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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Zu dieser Zeit kann man hier allerlei Nationen aus allen vier Welttheilen
sehen. Jedwede Nation hat ihren gewissen Platz, bei dem oder jenen Pfeiler,
die alle numerirt sind. Es sind drei Pforten oder Eingänge, welche von ^/zi
bis 1 Uhr geschlossen werden, da dann ein Jeder, der zur Zeit was zu thun
hat und hinauswill, dem Pförtner etwas in seine Büchse geben muß. Ueber
der Gallerie sind viele Krambuden und am Ende ist eine Fechtschule, da der
Fechtmeister von der Stadt besoldet wird. Unter der Gallerie hängen aller¬
hand Musqueten. Piquen, Degen und Bandeliere, womit man etwa 80 Mann
waffnen kann. Allhier werden die Bürger vom Monat Mai bis im Sep¬
tember vom Stadtmajor in Kriegsexercitien unterrichtet, da dann ein Jedweder,
so nur will, sich exerciren lassen kann. Der Hasen in Amsterdam ist der be¬
rühmteste in ganz Europa. Obgleich er schon an die 1000 Schritte breit und
eine halbe Stunde lang ist, so ist er doch stets mit Schiffen angefüllet. Das
Admiralitätshaus oder eigentlich der Prinzenhof, auf welchem die seefahrenden
Leute angenommen werden, ist ein schön Haus. Das Arsenal ist ein recht
königlich Werk, nicht allein wegen aller der zur Erbauung der Kriegsschiffe
nöthigen Sachen, sondern auch wegen der Größe und guten Verwahrung der
Kriegsschiffe, wobei wegen der steten Wachen kein Mensch hinein kommen
kann, als welcher dazu gehöret. Nächst dabei liegen die großen und mächtigen
Kriegsschiffe, ungefähr 60 bis 70, wovon die geringsten 40 bis 50 Canons
führen. Die ostindische Compagnie hat nicht weit davon ihr Seemagazin, so
ebenfalls ringsum im Wasser lieget und sehr wohl verwahret ist; ihre Waaren
aber liegen in sehr großen Häusern in der Stadt herum.

Der Stadt Amsterdam hat man auch die Erfindung der Brandspritzen
und Nachtlaternen zu verdanken, welche beide von einem Jean van der Heyden,
einem Mennonisten, mit dessen Sohn ich oft in Compagnie gewesen bin, her¬
rühren.*) Auch hat man 2 Compagnieen Ratewachtel, in 300 Mann be¬
stehend, welche des Nachts zwei und zwei mit halben Piken und Seitengewehr
herum gehen und alle halbe Stunden rufen, wie spät es sei, ingleichen auch
Achtung geben, ob Feuer vorhanden. Bei selbigen kann man sich sicher
adressiren, wenn man des Abends spät ausgehen muß, da selbige zugleich
Ordre haben, die Leute sicher nach Hause zu bringen und sie zu beschützen
gegen Dirnen und Diebe, welche des Nachts herum vagiren und öfters großen
Schaden thun.

Um die Wassergraben und Grahem rein zu halten, sind fünf große
Schlammmühlen angebracht worden, die Unreinigkeit heraus zu mahlen.

Haerlem ist eine sehr schöne große und reiche Stadt, lieget 2V<-Stunden



1 Sehr wahrscheinlich sind hier die neu eingeführten Straßenlaternen und die damals
verbesserten Feuerspritzen gemeint.
Grenzboten 111. 1872. 14

Zu dieser Zeit kann man hier allerlei Nationen aus allen vier Welttheilen
sehen. Jedwede Nation hat ihren gewissen Platz, bei dem oder jenen Pfeiler,
die alle numerirt sind. Es sind drei Pforten oder Eingänge, welche von ^/zi
bis 1 Uhr geschlossen werden, da dann ein Jeder, der zur Zeit was zu thun
hat und hinauswill, dem Pförtner etwas in seine Büchse geben muß. Ueber
der Gallerie sind viele Krambuden und am Ende ist eine Fechtschule, da der
Fechtmeister von der Stadt besoldet wird. Unter der Gallerie hängen aller¬
hand Musqueten. Piquen, Degen und Bandeliere, womit man etwa 80 Mann
waffnen kann. Allhier werden die Bürger vom Monat Mai bis im Sep¬
tember vom Stadtmajor in Kriegsexercitien unterrichtet, da dann ein Jedweder,
so nur will, sich exerciren lassen kann. Der Hasen in Amsterdam ist der be¬
rühmteste in ganz Europa. Obgleich er schon an die 1000 Schritte breit und
eine halbe Stunde lang ist, so ist er doch stets mit Schiffen angefüllet. Das
Admiralitätshaus oder eigentlich der Prinzenhof, auf welchem die seefahrenden
Leute angenommen werden, ist ein schön Haus. Das Arsenal ist ein recht
königlich Werk, nicht allein wegen aller der zur Erbauung der Kriegsschiffe
nöthigen Sachen, sondern auch wegen der Größe und guten Verwahrung der
Kriegsschiffe, wobei wegen der steten Wachen kein Mensch hinein kommen
kann, als welcher dazu gehöret. Nächst dabei liegen die großen und mächtigen
Kriegsschiffe, ungefähr 60 bis 70, wovon die geringsten 40 bis 50 Canons
führen. Die ostindische Compagnie hat nicht weit davon ihr Seemagazin, so
ebenfalls ringsum im Wasser lieget und sehr wohl verwahret ist; ihre Waaren
aber liegen in sehr großen Häusern in der Stadt herum.

Der Stadt Amsterdam hat man auch die Erfindung der Brandspritzen
und Nachtlaternen zu verdanken, welche beide von einem Jean van der Heyden,
einem Mennonisten, mit dessen Sohn ich oft in Compagnie gewesen bin, her¬
rühren.*) Auch hat man 2 Compagnieen Ratewachtel, in 300 Mann be¬
stehend, welche des Nachts zwei und zwei mit halben Piken und Seitengewehr
herum gehen und alle halbe Stunden rufen, wie spät es sei, ingleichen auch
Achtung geben, ob Feuer vorhanden. Bei selbigen kann man sich sicher
adressiren, wenn man des Abends spät ausgehen muß, da selbige zugleich
Ordre haben, die Leute sicher nach Hause zu bringen und sie zu beschützen
gegen Dirnen und Diebe, welche des Nachts herum vagiren und öfters großen
Schaden thun.

Um die Wassergraben und Grahem rein zu halten, sind fünf große
Schlammmühlen angebracht worden, die Unreinigkeit heraus zu mahlen.

Haerlem ist eine sehr schöne große und reiche Stadt, lieget 2V<-Stunden



1 Sehr wahrscheinlich sind hier die neu eingeführten Straßenlaternen und die damals
verbesserten Feuerspritzen gemeint.
Grenzboten 111. 1872. 14
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[0113] Zu dieser Zeit kann man hier allerlei Nationen aus allen vier Welttheilen sehen. Jedwede Nation hat ihren gewissen Platz, bei dem oder jenen Pfeiler, die alle numerirt sind. Es sind drei Pforten oder Eingänge, welche von ^/zi bis 1 Uhr geschlossen werden, da dann ein Jeder, der zur Zeit was zu thun hat und hinauswill, dem Pförtner etwas in seine Büchse geben muß. Ueber der Gallerie sind viele Krambuden und am Ende ist eine Fechtschule, da der Fechtmeister von der Stadt besoldet wird. Unter der Gallerie hängen aller¬ hand Musqueten. Piquen, Degen und Bandeliere, womit man etwa 80 Mann waffnen kann. Allhier werden die Bürger vom Monat Mai bis im Sep¬ tember vom Stadtmajor in Kriegsexercitien unterrichtet, da dann ein Jedweder, so nur will, sich exerciren lassen kann. Der Hasen in Amsterdam ist der be¬ rühmteste in ganz Europa. Obgleich er schon an die 1000 Schritte breit und eine halbe Stunde lang ist, so ist er doch stets mit Schiffen angefüllet. Das Admiralitätshaus oder eigentlich der Prinzenhof, auf welchem die seefahrenden Leute angenommen werden, ist ein schön Haus. Das Arsenal ist ein recht königlich Werk, nicht allein wegen aller der zur Erbauung der Kriegsschiffe nöthigen Sachen, sondern auch wegen der Größe und guten Verwahrung der Kriegsschiffe, wobei wegen der steten Wachen kein Mensch hinein kommen kann, als welcher dazu gehöret. Nächst dabei liegen die großen und mächtigen Kriegsschiffe, ungefähr 60 bis 70, wovon die geringsten 40 bis 50 Canons führen. Die ostindische Compagnie hat nicht weit davon ihr Seemagazin, so ebenfalls ringsum im Wasser lieget und sehr wohl verwahret ist; ihre Waaren aber liegen in sehr großen Häusern in der Stadt herum. Der Stadt Amsterdam hat man auch die Erfindung der Brandspritzen und Nachtlaternen zu verdanken, welche beide von einem Jean van der Heyden, einem Mennonisten, mit dessen Sohn ich oft in Compagnie gewesen bin, her¬ rühren.*) Auch hat man 2 Compagnieen Ratewachtel, in 300 Mann be¬ stehend, welche des Nachts zwei und zwei mit halben Piken und Seitengewehr herum gehen und alle halbe Stunden rufen, wie spät es sei, ingleichen auch Achtung geben, ob Feuer vorhanden. Bei selbigen kann man sich sicher adressiren, wenn man des Abends spät ausgehen muß, da selbige zugleich Ordre haben, die Leute sicher nach Hause zu bringen und sie zu beschützen gegen Dirnen und Diebe, welche des Nachts herum vagiren und öfters großen Schaden thun. Um die Wassergraben und Grahem rein zu halten, sind fünf große Schlammmühlen angebracht worden, die Unreinigkeit heraus zu mahlen. Haerlem ist eine sehr schöne große und reiche Stadt, lieget 2V<-Stunden 1 Sehr wahrscheinlich sind hier die neu eingeführten Straßenlaternen und die damals verbesserten Feuerspritzen gemeint. Grenzboten 111. 1872. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/113>, abgerufen am 22.07.2024.