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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Kunsthandel und Kunstsammler in Mris.

Wir haben dieses Jahr zwei merkwürdige Bilderversteigerungen gehabt:
die von Pereire und die von Persigny. Es ist eine ausgemachte Sache, daß
man in Paris den Nagel kauft, an dem ein Bild hängt, und nicht das Bild
selbst. Was Morny oder Demidof für hundert tausend Francs verkaufte, da¬
für konnte ein einfacher Sterblicher keine viertausend bekommen. Der Verkäufer
muß ein ansehnlicher oder ein reicher Mann sein, damit die reichen Herren
seine Sachen sich streitig machen: Kenner braucht er weniger zu sein. So waren
auf der letzten Versteigerung von San-Donato unter neunzehn Kunstwerken
gewiß vierzehn falsche, aber Herr Demidof bekam doch seine fünf Millionen,
kurz vor seinem Tode, während der Graf Kuschelef-Besboredko, der nur ächte
Gemälde besaß, einen reinen Verlust von 40,000 Franken unter seinen Ein¬
kaufspreisen davon getragen hat.

Wir brauchen unsern Lesern kaum die Geschichte der Herren Pereire und
Persigny ins Gedächtniß zurückzurufen, die so charakteristisch ist für die Art
und Weise, wie man unter dem zweiten Kaiserreich Carriere und Fortune
machte.

Pereire war bekanntlich im Anfang Commis bei Baron Rothschild, mit
1200 Franken jährlicher Gage, und hat zuletzt Millionen bei Seite gelegt,
indem er sein Vermögen auf den Namen seiner Frau überschreiben ließ und
die Gläubiger dadurch auf das Unverschämteste um ihr Geld brachte. Das
Gericht nannte das Verfahren einen "schweren Fehler" (uns louräs kaute) und
nur die öffentliche Meinung hat über die Directoren des OiMit Nobilior den
Stab gebrochen.

In Bilder hat Herr Pereire bedeutendes Geld gesteckt, aber bei Weitem
nicht 1,700,000 Frameen, welche die Auction ihm einbrachte. Es waren dar¬
unter Gemälde, die man früher für 500 Franken haben konnte und die sich
zu 24,000 Franken verkauft haben.

Eine politische Manifestation war die Versteigerung keineswegs, aber die
Bonapartisten, worunter es doch einige aufrichtige Leute giebt, wollten nicht
zugeben, daß Napoleon III. in sehr schlechter Umgebung gelebt hatte und
drückten demgemäß ihre Werthschätzung für die gefallenen Freunde ihres
Kaisers durch enorme Gebote für deren Bildersammlungen aus. Den Grafen
Persigny hatte freilich die Kaiserin schon gleich nach den ersten feindlichen
Wahlen von Paris entfernt, und das ist auch seiner Gemäldesammlung nicht
vortheilhaft gewesen. Sie bestand aus sehr mittelmäßigen Bildern, meisten-
theils übermalt, bei gewöhnlichen Krämern zusammen gekauft, die weder von
Geschmack noch von Kenntniß zeigten. Auch haben sie wenige r eingebracht


Grenzboten III. 1872. 29
Kunsthandel und Kunstsammler in Mris.

Wir haben dieses Jahr zwei merkwürdige Bilderversteigerungen gehabt:
die von Pereire und die von Persigny. Es ist eine ausgemachte Sache, daß
man in Paris den Nagel kauft, an dem ein Bild hängt, und nicht das Bild
selbst. Was Morny oder Demidof für hundert tausend Francs verkaufte, da¬
für konnte ein einfacher Sterblicher keine viertausend bekommen. Der Verkäufer
muß ein ansehnlicher oder ein reicher Mann sein, damit die reichen Herren
seine Sachen sich streitig machen: Kenner braucht er weniger zu sein. So waren
auf der letzten Versteigerung von San-Donato unter neunzehn Kunstwerken
gewiß vierzehn falsche, aber Herr Demidof bekam doch seine fünf Millionen,
kurz vor seinem Tode, während der Graf Kuschelef-Besboredko, der nur ächte
Gemälde besaß, einen reinen Verlust von 40,000 Franken unter seinen Ein¬
kaufspreisen davon getragen hat.

Wir brauchen unsern Lesern kaum die Geschichte der Herren Pereire und
Persigny ins Gedächtniß zurückzurufen, die so charakteristisch ist für die Art
und Weise, wie man unter dem zweiten Kaiserreich Carriere und Fortune
machte.

Pereire war bekanntlich im Anfang Commis bei Baron Rothschild, mit
1200 Franken jährlicher Gage, und hat zuletzt Millionen bei Seite gelegt,
indem er sein Vermögen auf den Namen seiner Frau überschreiben ließ und
die Gläubiger dadurch auf das Unverschämteste um ihr Geld brachte. Das
Gericht nannte das Verfahren einen „schweren Fehler" (uns louräs kaute) und
nur die öffentliche Meinung hat über die Directoren des OiMit Nobilior den
Stab gebrochen.

In Bilder hat Herr Pereire bedeutendes Geld gesteckt, aber bei Weitem
nicht 1,700,000 Frameen, welche die Auction ihm einbrachte. Es waren dar¬
unter Gemälde, die man früher für 500 Franken haben konnte und die sich
zu 24,000 Franken verkauft haben.

Eine politische Manifestation war die Versteigerung keineswegs, aber die
Bonapartisten, worunter es doch einige aufrichtige Leute giebt, wollten nicht
zugeben, daß Napoleon III. in sehr schlechter Umgebung gelebt hatte und
drückten demgemäß ihre Werthschätzung für die gefallenen Freunde ihres
Kaisers durch enorme Gebote für deren Bildersammlungen aus. Den Grafen
Persigny hatte freilich die Kaiserin schon gleich nach den ersten feindlichen
Wahlen von Paris entfernt, und das ist auch seiner Gemäldesammlung nicht
vortheilhaft gewesen. Sie bestand aus sehr mittelmäßigen Bildern, meisten-
theils übermalt, bei gewöhnlichen Krämern zusammen gekauft, die weder von
Geschmack noch von Kenntniß zeigten. Auch haben sie wenige r eingebracht


Grenzboten III. 1872. 29
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[0233] Kunsthandel und Kunstsammler in Mris. Wir haben dieses Jahr zwei merkwürdige Bilderversteigerungen gehabt: die von Pereire und die von Persigny. Es ist eine ausgemachte Sache, daß man in Paris den Nagel kauft, an dem ein Bild hängt, und nicht das Bild selbst. Was Morny oder Demidof für hundert tausend Francs verkaufte, da¬ für konnte ein einfacher Sterblicher keine viertausend bekommen. Der Verkäufer muß ein ansehnlicher oder ein reicher Mann sein, damit die reichen Herren seine Sachen sich streitig machen: Kenner braucht er weniger zu sein. So waren auf der letzten Versteigerung von San-Donato unter neunzehn Kunstwerken gewiß vierzehn falsche, aber Herr Demidof bekam doch seine fünf Millionen, kurz vor seinem Tode, während der Graf Kuschelef-Besboredko, der nur ächte Gemälde besaß, einen reinen Verlust von 40,000 Franken unter seinen Ein¬ kaufspreisen davon getragen hat. Wir brauchen unsern Lesern kaum die Geschichte der Herren Pereire und Persigny ins Gedächtniß zurückzurufen, die so charakteristisch ist für die Art und Weise, wie man unter dem zweiten Kaiserreich Carriere und Fortune machte. Pereire war bekanntlich im Anfang Commis bei Baron Rothschild, mit 1200 Franken jährlicher Gage, und hat zuletzt Millionen bei Seite gelegt, indem er sein Vermögen auf den Namen seiner Frau überschreiben ließ und die Gläubiger dadurch auf das Unverschämteste um ihr Geld brachte. Das Gericht nannte das Verfahren einen „schweren Fehler" (uns louräs kaute) und nur die öffentliche Meinung hat über die Directoren des OiMit Nobilior den Stab gebrochen. In Bilder hat Herr Pereire bedeutendes Geld gesteckt, aber bei Weitem nicht 1,700,000 Frameen, welche die Auction ihm einbrachte. Es waren dar¬ unter Gemälde, die man früher für 500 Franken haben konnte und die sich zu 24,000 Franken verkauft haben. Eine politische Manifestation war die Versteigerung keineswegs, aber die Bonapartisten, worunter es doch einige aufrichtige Leute giebt, wollten nicht zugeben, daß Napoleon III. in sehr schlechter Umgebung gelebt hatte und drückten demgemäß ihre Werthschätzung für die gefallenen Freunde ihres Kaisers durch enorme Gebote für deren Bildersammlungen aus. Den Grafen Persigny hatte freilich die Kaiserin schon gleich nach den ersten feindlichen Wahlen von Paris entfernt, und das ist auch seiner Gemäldesammlung nicht vortheilhaft gewesen. Sie bestand aus sehr mittelmäßigen Bildern, meisten- theils übermalt, bei gewöhnlichen Krämern zusammen gekauft, die weder von Geschmack noch von Kenntniß zeigten. Auch haben sie wenige r eingebracht Grenzboten III. 1872. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/233>, abgerufen am 22.07.2024.