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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Ile Kunstausstellung im pariser Industriepatast und die
Industrieausstellung in Lyon.

Die Kunstausstellung ist dieses Jahr besser als die vorhergegangenen,
schon deswegen weil es voriges Jahr keine gegeben hat.

Ich habe das Vergnügen Herrn Corot, den Stifter der sogenanten histori¬
schen Schule in der Landschaft persönlich zu kennen. Er sagte einst zu
mir: "Die Aufgabe der Malerei ist doch nicht, das Portrait eines Baumes
zu machen." Es würde zu weit führen, uns hierüber in Streitigkeiten einzu¬
lassen, besonders da etwas Wahrheit in dem neuen Standpunkte liegen mag.
Die Natur zu verschönern ist eine ziemlich undankbare Aufgabe für die Kunst,
welcher es schon so schwer fällt dieselbe in ihrer Pracht und Mannigfaltigkeit
treu wiederzugeben. Rembrandt, der bis jetzt als ein großer Zauberer in Be¬
treff der Lichteffecte gilt, erklärte sich außer Stande die Sonne darzustellen. Als
ich einst vor Gerome's Bild, dem Empfang der Siamesischen Gesandten stand,
und meine Verwunderung darüber, daß alle Hofdamen dasselbe Colorit zeigten,
einem hinter mir stehenden Ritter der Ehrenlegion ausdrückte, antwortete er
mir: -- Bei einem officiellen Empfang müssen alle Hofdamen dieselbe Gesichts¬
farbe haben. Mein Erstaunen wurde durch diese platte Antwort natürlich
nicht geringer, denn das Licht kann doch kein Despot von seinem Hofe in dem
Maße verbannen, daß die Maler gegen seine Gesetze sündigen dürften und
ich erinnerte mich unwillkürlich des schönen Gemäldes Rembrandt's. wo
Christus aus der Straße predigt und ein jeder Zuhörer in verschiedene Be¬
leuchtung gestellt ist.

Da wir die Natur weder verschönern noch treu nachbilden können, wollen
die Franzosen sie umgestalten, sie wollen haben, daß ihre Bilder den Beschauer
träumen lassen. Und da sie Geschmack und Geist haben, erreichen sie diesen
Zweck sehr oft ausreichend. Eine weite Aussicht, ein sich verlierender Horizont,
sanfte Striche, welche Bäume und Hütten andeuten, erlauben dem Beschauer
sich das Fehlende in das Bild hineinzudenken. Jnsoferne können wir das
Verdienst der sogenannten historischen Schule nicht verleugnen. Die Bäume
von Curbet sind auch keine Natur, sondern ein Traum. Herr Curbet ist dieß
Jahr zur Ausstellung gar nicht zugelassen worden, nicht deßwegen weil er im
Gefängniß oder Krankenhause saß, oder seiner politischen Meinungen wegen über¬
haupt, sondern weil er ein gar zu leichtes oder nacktes Bild eingereicht hatte.

An den Kriegsbildern ist die Ausstellung bei Weitem nicht so reich, wie
ihre Vorgänger gewesen sind. Papa Thiers steht im Hauptsaale in seiner
ganzen kleinen Größe da und das Portrait ist an sich sehr schön.

"Lxemxt", "Hors concours" trifft man aus vielen schönen Gemälden.
Herr Tessier gehört zu diesen und seine Nachahmungen von mittelalterlichen


Ile Kunstausstellung im pariser Industriepatast und die
Industrieausstellung in Lyon.

Die Kunstausstellung ist dieses Jahr besser als die vorhergegangenen,
schon deswegen weil es voriges Jahr keine gegeben hat.

Ich habe das Vergnügen Herrn Corot, den Stifter der sogenanten histori¬
schen Schule in der Landschaft persönlich zu kennen. Er sagte einst zu
mir: „Die Aufgabe der Malerei ist doch nicht, das Portrait eines Baumes
zu machen." Es würde zu weit führen, uns hierüber in Streitigkeiten einzu¬
lassen, besonders da etwas Wahrheit in dem neuen Standpunkte liegen mag.
Die Natur zu verschönern ist eine ziemlich undankbare Aufgabe für die Kunst,
welcher es schon so schwer fällt dieselbe in ihrer Pracht und Mannigfaltigkeit
treu wiederzugeben. Rembrandt, der bis jetzt als ein großer Zauberer in Be¬
treff der Lichteffecte gilt, erklärte sich außer Stande die Sonne darzustellen. Als
ich einst vor Gerome's Bild, dem Empfang der Siamesischen Gesandten stand,
und meine Verwunderung darüber, daß alle Hofdamen dasselbe Colorit zeigten,
einem hinter mir stehenden Ritter der Ehrenlegion ausdrückte, antwortete er
mir: — Bei einem officiellen Empfang müssen alle Hofdamen dieselbe Gesichts¬
farbe haben. Mein Erstaunen wurde durch diese platte Antwort natürlich
nicht geringer, denn das Licht kann doch kein Despot von seinem Hofe in dem
Maße verbannen, daß die Maler gegen seine Gesetze sündigen dürften und
ich erinnerte mich unwillkürlich des schönen Gemäldes Rembrandt's. wo
Christus aus der Straße predigt und ein jeder Zuhörer in verschiedene Be¬
leuchtung gestellt ist.

Da wir die Natur weder verschönern noch treu nachbilden können, wollen
die Franzosen sie umgestalten, sie wollen haben, daß ihre Bilder den Beschauer
träumen lassen. Und da sie Geschmack und Geist haben, erreichen sie diesen
Zweck sehr oft ausreichend. Eine weite Aussicht, ein sich verlierender Horizont,
sanfte Striche, welche Bäume und Hütten andeuten, erlauben dem Beschauer
sich das Fehlende in das Bild hineinzudenken. Jnsoferne können wir das
Verdienst der sogenannten historischen Schule nicht verleugnen. Die Bäume
von Curbet sind auch keine Natur, sondern ein Traum. Herr Curbet ist dieß
Jahr zur Ausstellung gar nicht zugelassen worden, nicht deßwegen weil er im
Gefängniß oder Krankenhause saß, oder seiner politischen Meinungen wegen über¬
haupt, sondern weil er ein gar zu leichtes oder nacktes Bild eingereicht hatte.

An den Kriegsbildern ist die Ausstellung bei Weitem nicht so reich, wie
ihre Vorgänger gewesen sind. Papa Thiers steht im Hauptsaale in seiner
ganzen kleinen Größe da und das Portrait ist an sich sehr schön.

„Lxemxt", „Hors concours« trifft man aus vielen schönen Gemälden.
Herr Tessier gehört zu diesen und seine Nachahmungen von mittelalterlichen


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[0160] Ile Kunstausstellung im pariser Industriepatast und die Industrieausstellung in Lyon. Die Kunstausstellung ist dieses Jahr besser als die vorhergegangenen, schon deswegen weil es voriges Jahr keine gegeben hat. Ich habe das Vergnügen Herrn Corot, den Stifter der sogenanten histori¬ schen Schule in der Landschaft persönlich zu kennen. Er sagte einst zu mir: „Die Aufgabe der Malerei ist doch nicht, das Portrait eines Baumes zu machen." Es würde zu weit führen, uns hierüber in Streitigkeiten einzu¬ lassen, besonders da etwas Wahrheit in dem neuen Standpunkte liegen mag. Die Natur zu verschönern ist eine ziemlich undankbare Aufgabe für die Kunst, welcher es schon so schwer fällt dieselbe in ihrer Pracht und Mannigfaltigkeit treu wiederzugeben. Rembrandt, der bis jetzt als ein großer Zauberer in Be¬ treff der Lichteffecte gilt, erklärte sich außer Stande die Sonne darzustellen. Als ich einst vor Gerome's Bild, dem Empfang der Siamesischen Gesandten stand, und meine Verwunderung darüber, daß alle Hofdamen dasselbe Colorit zeigten, einem hinter mir stehenden Ritter der Ehrenlegion ausdrückte, antwortete er mir: — Bei einem officiellen Empfang müssen alle Hofdamen dieselbe Gesichts¬ farbe haben. Mein Erstaunen wurde durch diese platte Antwort natürlich nicht geringer, denn das Licht kann doch kein Despot von seinem Hofe in dem Maße verbannen, daß die Maler gegen seine Gesetze sündigen dürften und ich erinnerte mich unwillkürlich des schönen Gemäldes Rembrandt's. wo Christus aus der Straße predigt und ein jeder Zuhörer in verschiedene Be¬ leuchtung gestellt ist. Da wir die Natur weder verschönern noch treu nachbilden können, wollen die Franzosen sie umgestalten, sie wollen haben, daß ihre Bilder den Beschauer träumen lassen. Und da sie Geschmack und Geist haben, erreichen sie diesen Zweck sehr oft ausreichend. Eine weite Aussicht, ein sich verlierender Horizont, sanfte Striche, welche Bäume und Hütten andeuten, erlauben dem Beschauer sich das Fehlende in das Bild hineinzudenken. Jnsoferne können wir das Verdienst der sogenannten historischen Schule nicht verleugnen. Die Bäume von Curbet sind auch keine Natur, sondern ein Traum. Herr Curbet ist dieß Jahr zur Ausstellung gar nicht zugelassen worden, nicht deßwegen weil er im Gefängniß oder Krankenhause saß, oder seiner politischen Meinungen wegen über¬ haupt, sondern weil er ein gar zu leichtes oder nacktes Bild eingereicht hatte. An den Kriegsbildern ist die Ausstellung bei Weitem nicht so reich, wie ihre Vorgänger gewesen sind. Papa Thiers steht im Hauptsaale in seiner ganzen kleinen Größe da und das Portrait ist an sich sehr schön. „Lxemxt", „Hors concours« trifft man aus vielen schönen Gemälden. Herr Tessier gehört zu diesen und seine Nachahmungen von mittelalterlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/160>, abgerufen am 22.12.2024.