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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Brehm und Andere haben uns lebendige Bilder jener Wiege der Cultur vor¬
geführt. Was aber vor Allem Anlaß zu einem neuen Aufschwünge der
Forschungen über Aegypten gegeben hat, ist der Bau des Suez-Canals
gewesen, welcher zuerst den Keil in die geschlossene Phalanx der islamitischen
Dunkelheit getrieben hat und vielleicht eine neue Aera der Cultur auf den
klassischen Gefilden inauguriren wird, welche das Athen und Rom des Alter¬
thums mit ihrem Leben genährt und erfüllt haben.

Heinrich Stephan, der Verfasser des -- neben Abouts und Ebees
romanartig eingekleideten Aegyptischen Schilderungen -- neuesten Werkes
über das "heutige" Aegypten sagt mit Recht in dem Vorwort seines
Buches, daß die Werke aller jener Forscher und gelehrter Reisender, deren
Namen wir oben genannt haben, über die politischen und socialen Ver¬
hältnisse Aegyptens nur fragmentarische Notizen enthalten, aus denen
sich kein Gesammtbild der Zustände dieses Landes ergiebt. Ein günstiges
Geschick, das ebenso, wie es den Neigungen des Verfassers, der Sehnsucht nach
den erhabenen Monumenten einer längst entschwundenen Zeit, entgegenkam,
ihn in den Stand setzte, tiefere Einblicke in die Verfassung, Verwaltung und
Culturentwickelung des Landes zu erlangen, als viele andere Reisende, hat
ihm gelegentlich der Eröffnung des Suez-Canals, welcher er auf Einladung
des Khedive im Herbst 1869 beiwohnte, die Feder in die Hand gegeben, um
jene längst fühlbar gewordene Lücke in der Kenntniß des afrikanischen Italiens,
des aufstrebenden Nillandes, auszufüllen. Der Ernst und die Gewissenhaftig¬
keit in der Forschung, der Standpunkt des Verfassers, welcher durch tiefe, ge¬
schichtlich-pragmatische Auffassung und durch künstlerisch sicheren Blick hervor¬
ragt, die vollkommene Unabhängigkeit und der männliche Freimuth im Urtheil,
endlich die nicht blos durch das Gewicht der Wahrheit, sondern auch durch
den Schimmer des poetischen Gewandes ausgezeichnete Darstellung sichern dem
unter solchen Auspicien entstandenen Buche Stephan's, der für dasselbe nur
die eng gegriffene Bezeichnung eines "Abrisses" beansprucht und in seinem Vor¬
wort die volle Würdigung der Aegyptischen Verhältnisse "einer befähigteren
und vollständiger unterrichteten Feder" anheimgiebt, einen bleibenden Werth.
Wir unsrerseits glauben, daß der Verfasser selbst am besten dazu geeignet sein
möchte, diese von ihm angedeutete weitergehende Aufgabe zu erfüllen, und
wollen unsre Leser durch Mittheilung einer kurzen Uebersicht über den reichen
Inhalt des Werks in den Stand setzen, diesem Urtheile sich anzuschließen.

Das genannte Werk, welches von einem monumental anschaulichen Vor¬
wort über die Bedeutung. Geschichte und Cultur des Pharaonenlandes sowie
von einer übersichtlichen Mittheilung des reichen Quellenmaterials, das dem
Verfasser zu Gebote stand, eingeleitet wird, zerfällt in sieben Abschnitte,
welche in zweckmäßiger Gliederung folgende Momente zur Beurtheilung der


Brehm und Andere haben uns lebendige Bilder jener Wiege der Cultur vor¬
geführt. Was aber vor Allem Anlaß zu einem neuen Aufschwünge der
Forschungen über Aegypten gegeben hat, ist der Bau des Suez-Canals
gewesen, welcher zuerst den Keil in die geschlossene Phalanx der islamitischen
Dunkelheit getrieben hat und vielleicht eine neue Aera der Cultur auf den
klassischen Gefilden inauguriren wird, welche das Athen und Rom des Alter¬
thums mit ihrem Leben genährt und erfüllt haben.

Heinrich Stephan, der Verfasser des — neben Abouts und Ebees
romanartig eingekleideten Aegyptischen Schilderungen — neuesten Werkes
über das „heutige" Aegypten sagt mit Recht in dem Vorwort seines
Buches, daß die Werke aller jener Forscher und gelehrter Reisender, deren
Namen wir oben genannt haben, über die politischen und socialen Ver¬
hältnisse Aegyptens nur fragmentarische Notizen enthalten, aus denen
sich kein Gesammtbild der Zustände dieses Landes ergiebt. Ein günstiges
Geschick, das ebenso, wie es den Neigungen des Verfassers, der Sehnsucht nach
den erhabenen Monumenten einer längst entschwundenen Zeit, entgegenkam,
ihn in den Stand setzte, tiefere Einblicke in die Verfassung, Verwaltung und
Culturentwickelung des Landes zu erlangen, als viele andere Reisende, hat
ihm gelegentlich der Eröffnung des Suez-Canals, welcher er auf Einladung
des Khedive im Herbst 1869 beiwohnte, die Feder in die Hand gegeben, um
jene längst fühlbar gewordene Lücke in der Kenntniß des afrikanischen Italiens,
des aufstrebenden Nillandes, auszufüllen. Der Ernst und die Gewissenhaftig¬
keit in der Forschung, der Standpunkt des Verfassers, welcher durch tiefe, ge¬
schichtlich-pragmatische Auffassung und durch künstlerisch sicheren Blick hervor¬
ragt, die vollkommene Unabhängigkeit und der männliche Freimuth im Urtheil,
endlich die nicht blos durch das Gewicht der Wahrheit, sondern auch durch
den Schimmer des poetischen Gewandes ausgezeichnete Darstellung sichern dem
unter solchen Auspicien entstandenen Buche Stephan's, der für dasselbe nur
die eng gegriffene Bezeichnung eines „Abrisses" beansprucht und in seinem Vor¬
wort die volle Würdigung der Aegyptischen Verhältnisse „einer befähigteren
und vollständiger unterrichteten Feder" anheimgiebt, einen bleibenden Werth.
Wir unsrerseits glauben, daß der Verfasser selbst am besten dazu geeignet sein
möchte, diese von ihm angedeutete weitergehende Aufgabe zu erfüllen, und
wollen unsre Leser durch Mittheilung einer kurzen Uebersicht über den reichen
Inhalt des Werks in den Stand setzen, diesem Urtheile sich anzuschließen.

Das genannte Werk, welches von einem monumental anschaulichen Vor¬
wort über die Bedeutung. Geschichte und Cultur des Pharaonenlandes sowie
von einer übersichtlichen Mittheilung des reichen Quellenmaterials, das dem
Verfasser zu Gebote stand, eingeleitet wird, zerfällt in sieben Abschnitte,
welche in zweckmäßiger Gliederung folgende Momente zur Beurtheilung der


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[0164] Brehm und Andere haben uns lebendige Bilder jener Wiege der Cultur vor¬ geführt. Was aber vor Allem Anlaß zu einem neuen Aufschwünge der Forschungen über Aegypten gegeben hat, ist der Bau des Suez-Canals gewesen, welcher zuerst den Keil in die geschlossene Phalanx der islamitischen Dunkelheit getrieben hat und vielleicht eine neue Aera der Cultur auf den klassischen Gefilden inauguriren wird, welche das Athen und Rom des Alter¬ thums mit ihrem Leben genährt und erfüllt haben. Heinrich Stephan, der Verfasser des — neben Abouts und Ebees romanartig eingekleideten Aegyptischen Schilderungen — neuesten Werkes über das „heutige" Aegypten sagt mit Recht in dem Vorwort seines Buches, daß die Werke aller jener Forscher und gelehrter Reisender, deren Namen wir oben genannt haben, über die politischen und socialen Ver¬ hältnisse Aegyptens nur fragmentarische Notizen enthalten, aus denen sich kein Gesammtbild der Zustände dieses Landes ergiebt. Ein günstiges Geschick, das ebenso, wie es den Neigungen des Verfassers, der Sehnsucht nach den erhabenen Monumenten einer längst entschwundenen Zeit, entgegenkam, ihn in den Stand setzte, tiefere Einblicke in die Verfassung, Verwaltung und Culturentwickelung des Landes zu erlangen, als viele andere Reisende, hat ihm gelegentlich der Eröffnung des Suez-Canals, welcher er auf Einladung des Khedive im Herbst 1869 beiwohnte, die Feder in die Hand gegeben, um jene längst fühlbar gewordene Lücke in der Kenntniß des afrikanischen Italiens, des aufstrebenden Nillandes, auszufüllen. Der Ernst und die Gewissenhaftig¬ keit in der Forschung, der Standpunkt des Verfassers, welcher durch tiefe, ge¬ schichtlich-pragmatische Auffassung und durch künstlerisch sicheren Blick hervor¬ ragt, die vollkommene Unabhängigkeit und der männliche Freimuth im Urtheil, endlich die nicht blos durch das Gewicht der Wahrheit, sondern auch durch den Schimmer des poetischen Gewandes ausgezeichnete Darstellung sichern dem unter solchen Auspicien entstandenen Buche Stephan's, der für dasselbe nur die eng gegriffene Bezeichnung eines „Abrisses" beansprucht und in seinem Vor¬ wort die volle Würdigung der Aegyptischen Verhältnisse „einer befähigteren und vollständiger unterrichteten Feder" anheimgiebt, einen bleibenden Werth. Wir unsrerseits glauben, daß der Verfasser selbst am besten dazu geeignet sein möchte, diese von ihm angedeutete weitergehende Aufgabe zu erfüllen, und wollen unsre Leser durch Mittheilung einer kurzen Uebersicht über den reichen Inhalt des Werks in den Stand setzen, diesem Urtheile sich anzuschließen. Das genannte Werk, welches von einem monumental anschaulichen Vor¬ wort über die Bedeutung. Geschichte und Cultur des Pharaonenlandes sowie von einer übersichtlichen Mittheilung des reichen Quellenmaterials, das dem Verfasser zu Gebote stand, eingeleitet wird, zerfällt in sieben Abschnitte, welche in zweckmäßiger Gliederung folgende Momente zur Beurtheilung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/164>, abgerufen am 03.07.2024.