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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Zustände Aegyptens vorführen: Land und Volk, Landwirthschaft
und Agrarverfassung, Regierung und Verwaltung, Finanzen.
Cultus und Justiz. Handel, Verkehr und Industrie; den Abschluß
bildet eine Geschichte des Suezkanals nebst einer Würdigung der Bedeutung
desselben für den Weltverkehr.

Der Abschnitt über "Land und Volk" erklärt zunächst die Ursachen der
Ungenauigkeiten in den vielfach von einander abweichenden Angaben über
die Gebietsausdehnung Aegyptens, indem er auf den Mangel einer Abgrenzung
der südlichen unter der ägyptischen Oberherrschaft stehenden Gebiete, sowie
auf die Unbestimmtheit der West grenzen gegen die Lybische Wüste hin¬
weist. Das eigentliche Aegypten erstreckt sich nach Süden bis zum ersten
Nilkatarakt zwischen Assuan und Philä, das ist bis 24" 5' N. B; die Ost¬
grenze bildet das Rothe Meer und die Linie von Suez nach EI Arisch, der
Grenzstation gegen Syrien. Der Flächeninhalt beträgt 360.000 in Kilometer --
10,171 in Meilen. Außerdem steht das Sud ahn unter der Herrschaft des
Khedive: das ist ganz Nubien, Senahr, Dongola, Taka, Fazoglu, Kordofahn,
die Provinzen des weißen Nils und Kartühm; ebenso das Gestade des Rothen
Meeres bis Mcissawa (13- 34'N. B.); letztere Gebiete in der Größe von
etwa 34,329 in Meilen. Der gesammte Culturboden des eigentlichen
Aegypten beträgt jedoch nur 334 >ü Meilen. Sehr bedeutend sind die Seen:
darunter der Mareotissee (Behäre el Maryut), 77,000 Hektaren groß, der
See von Abukir. der Edkossee. der Burlos, der Manzaleh-See (184,000 Hek¬
taren), der Timsachsee, Serbonische See und der See der Hörner: Kuruhn,
welcher irrthümlich bisher vielfach für den alten, inzwischen ausgetrockneten
Mörissee gehalten wurde. Die Bitterseen (Strabo's ?rtz^"5 ^"^v"") waren
schon zu Plinius Zeit fast ganz ausgetrocknet und sind erst seit Eröffnung
des Suezkanals wieder mit Wasser angefüllt worden.

Der Nil. die wichtigste Verkehrsader Aegyptens, sowie die Quelle der
Fruchtbarkeit des schönen Nilthals, hat eine (fast dem Amazonenstrom gleich¬
kommende) Stromentwickelung von 845 Meilen, wovon 720 schiffbar sind.
Wie die größten Herrscher des alten Aegypten der Vervollkommnung des
Canal- und Bewässerungs-Systems größte Sorgfalt widmeten, haben uns
schon Herodot und Strabo berichtet; in späterer Zeit folgten die Ptolemäer
und Römer diesem Beispiele. Im Mittelalter, namentlich unter den Mame-
luken-Beys trat dagegen der Verfall der Canäle. dieser Lebensadern Aegyptens,
sehr schnell ein, so daß über 400 in Meilen des herrlichsten Landes Sumpf
und Einöde wurden. Erst der energische Mehmet Ali ließ 1819 den Mah-
mudioh-Nilarm mit einem Aufwands von 7^ Million Francs herstellen,
wodurch Nlerandrien endlich wiederum die unentbehrliche directe Schifffahrts¬
verbindung mit dem Nil, Kairo und dem übrigen Aegypten erhielt. Ebenso


Zustände Aegyptens vorführen: Land und Volk, Landwirthschaft
und Agrarverfassung, Regierung und Verwaltung, Finanzen.
Cultus und Justiz. Handel, Verkehr und Industrie; den Abschluß
bildet eine Geschichte des Suezkanals nebst einer Würdigung der Bedeutung
desselben für den Weltverkehr.

Der Abschnitt über „Land und Volk" erklärt zunächst die Ursachen der
Ungenauigkeiten in den vielfach von einander abweichenden Angaben über
die Gebietsausdehnung Aegyptens, indem er auf den Mangel einer Abgrenzung
der südlichen unter der ägyptischen Oberherrschaft stehenden Gebiete, sowie
auf die Unbestimmtheit der West grenzen gegen die Lybische Wüste hin¬
weist. Das eigentliche Aegypten erstreckt sich nach Süden bis zum ersten
Nilkatarakt zwischen Assuan und Philä, das ist bis 24« 5' N. B; die Ost¬
grenze bildet das Rothe Meer und die Linie von Suez nach EI Arisch, der
Grenzstation gegen Syrien. Der Flächeninhalt beträgt 360.000 in Kilometer —
10,171 in Meilen. Außerdem steht das Sud ahn unter der Herrschaft des
Khedive: das ist ganz Nubien, Senahr, Dongola, Taka, Fazoglu, Kordofahn,
die Provinzen des weißen Nils und Kartühm; ebenso das Gestade des Rothen
Meeres bis Mcissawa (13- 34'N. B.); letztere Gebiete in der Größe von
etwa 34,329 in Meilen. Der gesammte Culturboden des eigentlichen
Aegypten beträgt jedoch nur 334 >ü Meilen. Sehr bedeutend sind die Seen:
darunter der Mareotissee (Behäre el Maryut), 77,000 Hektaren groß, der
See von Abukir. der Edkossee. der Burlos, der Manzaleh-See (184,000 Hek¬
taren), der Timsachsee, Serbonische See und der See der Hörner: Kuruhn,
welcher irrthümlich bisher vielfach für den alten, inzwischen ausgetrockneten
Mörissee gehalten wurde. Die Bitterseen (Strabo's ?rtz^«5 ^«^v«») waren
schon zu Plinius Zeit fast ganz ausgetrocknet und sind erst seit Eröffnung
des Suezkanals wieder mit Wasser angefüllt worden.

Der Nil. die wichtigste Verkehrsader Aegyptens, sowie die Quelle der
Fruchtbarkeit des schönen Nilthals, hat eine (fast dem Amazonenstrom gleich¬
kommende) Stromentwickelung von 845 Meilen, wovon 720 schiffbar sind.
Wie die größten Herrscher des alten Aegypten der Vervollkommnung des
Canal- und Bewässerungs-Systems größte Sorgfalt widmeten, haben uns
schon Herodot und Strabo berichtet; in späterer Zeit folgten die Ptolemäer
und Römer diesem Beispiele. Im Mittelalter, namentlich unter den Mame-
luken-Beys trat dagegen der Verfall der Canäle. dieser Lebensadern Aegyptens,
sehr schnell ein, so daß über 400 in Meilen des herrlichsten Landes Sumpf
und Einöde wurden. Erst der energische Mehmet Ali ließ 1819 den Mah-
mudioh-Nilarm mit einem Aufwands von 7^ Million Francs herstellen,
wodurch Nlerandrien endlich wiederum die unentbehrliche directe Schifffahrts¬
verbindung mit dem Nil, Kairo und dem übrigen Aegypten erhielt. Ebenso


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[0165] Zustände Aegyptens vorführen: Land und Volk, Landwirthschaft und Agrarverfassung, Regierung und Verwaltung, Finanzen. Cultus und Justiz. Handel, Verkehr und Industrie; den Abschluß bildet eine Geschichte des Suezkanals nebst einer Würdigung der Bedeutung desselben für den Weltverkehr. Der Abschnitt über „Land und Volk" erklärt zunächst die Ursachen der Ungenauigkeiten in den vielfach von einander abweichenden Angaben über die Gebietsausdehnung Aegyptens, indem er auf den Mangel einer Abgrenzung der südlichen unter der ägyptischen Oberherrschaft stehenden Gebiete, sowie auf die Unbestimmtheit der West grenzen gegen die Lybische Wüste hin¬ weist. Das eigentliche Aegypten erstreckt sich nach Süden bis zum ersten Nilkatarakt zwischen Assuan und Philä, das ist bis 24« 5' N. B; die Ost¬ grenze bildet das Rothe Meer und die Linie von Suez nach EI Arisch, der Grenzstation gegen Syrien. Der Flächeninhalt beträgt 360.000 in Kilometer — 10,171 in Meilen. Außerdem steht das Sud ahn unter der Herrschaft des Khedive: das ist ganz Nubien, Senahr, Dongola, Taka, Fazoglu, Kordofahn, die Provinzen des weißen Nils und Kartühm; ebenso das Gestade des Rothen Meeres bis Mcissawa (13- 34'N. B.); letztere Gebiete in der Größe von etwa 34,329 in Meilen. Der gesammte Culturboden des eigentlichen Aegypten beträgt jedoch nur 334 >ü Meilen. Sehr bedeutend sind die Seen: darunter der Mareotissee (Behäre el Maryut), 77,000 Hektaren groß, der See von Abukir. der Edkossee. der Burlos, der Manzaleh-See (184,000 Hek¬ taren), der Timsachsee, Serbonische See und der See der Hörner: Kuruhn, welcher irrthümlich bisher vielfach für den alten, inzwischen ausgetrockneten Mörissee gehalten wurde. Die Bitterseen (Strabo's ?rtz^«5 ^«^v«») waren schon zu Plinius Zeit fast ganz ausgetrocknet und sind erst seit Eröffnung des Suezkanals wieder mit Wasser angefüllt worden. Der Nil. die wichtigste Verkehrsader Aegyptens, sowie die Quelle der Fruchtbarkeit des schönen Nilthals, hat eine (fast dem Amazonenstrom gleich¬ kommende) Stromentwickelung von 845 Meilen, wovon 720 schiffbar sind. Wie die größten Herrscher des alten Aegypten der Vervollkommnung des Canal- und Bewässerungs-Systems größte Sorgfalt widmeten, haben uns schon Herodot und Strabo berichtet; in späterer Zeit folgten die Ptolemäer und Römer diesem Beispiele. Im Mittelalter, namentlich unter den Mame- luken-Beys trat dagegen der Verfall der Canäle. dieser Lebensadern Aegyptens, sehr schnell ein, so daß über 400 in Meilen des herrlichsten Landes Sumpf und Einöde wurden. Erst der energische Mehmet Ali ließ 1819 den Mah- mudioh-Nilarm mit einem Aufwands von 7^ Million Francs herstellen, wodurch Nlerandrien endlich wiederum die unentbehrliche directe Schifffahrts¬ verbindung mit dem Nil, Kairo und dem übrigen Aegypten erhielt. Ebenso

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/165>, abgerufen am 22.12.2024.