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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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eine gewisse Furcht vor der Unvorsichtigkeit und der "notorischen Schwäche der
Porteurs" und die Polizei glaubte den Klagen und Unregelmäßigkeiten am
besten dadurch begegnen zu können, daß sie die drei Portchaisen (1810) --
nummeriren hieß. Mit der Zeit sank aber die alte Bedeutung, doch hat wie
wir alle wissen, dieses löbliche Institut erst in neuerer Zeit seine Wirksamkeit
so gut wie eingestellt.

Nach Außen hin vermittelte die Post den Verkehr, obwohl nur schwach,
da Weimar erst seit 1803 durch die Convention mit Chursachsen eine Station
der Leipzig Erfurter Post, seit 1804 eine directe wöchentlich zweimalige Ver¬
bindung mit Eisenach erhielt. Bisher ging der große Verkehr über Buttel-
städt, von wo aus die Weimarische Korrespondenz von einem Boten bestellt
wurde. Wiederholt legt das weimarische Postamt in öffentlichen Blättern das
Versprechen ab, die prompteste Besorgung aller Sendungen zu übernehmen.
Mit dem Jahre 1812 war die Post an 4 Tagen, "ensuite" wie die Bekannt¬
machung sagt, offen, aber den Verkehr der Personen erschwerte sie auf alle
Weise, weil sie den Hauderern nur den Pferdewechsel gestattete, wenn die
Reisenden mindestens 24 Stunden in Weimar sich aufhielten. Nach dem Ab¬
schluß des Erblehnpostvertrags mit Taxis wurde 1818 die Post täglich ge¬
öffnet, wenn auch die Schwerfälligkeiten im Verkehr nach damaligen Ansichten
nicht sofort beseitigt werden durften, da zuerst das Monopol, dann erst das
Interesse des Publicums in Frage kam. Aus der Gesammtheit dieser Ver¬
hältnisse läßt sich erklären, daß Carl August im wohlwollenden Sinne an der
Hauptwache für sich 1812 einen Briefkasten anlegen ließ, der namentlich
für die Petitionen der Landesbevölkerung berechnet war. Wann dieses Ver¬
kehrswahrzeichen verschwand, läßt sich nicht mehr ermitteln, jedenfalls ist es
aber ein erfreuliches Zeichen, daß früh die Anfänge einer segensreichen Ein¬
richtung der Neuzeit in der Idee vorhanden waren, der wir die Originalität
nicht abzusprechen vermögen*), -- Was in jenen Tagen an Zeugnissen der
Cultur in jenen Kasten eingelegt wurde, kann man zum guten Theil aus den
sorgfältig aufbewahrten Petitionen noch sehen. Es ist des Ergötzlichen viel,
aber es bilden diese Bittschriften auch beredte Zeugnisse dafür, auf welchem
Entwickelungsstand Weimar und die meisten andern Städte damals standen,
und wo wir uns dagegen heute nach sechs Decennien befinden.

Aber in dem äußerlichen Verkehr kommt uns doch nur zum kleinen Theil
die Erkenntniß des Culturlebens. Es bedarf dazu der Betrachtung der Ge¬
sellschaft besonderer Kreise, schärferer Begrenzung. Noch reicht die scharfe
Gliederung der Stände in unser Jahrhundert herüber. Sie documentirte
sich im Theater, in welchem der rechte Balcon nur vom Adel betreten werden



") I D. Red. n Berlin waren lange zuvor Briefkasten,

eine gewisse Furcht vor der Unvorsichtigkeit und der „notorischen Schwäche der
Porteurs" und die Polizei glaubte den Klagen und Unregelmäßigkeiten am
besten dadurch begegnen zu können, daß sie die drei Portchaisen (1810) —
nummeriren hieß. Mit der Zeit sank aber die alte Bedeutung, doch hat wie
wir alle wissen, dieses löbliche Institut erst in neuerer Zeit seine Wirksamkeit
so gut wie eingestellt.

Nach Außen hin vermittelte die Post den Verkehr, obwohl nur schwach,
da Weimar erst seit 1803 durch die Convention mit Chursachsen eine Station
der Leipzig Erfurter Post, seit 1804 eine directe wöchentlich zweimalige Ver¬
bindung mit Eisenach erhielt. Bisher ging der große Verkehr über Buttel-
städt, von wo aus die Weimarische Korrespondenz von einem Boten bestellt
wurde. Wiederholt legt das weimarische Postamt in öffentlichen Blättern das
Versprechen ab, die prompteste Besorgung aller Sendungen zu übernehmen.
Mit dem Jahre 1812 war die Post an 4 Tagen, „ensuite" wie die Bekannt¬
machung sagt, offen, aber den Verkehr der Personen erschwerte sie auf alle
Weise, weil sie den Hauderern nur den Pferdewechsel gestattete, wenn die
Reisenden mindestens 24 Stunden in Weimar sich aufhielten. Nach dem Ab¬
schluß des Erblehnpostvertrags mit Taxis wurde 1818 die Post täglich ge¬
öffnet, wenn auch die Schwerfälligkeiten im Verkehr nach damaligen Ansichten
nicht sofort beseitigt werden durften, da zuerst das Monopol, dann erst das
Interesse des Publicums in Frage kam. Aus der Gesammtheit dieser Ver¬
hältnisse läßt sich erklären, daß Carl August im wohlwollenden Sinne an der
Hauptwache für sich 1812 einen Briefkasten anlegen ließ, der namentlich
für die Petitionen der Landesbevölkerung berechnet war. Wann dieses Ver¬
kehrswahrzeichen verschwand, läßt sich nicht mehr ermitteln, jedenfalls ist es
aber ein erfreuliches Zeichen, daß früh die Anfänge einer segensreichen Ein¬
richtung der Neuzeit in der Idee vorhanden waren, der wir die Originalität
nicht abzusprechen vermögen*), — Was in jenen Tagen an Zeugnissen der
Cultur in jenen Kasten eingelegt wurde, kann man zum guten Theil aus den
sorgfältig aufbewahrten Petitionen noch sehen. Es ist des Ergötzlichen viel,
aber es bilden diese Bittschriften auch beredte Zeugnisse dafür, auf welchem
Entwickelungsstand Weimar und die meisten andern Städte damals standen,
und wo wir uns dagegen heute nach sechs Decennien befinden.

Aber in dem äußerlichen Verkehr kommt uns doch nur zum kleinen Theil
die Erkenntniß des Culturlebens. Es bedarf dazu der Betrachtung der Ge¬
sellschaft besonderer Kreise, schärferer Begrenzung. Noch reicht die scharfe
Gliederung der Stände in unser Jahrhundert herüber. Sie documentirte
sich im Theater, in welchem der rechte Balcon nur vom Adel betreten werden



") I D. Red. n Berlin waren lange zuvor Briefkasten,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/20>, abgerufen am 22.12.2024.