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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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der Hauptstadt zu folgen. Herr von Torny wurde sammt seiner Braut vor
das obere Ehegericht citirt. Der Bräutigam erschien auch wirklich und erklärte
sich bereit, Alles zu thun, zu versprechen und zu unterschreiben, was den ge¬
strengen Herrn irgend Sicherheit bieten konnte. Aber Alles half nichts. Die
Verlobten mußten ihre Brautgeschenke sich wieder zustellen, ihre Briefe und
Billets wurden verbrannt. Der Bräutigam protestirte, und erklärte, er weiche
nur der Gewalt, werde aber sein Eheversprechen mit religiöser Gewissenhaftig¬
keit als fortbestehend betrachten. Und in der That -- Herr von Diesbach
von Torny, Hauptmann der Schweizergarden in Paris, starb als alter Knabe.

Weniger dauernd war der Schmerz der Katharina Franciska. Freilich
"fiel ihr schwer genug, -- wie sie selbst sagt -- sich dieser Ungerechtigkeit zu
fügen, dieser Laune des Schicksals, das ihr eine so günstige Versorgung zu
nichte machte." Aber bald machte sie aus der Noth eine Tugend.
Sie suchte sich im Verkehr mit Allem, was damals in Bern für vornehm und
berühmt galt, zu entschädigen und wußte auch jedermann an sich zu sesseln.
Lag doch selbst der oberste Dekan Hummel, ein Mann von Ruf und Gelehr¬
samkeit, zu ihren Füßen. "Dieser Papst der Evangelischen -- schreibt sie selbst
-- liebte mich wie seine eigne Tochter. Alle fremden Fürsten und Edelleute,
welche nach Bern kamen, ermangelten nie ihn zu besuchen. Ich mußte mich
bei ihm einfinden, um die hohen Besuche zu empfangen und er überschüttete
mich so sehr mit Lobsprüchen, daß sie meine Bescheidenheit kaum zu ertragen
vermochte." Und endlich, um System zu bringen in die unzähligen Hof-
machereien, mit denen sie die junge Herrenwelt umstürmte, gründete sie einen
förmlichen Hos, in welchem jeder der Gecken und künftigen Staatslenker seine
Stellung und Ausgabe hatte und dessen Königin zu sein sie sich rühmte.
Conseils-Präsident war ein Herr Steiger von Rolle. Die Herren von Wurstem-
berger und Stürler waren Hofräthe, Burkhard von Wattenwyl erster, und
Anton von Wattenwyl zweiter Page. Herr von Steiger, Candidat der Theo¬
logie, bekleidete die Würde des Hofpredigers. In den Sitzungen wurden nur
ernste Gegenstände besprochen, was Katharina Franciska's Einfluß und Ruf
nur vermehren konnte. Bis zu den Ohren der Königin von Schweden war
dieser Ruf gedrungen. Es erschien nämlich in Bern Ursus Glutz,
Landvogt von Thierstein, seit 1764 Herr zu Blotzheim im Elsaß, mit einem
Schreiben Christina's von Schweden, welches Katharina Franciska zur Ehren¬
dame der Königin ernannte. Aber der Umstand, daß Christina längst dem
Throne entsagt hatte, ihre Hülfsmittel oft nur spärlich flössen, hauptsächlich
aber ihr pomphafter Uebertritt zur katholischen Kirche, die Wahl Roms zu
ihrem Wohnsitz und ihr unstätes Wanderleben, waren die Gründe, warum
die Verwandten Katharina Franciska's diese Ehre ablehnten.

Eine Frau von Mai lud auf einem Besuch in Bern, bald nach den er-


der Hauptstadt zu folgen. Herr von Torny wurde sammt seiner Braut vor
das obere Ehegericht citirt. Der Bräutigam erschien auch wirklich und erklärte
sich bereit, Alles zu thun, zu versprechen und zu unterschreiben, was den ge¬
strengen Herrn irgend Sicherheit bieten konnte. Aber Alles half nichts. Die
Verlobten mußten ihre Brautgeschenke sich wieder zustellen, ihre Briefe und
Billets wurden verbrannt. Der Bräutigam protestirte, und erklärte, er weiche
nur der Gewalt, werde aber sein Eheversprechen mit religiöser Gewissenhaftig¬
keit als fortbestehend betrachten. Und in der That — Herr von Diesbach
von Torny, Hauptmann der Schweizergarden in Paris, starb als alter Knabe.

Weniger dauernd war der Schmerz der Katharina Franciska. Freilich
„fiel ihr schwer genug, — wie sie selbst sagt — sich dieser Ungerechtigkeit zu
fügen, dieser Laune des Schicksals, das ihr eine so günstige Versorgung zu
nichte machte." Aber bald machte sie aus der Noth eine Tugend.
Sie suchte sich im Verkehr mit Allem, was damals in Bern für vornehm und
berühmt galt, zu entschädigen und wußte auch jedermann an sich zu sesseln.
Lag doch selbst der oberste Dekan Hummel, ein Mann von Ruf und Gelehr¬
samkeit, zu ihren Füßen. „Dieser Papst der Evangelischen — schreibt sie selbst
— liebte mich wie seine eigne Tochter. Alle fremden Fürsten und Edelleute,
welche nach Bern kamen, ermangelten nie ihn zu besuchen. Ich mußte mich
bei ihm einfinden, um die hohen Besuche zu empfangen und er überschüttete
mich so sehr mit Lobsprüchen, daß sie meine Bescheidenheit kaum zu ertragen
vermochte." Und endlich, um System zu bringen in die unzähligen Hof-
machereien, mit denen sie die junge Herrenwelt umstürmte, gründete sie einen
förmlichen Hos, in welchem jeder der Gecken und künftigen Staatslenker seine
Stellung und Ausgabe hatte und dessen Königin zu sein sie sich rühmte.
Conseils-Präsident war ein Herr Steiger von Rolle. Die Herren von Wurstem-
berger und Stürler waren Hofräthe, Burkhard von Wattenwyl erster, und
Anton von Wattenwyl zweiter Page. Herr von Steiger, Candidat der Theo¬
logie, bekleidete die Würde des Hofpredigers. In den Sitzungen wurden nur
ernste Gegenstände besprochen, was Katharina Franciska's Einfluß und Ruf
nur vermehren konnte. Bis zu den Ohren der Königin von Schweden war
dieser Ruf gedrungen. Es erschien nämlich in Bern Ursus Glutz,
Landvogt von Thierstein, seit 1764 Herr zu Blotzheim im Elsaß, mit einem
Schreiben Christina's von Schweden, welches Katharina Franciska zur Ehren¬
dame der Königin ernannte. Aber der Umstand, daß Christina längst dem
Throne entsagt hatte, ihre Hülfsmittel oft nur spärlich flössen, hauptsächlich
aber ihr pomphafter Uebertritt zur katholischen Kirche, die Wahl Roms zu
ihrem Wohnsitz und ihr unstätes Wanderleben, waren die Gründe, warum
die Verwandten Katharina Franciska's diese Ehre ablehnten.

Eine Frau von Mai lud auf einem Besuch in Bern, bald nach den er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/131>, abgerufen am 22.12.2024.