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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Bis jetzt hat der Schluß jener Einsiedler-Prophezeiungen seine Erfüllung
noch nicht gefunden. Alles ging bis zum Mai 1871 nach Wunsch: es sah
ganz darnach aus, daß Paris der Erde gleich gemacht werden würde. Aber
der Brand wurde gelöscht, und die Stadt steigt wie ein Phönix aus dem im¬
merhin mäßigen Aschenhaufen empor. Aber die frommen Seelen trösten sich.
Sie hatten wenigstens beinahe Recht und leben der festen, freudigen Zuversicht,
daß sie das nächste Mal ganz Recht haben werden.

Noch ein französischer Prophet ist Crignon de Montfort, der schon vor
zweihundert Jahren voraussah, welche Ehren der jetzige Papst und die Jesuiten
der heiligen Jungfrau anzuthun gesonnen sein würden, und von dem uns ein
Abbe' Curieque in seinem 1872 zu Paris erschienenen "Voix xroxIMiHues"
berichtet. Es heißt da unter Anderm: "Maria trat während der Erscheinung
Jesu Christi fast gar nicht hervor, damit nicht die Menschen, noch wenig un¬
terrichtet und aufgeklärt über die Person ihres Sohnes, sich zu stark und
plump an sie attachirten wegen der wunderbaren Reize, welche der Allerhöchste
ihrem Aeußern verliehen hatte. Aber bei der Wiederkunft Christi muß Maria
bekannt und offenbar werden durch den heiligen Geist, damit wir durch sie
Jesum Christum kennen, lieben und ihm dienen lernen. Die Gründe, welche
den heiligen Geist bewogen haben, seine Braut während ihres Lebens zu ver¬
bergen und seit der Ankündigung des Evangeliums nur wenig zu entschleiern,
bestehen dann nicht mehr."

Zum Schluß dieses Abschnitts unsrer Betrachtung möge noch einer Si-
bylle der Jesuiten gedacht werden, deren Prophezeiung mit besonderm Eifer
auch im katholischen Deutschland herumgetragen zu werden scheint. Sie
weissagt von einer großen, dreitägigen Finsterniß, welche noch diesen Sommer
eintreten soll und uns folglich in den nächsten Tagen überfallen kann, von
einem ungewöhnlichen Sterben, welches zu gleicher Zeit unter den Feinden
der Kirche angehen wird, von dem wunderbaren Erscheinen aller zwölf Apostel
bei der nächsten Papstwahl u. d. in. Wir bemerken dazu nur, daß besagte
Sibylle die im Geruch der Heiligkeit verstorbene Maria Taigi ist, daß deren
Leben zuerst von einem französischen Jesuiten, dem Pater Bousster geschrieben
wurde, und daß ihre Prophetien das gegenwärtige Pontifieat regieren. Die
Taigi ist gewissermaßen die Pythia des jetzigen Papstes. Ihre Offenbarungen
beherrschen seine Anschauungen von der Zukunft und haben ihm neue Dogmen
geliefert.

Wir gehen nun zu einer andern Sorte jesuitischer Mirakel über, zu denen,
welche ein von der Gesellschaft Loyolas besonders empfohlenes Gebet in un¬
zähligen sorgfältig registrirten Fällen bewirkt hat. Wahrhaft köstliche Bei¬
spiele bringt hiervon der zu Innsbruck erscheinende "Sendbote des göttlichen
Herzens Jesu," eine Monatsschrift, die "mit Genehmigung der geistlichen


Bis jetzt hat der Schluß jener Einsiedler-Prophezeiungen seine Erfüllung
noch nicht gefunden. Alles ging bis zum Mai 1871 nach Wunsch: es sah
ganz darnach aus, daß Paris der Erde gleich gemacht werden würde. Aber
der Brand wurde gelöscht, und die Stadt steigt wie ein Phönix aus dem im¬
merhin mäßigen Aschenhaufen empor. Aber die frommen Seelen trösten sich.
Sie hatten wenigstens beinahe Recht und leben der festen, freudigen Zuversicht,
daß sie das nächste Mal ganz Recht haben werden.

Noch ein französischer Prophet ist Crignon de Montfort, der schon vor
zweihundert Jahren voraussah, welche Ehren der jetzige Papst und die Jesuiten
der heiligen Jungfrau anzuthun gesonnen sein würden, und von dem uns ein
Abbe' Curieque in seinem 1872 zu Paris erschienenen „Voix xroxIMiHues"
berichtet. Es heißt da unter Anderm: „Maria trat während der Erscheinung
Jesu Christi fast gar nicht hervor, damit nicht die Menschen, noch wenig un¬
terrichtet und aufgeklärt über die Person ihres Sohnes, sich zu stark und
plump an sie attachirten wegen der wunderbaren Reize, welche der Allerhöchste
ihrem Aeußern verliehen hatte. Aber bei der Wiederkunft Christi muß Maria
bekannt und offenbar werden durch den heiligen Geist, damit wir durch sie
Jesum Christum kennen, lieben und ihm dienen lernen. Die Gründe, welche
den heiligen Geist bewogen haben, seine Braut während ihres Lebens zu ver¬
bergen und seit der Ankündigung des Evangeliums nur wenig zu entschleiern,
bestehen dann nicht mehr."

Zum Schluß dieses Abschnitts unsrer Betrachtung möge noch einer Si-
bylle der Jesuiten gedacht werden, deren Prophezeiung mit besonderm Eifer
auch im katholischen Deutschland herumgetragen zu werden scheint. Sie
weissagt von einer großen, dreitägigen Finsterniß, welche noch diesen Sommer
eintreten soll und uns folglich in den nächsten Tagen überfallen kann, von
einem ungewöhnlichen Sterben, welches zu gleicher Zeit unter den Feinden
der Kirche angehen wird, von dem wunderbaren Erscheinen aller zwölf Apostel
bei der nächsten Papstwahl u. d. in. Wir bemerken dazu nur, daß besagte
Sibylle die im Geruch der Heiligkeit verstorbene Maria Taigi ist, daß deren
Leben zuerst von einem französischen Jesuiten, dem Pater Bousster geschrieben
wurde, und daß ihre Prophetien das gegenwärtige Pontifieat regieren. Die
Taigi ist gewissermaßen die Pythia des jetzigen Papstes. Ihre Offenbarungen
beherrschen seine Anschauungen von der Zukunft und haben ihm neue Dogmen
geliefert.

Wir gehen nun zu einer andern Sorte jesuitischer Mirakel über, zu denen,
welche ein von der Gesellschaft Loyolas besonders empfohlenes Gebet in un¬
zähligen sorgfältig registrirten Fällen bewirkt hat. Wahrhaft köstliche Bei¬
spiele bringt hiervon der zu Innsbruck erscheinende „Sendbote des göttlichen
Herzens Jesu," eine Monatsschrift, die „mit Genehmigung der geistlichen


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[0175] Bis jetzt hat der Schluß jener Einsiedler-Prophezeiungen seine Erfüllung noch nicht gefunden. Alles ging bis zum Mai 1871 nach Wunsch: es sah ganz darnach aus, daß Paris der Erde gleich gemacht werden würde. Aber der Brand wurde gelöscht, und die Stadt steigt wie ein Phönix aus dem im¬ merhin mäßigen Aschenhaufen empor. Aber die frommen Seelen trösten sich. Sie hatten wenigstens beinahe Recht und leben der festen, freudigen Zuversicht, daß sie das nächste Mal ganz Recht haben werden. Noch ein französischer Prophet ist Crignon de Montfort, der schon vor zweihundert Jahren voraussah, welche Ehren der jetzige Papst und die Jesuiten der heiligen Jungfrau anzuthun gesonnen sein würden, und von dem uns ein Abbe' Curieque in seinem 1872 zu Paris erschienenen „Voix xroxIMiHues" berichtet. Es heißt da unter Anderm: „Maria trat während der Erscheinung Jesu Christi fast gar nicht hervor, damit nicht die Menschen, noch wenig un¬ terrichtet und aufgeklärt über die Person ihres Sohnes, sich zu stark und plump an sie attachirten wegen der wunderbaren Reize, welche der Allerhöchste ihrem Aeußern verliehen hatte. Aber bei der Wiederkunft Christi muß Maria bekannt und offenbar werden durch den heiligen Geist, damit wir durch sie Jesum Christum kennen, lieben und ihm dienen lernen. Die Gründe, welche den heiligen Geist bewogen haben, seine Braut während ihres Lebens zu ver¬ bergen und seit der Ankündigung des Evangeliums nur wenig zu entschleiern, bestehen dann nicht mehr." Zum Schluß dieses Abschnitts unsrer Betrachtung möge noch einer Si- bylle der Jesuiten gedacht werden, deren Prophezeiung mit besonderm Eifer auch im katholischen Deutschland herumgetragen zu werden scheint. Sie weissagt von einer großen, dreitägigen Finsterniß, welche noch diesen Sommer eintreten soll und uns folglich in den nächsten Tagen überfallen kann, von einem ungewöhnlichen Sterben, welches zu gleicher Zeit unter den Feinden der Kirche angehen wird, von dem wunderbaren Erscheinen aller zwölf Apostel bei der nächsten Papstwahl u. d. in. Wir bemerken dazu nur, daß besagte Sibylle die im Geruch der Heiligkeit verstorbene Maria Taigi ist, daß deren Leben zuerst von einem französischen Jesuiten, dem Pater Bousster geschrieben wurde, und daß ihre Prophetien das gegenwärtige Pontifieat regieren. Die Taigi ist gewissermaßen die Pythia des jetzigen Papstes. Ihre Offenbarungen beherrschen seine Anschauungen von der Zukunft und haben ihm neue Dogmen geliefert. Wir gehen nun zu einer andern Sorte jesuitischer Mirakel über, zu denen, welche ein von der Gesellschaft Loyolas besonders empfohlenes Gebet in un¬ zähligen sorgfältig registrirten Fällen bewirkt hat. Wahrhaft köstliche Bei¬ spiele bringt hiervon der zu Innsbruck erscheinende „Sendbote des göttlichen Herzens Jesu," eine Monatsschrift, die „mit Genehmigung der geistlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/175>, abgerufen am 25.08.2024.