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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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zählten Borgängen unsre junge Heldin auf ihr Schloß Schöftland im
Aargau. Mit Erlaubniß des Bormundes nahm Katharina Frcmciska die
Einladung an. Man machte mancherlei Ausflüge, unter andern nach Baden,
namentlich während die Tagsatzung *) daselbst Sitzung hielt. Dieselbe war be¬
kanntlich der Tummelplatz aller Diplomaten, die nach der Schweiz kamen.
Vor allen zeichneten sich aus der französische Gesandte, und der Gesandte des
deutschen Kaisers, damals Graf Holstein. Eines Tages ließ dieser ein präch¬
tiges Pferd vorführen, das einen einzigen Fehler hatte: es ließ sich von Nie¬
mandem reiten. Der Oberst von Mai machte die Bemerkung, das Pferd
möchte doch nicht so unzähmbar sein als es scheine, er wolle eine Wette ein¬
gehen, daß eine Dame seiner Bekanntschaft, ein adeliges Fräulein es besteigen
und zu allen Reiterkünsten zwingen werde. Graf Holstein meinte lachend, das
könne doch wohl nur Spaß sein, denn das sei rein unmöglich. Aber Oberst
von Mai beharrte auf seiner Behauptung und es wurde eine große Wette
geschlossen. Die Schultheiße von Erlach und von Frisching, nahe Verwandte
der Katharina Franeiska, warnten den kecken Oberst und riethen ihm, von
seiner Wette abzustehen: Wenn er glaube, er habe es mit einer Waise ohne
Schutz und Schirm zu thun, so solle er zum voraus gewiß sein, daß er mit
seinem Leben für dasjenige des Fräulein von Wattenwyl hafte. Von Mai,
dadurch noch trotziger gemacht, eilte zu Katharina Frcmciska, und malte ihr
die Ehre vor, die ihrer warte. Frau von Mai verweigerte ihre Beistimmung:
Katharina Franeiska aber griff mit beiden Händen zu. Sobald ihr Entschluß
bekannt war, eilten die Ritter Beruf zu ihr. huldigten ihrem Muth und gaben
ihr noch einige gute Räthe für den Fall, daß das Pferd sich bäumen oder
überwerfen wolle. Dem Pferd wurde ein Frauensattel angegürtet. Die
Herren warfen ihm einen Mantel über den Kopf und mit keckem Muth be¬
stieg Katharina Franeiska als ächte Amazone den Renner. Kaum fühlte
dieser die schöne Last auf seinem Rücken, so flog er davon wie der Blitz.
Katharina Franeiska hielt Stand. Aber nach drei Gängen rissen drei Gurte
des Sattels. Katharina Franeiska sprang vom Pferd und führte den ge¬
bändigten Hengst vor das Hotel, wo die Gesandten und Abgeordneten ver¬
sammelt waren, um dem ungewöhnlichen Schauspiel zuzuschauen. Die ganze
Gesellschaft kam der Siegerin mit Beifallsbezeigungen entgegen. Der kaiser¬
liche Gesandte trat aus der Menge heraus, empfing sie aufs Höflichste, über¬
schüttete sie mit Complimenten und versicherte, ihren Ruhm der ganzen Welt
verkünden zu wollen; das ganze Geschlecht der Frauen habe sie an Muth
übertroffen, und mehr geleistet als der beste Reiter und Stallmeister. Und
mit unvergleichlicher Grazie überreichte er ihr als kleines Zeichen seiner Hoch-



D. Red. ') Die Versammlung der Stände der Eidgenossenschaft.

zählten Borgängen unsre junge Heldin auf ihr Schloß Schöftland im
Aargau. Mit Erlaubniß des Bormundes nahm Katharina Frcmciska die
Einladung an. Man machte mancherlei Ausflüge, unter andern nach Baden,
namentlich während die Tagsatzung *) daselbst Sitzung hielt. Dieselbe war be¬
kanntlich der Tummelplatz aller Diplomaten, die nach der Schweiz kamen.
Vor allen zeichneten sich aus der französische Gesandte, und der Gesandte des
deutschen Kaisers, damals Graf Holstein. Eines Tages ließ dieser ein präch¬
tiges Pferd vorführen, das einen einzigen Fehler hatte: es ließ sich von Nie¬
mandem reiten. Der Oberst von Mai machte die Bemerkung, das Pferd
möchte doch nicht so unzähmbar sein als es scheine, er wolle eine Wette ein¬
gehen, daß eine Dame seiner Bekanntschaft, ein adeliges Fräulein es besteigen
und zu allen Reiterkünsten zwingen werde. Graf Holstein meinte lachend, das
könne doch wohl nur Spaß sein, denn das sei rein unmöglich. Aber Oberst
von Mai beharrte auf seiner Behauptung und es wurde eine große Wette
geschlossen. Die Schultheiße von Erlach und von Frisching, nahe Verwandte
der Katharina Franeiska, warnten den kecken Oberst und riethen ihm, von
seiner Wette abzustehen: Wenn er glaube, er habe es mit einer Waise ohne
Schutz und Schirm zu thun, so solle er zum voraus gewiß sein, daß er mit
seinem Leben für dasjenige des Fräulein von Wattenwyl hafte. Von Mai,
dadurch noch trotziger gemacht, eilte zu Katharina Frcmciska, und malte ihr
die Ehre vor, die ihrer warte. Frau von Mai verweigerte ihre Beistimmung:
Katharina Franeiska aber griff mit beiden Händen zu. Sobald ihr Entschluß
bekannt war, eilten die Ritter Beruf zu ihr. huldigten ihrem Muth und gaben
ihr noch einige gute Räthe für den Fall, daß das Pferd sich bäumen oder
überwerfen wolle. Dem Pferd wurde ein Frauensattel angegürtet. Die
Herren warfen ihm einen Mantel über den Kopf und mit keckem Muth be¬
stieg Katharina Franeiska als ächte Amazone den Renner. Kaum fühlte
dieser die schöne Last auf seinem Rücken, so flog er davon wie der Blitz.
Katharina Franeiska hielt Stand. Aber nach drei Gängen rissen drei Gurte
des Sattels. Katharina Franeiska sprang vom Pferd und führte den ge¬
bändigten Hengst vor das Hotel, wo die Gesandten und Abgeordneten ver¬
sammelt waren, um dem ungewöhnlichen Schauspiel zuzuschauen. Die ganze
Gesellschaft kam der Siegerin mit Beifallsbezeigungen entgegen. Der kaiser¬
liche Gesandte trat aus der Menge heraus, empfing sie aufs Höflichste, über¬
schüttete sie mit Complimenten und versicherte, ihren Ruhm der ganzen Welt
verkünden zu wollen; das ganze Geschlecht der Frauen habe sie an Muth
übertroffen, und mehr geleistet als der beste Reiter und Stallmeister. Und
mit unvergleichlicher Grazie überreichte er ihr als kleines Zeichen seiner Hoch-



D. Red. ') Die Versammlung der Stände der Eidgenossenschaft.
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[0132] zählten Borgängen unsre junge Heldin auf ihr Schloß Schöftland im Aargau. Mit Erlaubniß des Bormundes nahm Katharina Frcmciska die Einladung an. Man machte mancherlei Ausflüge, unter andern nach Baden, namentlich während die Tagsatzung *) daselbst Sitzung hielt. Dieselbe war be¬ kanntlich der Tummelplatz aller Diplomaten, die nach der Schweiz kamen. Vor allen zeichneten sich aus der französische Gesandte, und der Gesandte des deutschen Kaisers, damals Graf Holstein. Eines Tages ließ dieser ein präch¬ tiges Pferd vorführen, das einen einzigen Fehler hatte: es ließ sich von Nie¬ mandem reiten. Der Oberst von Mai machte die Bemerkung, das Pferd möchte doch nicht so unzähmbar sein als es scheine, er wolle eine Wette ein¬ gehen, daß eine Dame seiner Bekanntschaft, ein adeliges Fräulein es besteigen und zu allen Reiterkünsten zwingen werde. Graf Holstein meinte lachend, das könne doch wohl nur Spaß sein, denn das sei rein unmöglich. Aber Oberst von Mai beharrte auf seiner Behauptung und es wurde eine große Wette geschlossen. Die Schultheiße von Erlach und von Frisching, nahe Verwandte der Katharina Franeiska, warnten den kecken Oberst und riethen ihm, von seiner Wette abzustehen: Wenn er glaube, er habe es mit einer Waise ohne Schutz und Schirm zu thun, so solle er zum voraus gewiß sein, daß er mit seinem Leben für dasjenige des Fräulein von Wattenwyl hafte. Von Mai, dadurch noch trotziger gemacht, eilte zu Katharina Frcmciska, und malte ihr die Ehre vor, die ihrer warte. Frau von Mai verweigerte ihre Beistimmung: Katharina Franeiska aber griff mit beiden Händen zu. Sobald ihr Entschluß bekannt war, eilten die Ritter Beruf zu ihr. huldigten ihrem Muth und gaben ihr noch einige gute Räthe für den Fall, daß das Pferd sich bäumen oder überwerfen wolle. Dem Pferd wurde ein Frauensattel angegürtet. Die Herren warfen ihm einen Mantel über den Kopf und mit keckem Muth be¬ stieg Katharina Franeiska als ächte Amazone den Renner. Kaum fühlte dieser die schöne Last auf seinem Rücken, so flog er davon wie der Blitz. Katharina Franeiska hielt Stand. Aber nach drei Gängen rissen drei Gurte des Sattels. Katharina Franeiska sprang vom Pferd und führte den ge¬ bändigten Hengst vor das Hotel, wo die Gesandten und Abgeordneten ver¬ sammelt waren, um dem ungewöhnlichen Schauspiel zuzuschauen. Die ganze Gesellschaft kam der Siegerin mit Beifallsbezeigungen entgegen. Der kaiser¬ liche Gesandte trat aus der Menge heraus, empfing sie aufs Höflichste, über¬ schüttete sie mit Complimenten und versicherte, ihren Ruhm der ganzen Welt verkünden zu wollen; das ganze Geschlecht der Frauen habe sie an Muth übertroffen, und mehr geleistet als der beste Reiter und Stallmeister. Und mit unvergleichlicher Grazie überreichte er ihr als kleines Zeichen seiner Hoch- D. Red. ') Die Versammlung der Stände der Eidgenossenschaft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/132>, abgerufen am 25.08.2024.