde richten muß. Hoffentlich wird sie die Hand
an einige Abgeordnete legen, und deren 4--6 zum Opfer bringen, was diese
Sache nur fördern kann. Lust hat man viel dazu, aber man zagt doch immer
noch etwas, seiner Herzensneigung zu fröhnen.

Soll ich Dir versichern, daß wir keinen Antheil an dem Aufstande haben,
daß wir vielmehr als Partei wie als Privatpersonen alles aufgeboten haben,
denselben zu hindern? Dummheiten sind auf der Pfingstweide gemacht worden,
das ist wahr, namentlich von Schlöffel und Zitz. Aber es waren nur Dumm¬
heiten".?) und ich versichere Dir, an einen Aufstand hat kein Mensch ge¬
dacht, es hat ihn kein Mensch geahnt. Man hat diesen Aufstand gepflegt
wie eine Treibhauspflanze; man hat das Blut unnütz und frevelhaft
vergossen; mit einer Compagnie Soldaten war die ganze Kinderei -- es war
Anfangs nichts anderes -- zu beseitigen. Das unter uns und ich hoffe
Dir die Angelegenheit gelegentlich mündlich auseinandersetzen zu können; der
Oeffentlichkeit gegenüber läßt sich jetzt nichts thun, wir haben einmal Barri¬
kaden gebaut, Lichnowsky erschlagen und den Struve ins Oberland gelockt
oder gerufen -- das müssen wir tragen, bis aus dem Düster der Unter¬
suchung die Thatsachen mit einfacher Klarheit hervortreten. Dann werden
wir gerechtfertigt sein, aber das verblendete Volk wird zu spät die Augen
öffnen. Während es seine entrüsteten Blicke auf die angeblichen "intellectuellen
Urheber" lenken läßt, wird man ihm Hände und Füße knebeln und es mi߬
handeln wie früher. Ach, das Schicksal unsres Vaterlandes und
unseres Volkes ist doch ein sehr trauriges; es scheint mir oft,


weil wir die Versammlung auf der Pfingstweide nicht für das
d eutsche Volk an sehen und uns den Die taten ihrer ex altirten Ab¬
geordneten nicht fügen wollten. Wahrlich, man möchte oft lieber in
den Urwäldern von Kalifornien sitzen, als in der deutschen Volksvertretung.
Nie hat eine Partei so unmittelbar am Siege gestanden, als die unsere und
nie hatte sie bei nur einem Fünkchen von Vernunft mehr Interesse
davon, daß keine gewaltsame Verschiebung dieser Stellung ein¬
trete; dennoch aber soll gerade sie die Gewalt provocirt haben! Es ist ent¬
setzlich, wie weit die Parteileidenschaft die aller einfachsten Verstandessätze ver¬
kommen lassen kann.

Gott sei Dank, die Dummheit, welche uns in den Straßen zu
Frankfurt, im Badischen Oberlande, in Würtemberg, Köln u.
s. w. zu Grunde gerichtet hat — sie erhebt uns wohl auch wieder. Denn
die Reaction ist zu übermüthig, sie errichtet Barrikaden in der Paulskirche
und fällt so in Struvescher Manier in das Gebiet des Rechtes und der Billigkeit
ein, daß sie sich selbst zu Grunde richten muß. Hoffentlich wird sie die Hand
an einige Abgeordnete legen, und deren 4—6 zum Opfer bringen, was diese
Sache nur fördern kann. Lust hat man viel dazu, aber man zagt doch immer
noch etwas, seiner Herzensneigung zu fröhnen.

Soll ich Dir versichern, daß wir keinen Antheil an dem Aufstande haben,
daß wir vielmehr als Partei wie als Privatpersonen alles aufgeboten haben,
denselben zu hindern? Dummheiten sind auf der Pfingstweide gemacht worden,
das ist wahr, namentlich von Schlöffel und Zitz. Aber es waren nur Dumm¬
heiten«.?) und ich versichere Dir, an einen Aufstand hat kein Mensch ge¬
dacht, es hat ihn kein Mensch geahnt. Man hat diesen Aufstand gepflegt
wie eine Treibhauspflanze; man hat das Blut unnütz und frevelhaft
vergossen; mit einer Compagnie Soldaten war die ganze Kinderei — es war
Anfangs nichts anderes — zu beseitigen. Das unter uns und ich hoffe
Dir die Angelegenheit gelegentlich mündlich auseinandersetzen zu können; der
Oeffentlichkeit gegenüber läßt sich jetzt nichts thun, wir haben einmal Barri¬
kaden gebaut, Lichnowsky erschlagen und den Struve ins Oberland gelockt
oder gerufen — das müssen wir tragen, bis aus dem Düster der Unter¬
suchung die Thatsachen mit einfacher Klarheit hervortreten. Dann werden
wir gerechtfertigt sein, aber das verblendete Volk wird zu spät die Augen
öffnen. Während es seine entrüsteten Blicke auf die angeblichen „intellectuellen
Urheber" lenken läßt, wird man ihm Hände und Füße knebeln und es mi߬
handeln wie früher. Ach, das Schicksal unsres Vaterlandes und
unseres Volkes ist doch ein sehr trauriges; es scheint mir oft,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/257>, abgerufen am 22.12.2024.