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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Schätzung ein Paar kunstvoll gearbeitete Pistolen. Der Schultheiß von Erlach
begnügte sich, ihr zu sagen: "Meine Cousine, Sie haben sich tapfer gehalten."
Der Schultheiß von Frisching dagegen sagte ihr lächelnd: "Nicht auf dem Ball
hast Du gelernt, was wir eben mit angesehen."

Von da an hieß sie nur die Amazone oder Heroine von Wattenwyl.
Der Oberst von Mai machte ihr ein prächtiges Geschenk und des französischen
Gesandten Frau wollte sie wieder mit sich nach Paris locken.

Sie blieb aber bei Frau von Mai und hatte bald einen Anlaß, die
Pistolen des kaiserlichen Gesandten an einem kaiserlichen General zu versuchen.
General Rußwurm (?) machte nämlich Oberst von Mai einen Besuch, und
verliebte sich in unsere Amazone. In ihrer Naivität nahm sie seine Huldig¬
ungen entgegen, freilich wie sie sagt, mit vieler Kälte. Der General wurde
aber im Gegentheil immer wärmer. Auf einer Jagdpartie wußte er es einzu¬
richten, mit ihr allein im tiefen Wald zusammen zu treffen. Er fiel ihr zu
Füßen und beschwor sie um ihre Gunst, doch Katharina Franciska lachte ihm
ins Gesicht. Da wollte er Gewalt brauchen. Rasch ergriff sie die Pistolen,
das Geschenk des kaiserlichen Gesandten, drückte los und der eroberungssüch¬
tige General lag schwerverwundet in seinem Blut. In Folge dieses Vorfalls
kam es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen Oberst von Mai und Herrn
von Graviseth, und nach kurzem Aufenthalt aus Liebegg finden wir Katha-
rina Franciska wieder in Bern bei einem Schwager, dem Dr. Wilhelmi, ehe¬
maligem Leibarzt des Pfalzgrafen. Bei diesem erwarb sie sich einige medici¬
nische Kenntnisse, die ihr in ihrer nächsten Lebensstellung von großem Nutzen
wurden. --

Im Jahre 1669 sah man in Bern eine junge Dame durch die "Lauben"*)
gehen. Statt der kostbaren Pelzmütze ihres Standes trug sie eine einfache,
fast nonnenartig unschöne Kopfbedeckung; statt in Seide und Sammt, ging sie
in schmucklosen Kleidern einher, wie sie durch obrigkeitliches Mandat den da¬
maligen Pfarrersfrauen vorgeschrieben wurden. Und wenn sie am Sonntag
Morgen beim Glockenklang nach der "Spitalkapelle" eilte, blieb manch einer
stehen und sah der Frau Prädikantin nach. Es war Katharina Franciska
von Wattenwyl. seit dem 30. Juli oder 9. August (die "Rödel"**) stimmen
nicht) 1669 Frau "Helfer" *"*) Leclere. Ihre mannhafte Auslegung des siebenten
Gebots, dem deutschen General gegenüber, hatte ihre Verwandten überzeugt,
daß diese kleine Eregetin zu nichts so gut sich eigne, wie zu einer Dienerin des
göttlichen Worts. Lange hatte sie selbst sich gesträubt. Sie, die Königin
Beruf, umschwärmt von Edelleuten, die sich mit Stolz ihre Räthe, Pagen




D. Red.

") Rödel -- Rollen, Civilregister.
-) Die bekannten Ariden der Hauptstraßen Beruf.
HiPgeistliche an einer der hauptstädtischen Kirchen.

Schätzung ein Paar kunstvoll gearbeitete Pistolen. Der Schultheiß von Erlach
begnügte sich, ihr zu sagen: „Meine Cousine, Sie haben sich tapfer gehalten."
Der Schultheiß von Frisching dagegen sagte ihr lächelnd: „Nicht auf dem Ball
hast Du gelernt, was wir eben mit angesehen."

Von da an hieß sie nur die Amazone oder Heroine von Wattenwyl.
Der Oberst von Mai machte ihr ein prächtiges Geschenk und des französischen
Gesandten Frau wollte sie wieder mit sich nach Paris locken.

Sie blieb aber bei Frau von Mai und hatte bald einen Anlaß, die
Pistolen des kaiserlichen Gesandten an einem kaiserlichen General zu versuchen.
General Rußwurm (?) machte nämlich Oberst von Mai einen Besuch, und
verliebte sich in unsere Amazone. In ihrer Naivität nahm sie seine Huldig¬
ungen entgegen, freilich wie sie sagt, mit vieler Kälte. Der General wurde
aber im Gegentheil immer wärmer. Auf einer Jagdpartie wußte er es einzu¬
richten, mit ihr allein im tiefen Wald zusammen zu treffen. Er fiel ihr zu
Füßen und beschwor sie um ihre Gunst, doch Katharina Franciska lachte ihm
ins Gesicht. Da wollte er Gewalt brauchen. Rasch ergriff sie die Pistolen,
das Geschenk des kaiserlichen Gesandten, drückte los und der eroberungssüch¬
tige General lag schwerverwundet in seinem Blut. In Folge dieses Vorfalls
kam es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen Oberst von Mai und Herrn
von Graviseth, und nach kurzem Aufenthalt aus Liebegg finden wir Katha-
rina Franciska wieder in Bern bei einem Schwager, dem Dr. Wilhelmi, ehe¬
maligem Leibarzt des Pfalzgrafen. Bei diesem erwarb sie sich einige medici¬
nische Kenntnisse, die ihr in ihrer nächsten Lebensstellung von großem Nutzen
wurden. —

Im Jahre 1669 sah man in Bern eine junge Dame durch die „Lauben"*)
gehen. Statt der kostbaren Pelzmütze ihres Standes trug sie eine einfache,
fast nonnenartig unschöne Kopfbedeckung; statt in Seide und Sammt, ging sie
in schmucklosen Kleidern einher, wie sie durch obrigkeitliches Mandat den da¬
maligen Pfarrersfrauen vorgeschrieben wurden. Und wenn sie am Sonntag
Morgen beim Glockenklang nach der „Spitalkapelle" eilte, blieb manch einer
stehen und sah der Frau Prädikantin nach. Es war Katharina Franciska
von Wattenwyl. seit dem 30. Juli oder 9. August (die „Rödel"**) stimmen
nicht) 1669 Frau „Helfer" *»*) Leclere. Ihre mannhafte Auslegung des siebenten
Gebots, dem deutschen General gegenüber, hatte ihre Verwandten überzeugt,
daß diese kleine Eregetin zu nichts so gut sich eigne, wie zu einer Dienerin des
göttlichen Worts. Lange hatte sie selbst sich gesträubt. Sie, die Königin
Beruf, umschwärmt von Edelleuten, die sich mit Stolz ihre Räthe, Pagen




D. Red.

") Rödel — Rollen, Civilregister.
-) Die bekannten Ariden der Hauptstraßen Beruf.
HiPgeistliche an einer der hauptstädtischen Kirchen.
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[0133] Schätzung ein Paar kunstvoll gearbeitete Pistolen. Der Schultheiß von Erlach begnügte sich, ihr zu sagen: „Meine Cousine, Sie haben sich tapfer gehalten." Der Schultheiß von Frisching dagegen sagte ihr lächelnd: „Nicht auf dem Ball hast Du gelernt, was wir eben mit angesehen." Von da an hieß sie nur die Amazone oder Heroine von Wattenwyl. Der Oberst von Mai machte ihr ein prächtiges Geschenk und des französischen Gesandten Frau wollte sie wieder mit sich nach Paris locken. Sie blieb aber bei Frau von Mai und hatte bald einen Anlaß, die Pistolen des kaiserlichen Gesandten an einem kaiserlichen General zu versuchen. General Rußwurm (?) machte nämlich Oberst von Mai einen Besuch, und verliebte sich in unsere Amazone. In ihrer Naivität nahm sie seine Huldig¬ ungen entgegen, freilich wie sie sagt, mit vieler Kälte. Der General wurde aber im Gegentheil immer wärmer. Auf einer Jagdpartie wußte er es einzu¬ richten, mit ihr allein im tiefen Wald zusammen zu treffen. Er fiel ihr zu Füßen und beschwor sie um ihre Gunst, doch Katharina Franciska lachte ihm ins Gesicht. Da wollte er Gewalt brauchen. Rasch ergriff sie die Pistolen, das Geschenk des kaiserlichen Gesandten, drückte los und der eroberungssüch¬ tige General lag schwerverwundet in seinem Blut. In Folge dieses Vorfalls kam es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen Oberst von Mai und Herrn von Graviseth, und nach kurzem Aufenthalt aus Liebegg finden wir Katha- rina Franciska wieder in Bern bei einem Schwager, dem Dr. Wilhelmi, ehe¬ maligem Leibarzt des Pfalzgrafen. Bei diesem erwarb sie sich einige medici¬ nische Kenntnisse, die ihr in ihrer nächsten Lebensstellung von großem Nutzen wurden. — Im Jahre 1669 sah man in Bern eine junge Dame durch die „Lauben"*) gehen. Statt der kostbaren Pelzmütze ihres Standes trug sie eine einfache, fast nonnenartig unschöne Kopfbedeckung; statt in Seide und Sammt, ging sie in schmucklosen Kleidern einher, wie sie durch obrigkeitliches Mandat den da¬ maligen Pfarrersfrauen vorgeschrieben wurden. Und wenn sie am Sonntag Morgen beim Glockenklang nach der „Spitalkapelle" eilte, blieb manch einer stehen und sah der Frau Prädikantin nach. Es war Katharina Franciska von Wattenwyl. seit dem 30. Juli oder 9. August (die „Rödel"**) stimmen nicht) 1669 Frau „Helfer" *»*) Leclere. Ihre mannhafte Auslegung des siebenten Gebots, dem deutschen General gegenüber, hatte ihre Verwandten überzeugt, daß diese kleine Eregetin zu nichts so gut sich eigne, wie zu einer Dienerin des göttlichen Worts. Lange hatte sie selbst sich gesträubt. Sie, die Königin Beruf, umschwärmt von Edelleuten, die sich mit Stolz ihre Räthe, Pagen D. Red. ") Rödel — Rollen, Civilregister. -) Die bekannten Ariden der Hauptstraßen Beruf. HiPgeistliche an einer der hauptstädtischen Kirchen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/133>, abgerufen am 22.12.2024.