Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.Leben geheuchelt hätte, würde mir das zweideutige Wort oder der Bruch des Ueber unsre Sitzungen nichts, die Zeitungen bringen das; sie bringen Robert Blum." Frankfurt, 3. Mai 1848. Viel bitterer spricht sich Blum über die Zerfahrenheit seiner politischen "Liebe Jenny. Du meinst, meine Freunde hätten gethan, was sie können. Leben geheuchelt hätte, würde mir das zweideutige Wort oder der Bruch des Ueber unsre Sitzungen nichts, die Zeitungen bringen das; sie bringen Robert Blum." Frankfurt, 3. Mai 1848. Viel bitterer spricht sich Blum über die Zerfahrenheit seiner politischen „Liebe Jenny. Du meinst, meine Freunde hätten gethan, was sie können. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/128143"/> <p xml:id="ID_704" prev="#ID_703"> Leben geheuchelt hätte, würde mir das zweideutige Wort oder der Bruch des<lb/> geraden Wortes schwer werden? Gewiß nicht! Wer ein Glaubensbekenntniß<lb/> von mir braucht, um sich durch dasselbe zur Wahl bestimmen zu lassen, der<lb/> soll mir die Ehre anthun, mich nicht zu wählen; ich würde es für mein<lb/> größtes Unglück halten, der Vertreter solcher Leute zu sein. Nun, ich werde<lb/> in Leipzig in die Verlegenheit nicht kommen, wie die Sachen zu stehen scheinen.<lb/> Wegen der Republik sollen dieLeute ruhig sein, diebekommen<lb/> sie nicht; aber die ganze alte Sauwirthschaft bekommen sie<lb/> wieder in neuer Auflage, weil sie das Michelthum wieder bewährt<lb/> haben und sich von dem Popanz der Republik ins Bockshorn und der Reaction<lb/> in die Arme jagen lassen. Die eonstituirende Versammlung wird entsetzlich<lb/> werden, und der Spießbürger zu spät einsehen, wie er genasführt wurde. —<lb/> Nimm mir, lieber Freund, die Weigerung nicht übel, ich achte und ehre<lb/> Deine Absicht, ich danke Dir für Deine Aussprache, aber Du wirst selbst<lb/> einsehen: es geht nicht, es war nicht möglich......</p><lb/> <p xml:id="ID_705"> Ueber unsre Sitzungen nichts, die Zeitungen bringen das; sie bringen<lb/> zuviel darüber im Vergleiche zum Werthe, daher nur noch die<lb/> besten Wünsche u. s. w.</p><lb/> <note type="bibl"> Robert Blum."</note><lb/> <p xml:id="ID_706"> Frankfurt, 3. Mai 1848.</p><lb/> <p xml:id="ID_707"> Viel bitterer spricht sich Blum über die Zerfahrenheit seiner politischen<lb/> Freunde daheim in nachstehendem Briefe an seine Frau aus. Wir theilen<lb/> ihn vollständig mit, weil darin in sehr drastischer Weise geschildert ist, in<lb/> welcher Verwirrung die liberalen und radicalen Elemente in Sachsen aus¬<lb/> einander und durcheinander fuhren, sobald Blum mit seiner Abreise nach<lb/> Frankfurt die Zügel und Leitung aus der Hand gegeben hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_708" next="#ID_709"><note type="salute"> „Liebe Jenny.</note> Du meinst, meine Freunde hätten gethan, was sie können.<lb/> Ja, das haben sie, d. h. um mich vom Reichstag auszuschließen und mich<lb/> dazu zu vlamiren. Als man mir aus Reußen die Wahl antrug, schrieb ich<lb/> nach Leipzig und sagte: sie möchten über mich verfügen, Leipzig oder dort,<lb/> nach ihrem Ermessen und Bedürfniß, sie könnten in meinem Namen Antwort<lb/> und Erklärungen abgeben, wie sie wollten. Nach Reußen schrieb ich zu¬<lb/> sagende Briefe, legte sie nach Leipzig ein und sagte, man möge sie absenden<lb/> oder zurückhalten nach Ermessen. Diese Briefe sind ohne Berathung, ohne<lb/> Plan, ohne daß man nur sich darüber gesprochen hat, abgeschickt worden.<lb/> Das einzige aber, was ich mir am 23., 24. und 25, April nacheinander erbat,<lb/> eine umgehende Antwort über ihre Absichten und ihre Pläne hatte ich<lb/> am 1. Mai noch nicht, habe ich heute noch nicht. So brachten mir die<lb/> Zeitungen erst die Kunde, ich sey in Reußen gewählt und Knoch und A.<lb/> schrieben mir dasselbe. Darauf ging ich am 1. Mai in die Versammlung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
Leben geheuchelt hätte, würde mir das zweideutige Wort oder der Bruch des
geraden Wortes schwer werden? Gewiß nicht! Wer ein Glaubensbekenntniß
von mir braucht, um sich durch dasselbe zur Wahl bestimmen zu lassen, der
soll mir die Ehre anthun, mich nicht zu wählen; ich würde es für mein
größtes Unglück halten, der Vertreter solcher Leute zu sein. Nun, ich werde
in Leipzig in die Verlegenheit nicht kommen, wie die Sachen zu stehen scheinen.
Wegen der Republik sollen dieLeute ruhig sein, diebekommen
sie nicht; aber die ganze alte Sauwirthschaft bekommen sie
wieder in neuer Auflage, weil sie das Michelthum wieder bewährt
haben und sich von dem Popanz der Republik ins Bockshorn und der Reaction
in die Arme jagen lassen. Die eonstituirende Versammlung wird entsetzlich
werden, und der Spießbürger zu spät einsehen, wie er genasführt wurde. —
Nimm mir, lieber Freund, die Weigerung nicht übel, ich achte und ehre
Deine Absicht, ich danke Dir für Deine Aussprache, aber Du wirst selbst
einsehen: es geht nicht, es war nicht möglich......
Ueber unsre Sitzungen nichts, die Zeitungen bringen das; sie bringen
zuviel darüber im Vergleiche zum Werthe, daher nur noch die
besten Wünsche u. s. w.
Robert Blum."
Frankfurt, 3. Mai 1848.
Viel bitterer spricht sich Blum über die Zerfahrenheit seiner politischen
Freunde daheim in nachstehendem Briefe an seine Frau aus. Wir theilen
ihn vollständig mit, weil darin in sehr drastischer Weise geschildert ist, in
welcher Verwirrung die liberalen und radicalen Elemente in Sachsen aus¬
einander und durcheinander fuhren, sobald Blum mit seiner Abreise nach
Frankfurt die Zügel und Leitung aus der Hand gegeben hatte.
„Liebe Jenny. Du meinst, meine Freunde hätten gethan, was sie können.
Ja, das haben sie, d. h. um mich vom Reichstag auszuschließen und mich
dazu zu vlamiren. Als man mir aus Reußen die Wahl antrug, schrieb ich
nach Leipzig und sagte: sie möchten über mich verfügen, Leipzig oder dort,
nach ihrem Ermessen und Bedürfniß, sie könnten in meinem Namen Antwort
und Erklärungen abgeben, wie sie wollten. Nach Reußen schrieb ich zu¬
sagende Briefe, legte sie nach Leipzig ein und sagte, man möge sie absenden
oder zurückhalten nach Ermessen. Diese Briefe sind ohne Berathung, ohne
Plan, ohne daß man nur sich darüber gesprochen hat, abgeschickt worden.
Das einzige aber, was ich mir am 23., 24. und 25, April nacheinander erbat,
eine umgehende Antwort über ihre Absichten und ihre Pläne hatte ich
am 1. Mai noch nicht, habe ich heute noch nicht. So brachten mir die
Zeitungen erst die Kunde, ich sey in Reußen gewählt und Knoch und A.
schrieben mir dasselbe. Darauf ging ich am 1. Mai in die Versammlung
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