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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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auch sehr magnifique und brachte dabei durch seinen artigen luimeur und
schöne deutsche Sprache uns viel Kurzweil. Von Oranienbaum gingen wir
weiter aufMelan, Ragune, Boblee, Holzweißig, Dölitsch. selbes
ist eine artige fürstliche Merseburg'sche Stadt mit einer Mauer und Graben
umgeben, treibet gute Handlung. Das dasige Bier, Kuhschwanz genannt, ist
von gutem Abgang.

Bon da kamen wir gen Leipzig. Dieses ist eine sehr schöne, nicht allzu¬
große, aber doch reiche Kauf- und Handelsstadt, ist nicht allzufeste und wohl¬
verwahret, könnte aber wohl fester gemacht werden. Daselbst find schöne
Höfe und prächtige Häuser fast durchgehend^ sonderlich aber am Markte, all-
wo große Kaufmannschaft getrieben wird; absonderlich in den drei berühmten
Messen, als Neujahr, Ostern und Michaeli. Wir hatten das Glück, daß Jhro
königliche Majestät von Polen anwesend war, der in Herrn Appels Hause
logiret war. Die Universität, welche anno 1409 vom Churfürst Friderico zu
Sachsen angeleget worden, als die Prager beim Hussitenkriege zerschlagen
wurde, und an einem Tag bei die 2000 Studenten von Prag zu Leipzig an¬
gekommen, blühet bis diesen Tag, und ist eine der stärksten in Deutschland,
besonders vor die Juristen. Sie hat vortreffliche Privilegien, bestehet in vier
Nationen: Sachsen, Meißnern, Bayern und Polen. Es sind 22 Professors
da, so schöne Salaria haben. Vor den Thoren sind schöne Gartens, darunter
der Bösen'sche und Oppel'sche die besten sind. Das Schloß oder Vestung
Pleißenburg lieget an einer Ecken der Stadt und ist darin ein fester weißer
Thurm. Sonsten ist in Leipzig eine scharfe Accise, sie Visitiren Einen sehr
genau. Nachdem wir unsere nöthigen Waaren eingekauft und selbige versandt
hatten, so bestelleten wir vor uns im Posthaus eine Extrapost, und fuhren
nach einem guten Mittagsmahl wieder von Leipzig ab nach Berlin. Alle
vier Meilen hatten wir frische Pferde und Wagen. Der erste Ort, da wir
auf zu kamen, war Duden, vier Meilen. selbes ist ein artig Städtchen,
hat aber kürzlich durch Brandschäden gelitten. Nahe an Duden, nach Wit-
tenberg zu, kommt man durch den großen Wald, in welchem sich die Schweden
mit dem Churfürsten von Sachsen aimv 1631 conjungiret und aus die Kai¬
serlichen losgegangen.

Wir fuhren wohl zwei Stunden, ehe wir hindurch gekommen- Es haben
sich vor diesem wohl Straßenräuber darin ausgehalten. Wir hatten einen
lustigen Fuhrmann, der brachte uns bei dem allmäligen starken Regen und
in stockfinsterer Nacht im düstern Walde noch manchmal zum Lachen. Hernach
kommt man durch Kemberg, von welchem Ort bis an die Elbe der Weg
sehr sumpfig ist, so daß er stets mit Hölzern muß beleget werden und daher aus
Scherz der hölzerne Steinweg genennet wird. Ueber die Elbe muß man sich
auf Prahu nach Wittenberg übersetzen lassen, die Haupt- und Residenzstadt


auch sehr magnifique und brachte dabei durch seinen artigen luimeur und
schöne deutsche Sprache uns viel Kurzweil. Von Oranienbaum gingen wir
weiter aufMelan, Ragune, Boblee, Holzweißig, Dölitsch. selbes
ist eine artige fürstliche Merseburg'sche Stadt mit einer Mauer und Graben
umgeben, treibet gute Handlung. Das dasige Bier, Kuhschwanz genannt, ist
von gutem Abgang.

Bon da kamen wir gen Leipzig. Dieses ist eine sehr schöne, nicht allzu¬
große, aber doch reiche Kauf- und Handelsstadt, ist nicht allzufeste und wohl¬
verwahret, könnte aber wohl fester gemacht werden. Daselbst find schöne
Höfe und prächtige Häuser fast durchgehend^ sonderlich aber am Markte, all-
wo große Kaufmannschaft getrieben wird; absonderlich in den drei berühmten
Messen, als Neujahr, Ostern und Michaeli. Wir hatten das Glück, daß Jhro
königliche Majestät von Polen anwesend war, der in Herrn Appels Hause
logiret war. Die Universität, welche anno 1409 vom Churfürst Friderico zu
Sachsen angeleget worden, als die Prager beim Hussitenkriege zerschlagen
wurde, und an einem Tag bei die 2000 Studenten von Prag zu Leipzig an¬
gekommen, blühet bis diesen Tag, und ist eine der stärksten in Deutschland,
besonders vor die Juristen. Sie hat vortreffliche Privilegien, bestehet in vier
Nationen: Sachsen, Meißnern, Bayern und Polen. Es sind 22 Professors
da, so schöne Salaria haben. Vor den Thoren sind schöne Gartens, darunter
der Bösen'sche und Oppel'sche die besten sind. Das Schloß oder Vestung
Pleißenburg lieget an einer Ecken der Stadt und ist darin ein fester weißer
Thurm. Sonsten ist in Leipzig eine scharfe Accise, sie Visitiren Einen sehr
genau. Nachdem wir unsere nöthigen Waaren eingekauft und selbige versandt
hatten, so bestelleten wir vor uns im Posthaus eine Extrapost, und fuhren
nach einem guten Mittagsmahl wieder von Leipzig ab nach Berlin. Alle
vier Meilen hatten wir frische Pferde und Wagen. Der erste Ort, da wir
auf zu kamen, war Duden, vier Meilen. selbes ist ein artig Städtchen,
hat aber kürzlich durch Brandschäden gelitten. Nahe an Duden, nach Wit-
tenberg zu, kommt man durch den großen Wald, in welchem sich die Schweden
mit dem Churfürsten von Sachsen aimv 1631 conjungiret und aus die Kai¬
serlichen losgegangen.

Wir fuhren wohl zwei Stunden, ehe wir hindurch gekommen- Es haben
sich vor diesem wohl Straßenräuber darin ausgehalten. Wir hatten einen
lustigen Fuhrmann, der brachte uns bei dem allmäligen starken Regen und
in stockfinsterer Nacht im düstern Walde noch manchmal zum Lachen. Hernach
kommt man durch Kemberg, von welchem Ort bis an die Elbe der Weg
sehr sumpfig ist, so daß er stets mit Hölzern muß beleget werden und daher aus
Scherz der hölzerne Steinweg genennet wird. Ueber die Elbe muß man sich
auf Prahu nach Wittenberg übersetzen lassen, die Haupt- und Residenzstadt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/154>, abgerufen am 22.12.2024.