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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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bei der köstlichen Mahlzeit so Herr Cousin Lambart selbigen Mittag vorher
Herrn Kammerrath und anderen vornehmen Leuten gegeben.

Den 2. Oktober gingen wir mit dem Herrn Cousin Schubart nicht weit
von Dessau mit einem Prahu über die Elbe, denn an der fliegenden Schiff¬
brücke war ein Schaden. Von der Elbe bis an die Milda ist ein Damm
gemachet, an dessen beiden Seiten schöne fruchtbare Obstbäume gepflanzet,
daran sich aber Niemand vergreifen darf. Nicht weit von der Mildau ist
eine doppelte Allee mit vier Reihen Bäumen bis Dessau. Dieses ist eine
nicht zu große doch lustige und wohlgebaute Stadt an der Milda gelegen
und hat ein zwar schönes doch altes Schloß. Die Gemächer sind mit großen
Spiegeln, Porcellain, Gemälden und anderen Zierrathen bedecket, daß es wohl
anzusehen. Nächst dem Schloß stehen galante Häuser. Das Wahrzeichen des
Schlosses ist der Schwibbogen beim Wachthaus, wobei zu observiren, daß,
wenn Einer an der andern Seite stehet und sanft redet, so kann es der Andere
an der andern hören, der aber in der Mitten stehet, kann nichts davon
verstehen.

Daß Schloß hat einen angenehmen Prospect nach Oranienbaum, wie
auch auf die vorüberfließende Milda und die daran liegenden Wassermühlen.
Der Thiergarten, sehr groß, ist nahe an der Stadt, darin sich sehr viel Wild
aufhält. Allhier residiren Leopoldus, geboren 1676, weil er aber den Krieg
liebet, hat er sich in diesem Kriege wenig allda aufgehalten. Er hat seinen
heldenmäßigen Muth in unterschiedlichen niederländischen und oberrheinischen
Feldzügen, wie auch noch dieses Jahr in Italien sehen lassen.

Dero Frau Mutter ist Henriette Catharine, Tochter Prinz Fried. Henriei
von Oranien, welche auf dem Leibgedinge restdirt, dem Schlosse zu Oranien¬
baum. Selbiges lieget zwei Meilen von Dessau. Man fähret continuirlich
in einem lustigen Walde. Es ist sonst der Aufenthalt der fürstlichen Wittwen,
mit schönen Gemächern, Cabinetten, darin allerhand Kostbarkeiten von Ge¬
mälden von dem ganzen oranischen Stamm, von Spiegels, Tapeten, sonderlich
aber das Porcellangemach, darin eine solche Menge Porcellain, daß in
vielen indianischen Kaufladen so viel nicht gesehen wird. Hinter dem Schloß
ist der fürstliche Garten, darinnen allerhand Statuen, künstliche Wasserwerke
und Fontainen; der Fasanengarten, Hühner-und Taubenhaus, die Orangerie,
der Kraut- und Küchengarten und dergleichen viele mehr. Wenn gespeiset
wird, kann Niemand auf dem Schloß aus- und einkommen. Der Herr Cousin
Schubart hatte uns an den Haushofmeister Fernau recommandiret, welcher
vor diesem fürstlicher Bedienter in Zerbst gewesen und von Geburt ein Fran¬
zose, von Natur ein Deutscher ist. Selber erwies uns alle Höflichkeit; er
machte, daß wir nicht nur allerlei zu sehen bekamen, sondern tractirte uns


Grenzboten til. 1872. ig

bei der köstlichen Mahlzeit so Herr Cousin Lambart selbigen Mittag vorher
Herrn Kammerrath und anderen vornehmen Leuten gegeben.

Den 2. Oktober gingen wir mit dem Herrn Cousin Schubart nicht weit
von Dessau mit einem Prahu über die Elbe, denn an der fliegenden Schiff¬
brücke war ein Schaden. Von der Elbe bis an die Milda ist ein Damm
gemachet, an dessen beiden Seiten schöne fruchtbare Obstbäume gepflanzet,
daran sich aber Niemand vergreifen darf. Nicht weit von der Mildau ist
eine doppelte Allee mit vier Reihen Bäumen bis Dessau. Dieses ist eine
nicht zu große doch lustige und wohlgebaute Stadt an der Milda gelegen
und hat ein zwar schönes doch altes Schloß. Die Gemächer sind mit großen
Spiegeln, Porcellain, Gemälden und anderen Zierrathen bedecket, daß es wohl
anzusehen. Nächst dem Schloß stehen galante Häuser. Das Wahrzeichen des
Schlosses ist der Schwibbogen beim Wachthaus, wobei zu observiren, daß,
wenn Einer an der andern Seite stehet und sanft redet, so kann es der Andere
an der andern hören, der aber in der Mitten stehet, kann nichts davon
verstehen.

Daß Schloß hat einen angenehmen Prospect nach Oranienbaum, wie
auch auf die vorüberfließende Milda und die daran liegenden Wassermühlen.
Der Thiergarten, sehr groß, ist nahe an der Stadt, darin sich sehr viel Wild
aufhält. Allhier residiren Leopoldus, geboren 1676, weil er aber den Krieg
liebet, hat er sich in diesem Kriege wenig allda aufgehalten. Er hat seinen
heldenmäßigen Muth in unterschiedlichen niederländischen und oberrheinischen
Feldzügen, wie auch noch dieses Jahr in Italien sehen lassen.

Dero Frau Mutter ist Henriette Catharine, Tochter Prinz Fried. Henriei
von Oranien, welche auf dem Leibgedinge restdirt, dem Schlosse zu Oranien¬
baum. Selbiges lieget zwei Meilen von Dessau. Man fähret continuirlich
in einem lustigen Walde. Es ist sonst der Aufenthalt der fürstlichen Wittwen,
mit schönen Gemächern, Cabinetten, darin allerhand Kostbarkeiten von Ge¬
mälden von dem ganzen oranischen Stamm, von Spiegels, Tapeten, sonderlich
aber das Porcellangemach, darin eine solche Menge Porcellain, daß in
vielen indianischen Kaufladen so viel nicht gesehen wird. Hinter dem Schloß
ist der fürstliche Garten, darinnen allerhand Statuen, künstliche Wasserwerke
und Fontainen; der Fasanengarten, Hühner-und Taubenhaus, die Orangerie,
der Kraut- und Küchengarten und dergleichen viele mehr. Wenn gespeiset
wird, kann Niemand auf dem Schloß aus- und einkommen. Der Herr Cousin
Schubart hatte uns an den Haushofmeister Fernau recommandiret, welcher
vor diesem fürstlicher Bedienter in Zerbst gewesen und von Geburt ein Fran¬
zose, von Natur ein Deutscher ist. Selber erwies uns alle Höflichkeit; er
machte, daß wir nicht nur allerlei zu sehen bekamen, sondern tractirte uns


Grenzboten til. 1872. ig
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[0153] bei der köstlichen Mahlzeit so Herr Cousin Lambart selbigen Mittag vorher Herrn Kammerrath und anderen vornehmen Leuten gegeben. Den 2. Oktober gingen wir mit dem Herrn Cousin Schubart nicht weit von Dessau mit einem Prahu über die Elbe, denn an der fliegenden Schiff¬ brücke war ein Schaden. Von der Elbe bis an die Milda ist ein Damm gemachet, an dessen beiden Seiten schöne fruchtbare Obstbäume gepflanzet, daran sich aber Niemand vergreifen darf. Nicht weit von der Mildau ist eine doppelte Allee mit vier Reihen Bäumen bis Dessau. Dieses ist eine nicht zu große doch lustige und wohlgebaute Stadt an der Milda gelegen und hat ein zwar schönes doch altes Schloß. Die Gemächer sind mit großen Spiegeln, Porcellain, Gemälden und anderen Zierrathen bedecket, daß es wohl anzusehen. Nächst dem Schloß stehen galante Häuser. Das Wahrzeichen des Schlosses ist der Schwibbogen beim Wachthaus, wobei zu observiren, daß, wenn Einer an der andern Seite stehet und sanft redet, so kann es der Andere an der andern hören, der aber in der Mitten stehet, kann nichts davon verstehen. Daß Schloß hat einen angenehmen Prospect nach Oranienbaum, wie auch auf die vorüberfließende Milda und die daran liegenden Wassermühlen. Der Thiergarten, sehr groß, ist nahe an der Stadt, darin sich sehr viel Wild aufhält. Allhier residiren Leopoldus, geboren 1676, weil er aber den Krieg liebet, hat er sich in diesem Kriege wenig allda aufgehalten. Er hat seinen heldenmäßigen Muth in unterschiedlichen niederländischen und oberrheinischen Feldzügen, wie auch noch dieses Jahr in Italien sehen lassen. Dero Frau Mutter ist Henriette Catharine, Tochter Prinz Fried. Henriei von Oranien, welche auf dem Leibgedinge restdirt, dem Schlosse zu Oranien¬ baum. Selbiges lieget zwei Meilen von Dessau. Man fähret continuirlich in einem lustigen Walde. Es ist sonst der Aufenthalt der fürstlichen Wittwen, mit schönen Gemächern, Cabinetten, darin allerhand Kostbarkeiten von Ge¬ mälden von dem ganzen oranischen Stamm, von Spiegels, Tapeten, sonderlich aber das Porcellangemach, darin eine solche Menge Porcellain, daß in vielen indianischen Kaufladen so viel nicht gesehen wird. Hinter dem Schloß ist der fürstliche Garten, darinnen allerhand Statuen, künstliche Wasserwerke und Fontainen; der Fasanengarten, Hühner-und Taubenhaus, die Orangerie, der Kraut- und Küchengarten und dergleichen viele mehr. Wenn gespeiset wird, kann Niemand auf dem Schloß aus- und einkommen. Der Herr Cousin Schubart hatte uns an den Haushofmeister Fernau recommandiret, welcher vor diesem fürstlicher Bedienter in Zerbst gewesen und von Geburt ein Fran¬ zose, von Natur ein Deutscher ist. Selber erwies uns alle Höflichkeit; er machte, daß wir nicht nur allerlei zu sehen bekamen, sondern tractirte uns Grenzboten til. 1872. ig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/153>, abgerufen am 22.12.2024.