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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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von Amsterdam und 4 von Leiden und hat die zweite Stimme unter den
holländischen Städten. Selbige hat sich einen ewigen Ruhm erworben wegen
der Einnahme der Stadt Damiaten in Aegypten anno 1190. wie auch wegen
der ersten Erfindung der Buchdruckerei. Nahe bei dieser Stadt ist ein See,
das Haerlemer Meer genannt. Die Straßen der Stadt sind sehr sauber
und mit vielen schönen Häusern besetzet, von welchen die besten der Hrn. Ab¬
raham und Pieter Verdammen sind. Die Mennonisten, die hier die reichsten
in Ha erlern sind, haben schöne Häuser, darin sie ihren Gottesdienst halten.
Die Kaufleute pflegen hier wohl selbst unter einander aufzusteigen und zu
predigen, ja es öfters manchem Prediger zuvor zu thun. Die Herren Diepen-
brock und Vergoes, bei welchen letzteren mein Papa allezeit sein Logement zu
nehmen pfleget, thun es auch öfters.

Leiden ist nach Amsterdam die größte Stadt in Holland und hat das
vierte Votum in der Versammlung. Sie lieget vier Stunden von Ha erlern,
drei von Delft und sieben Stunden von Amsterdam, Dortrecht und
Utrecht, so daß sie ungefähr mitten in Holland lieget. Daselbst ist zu sehen
die Burg, welche sehr alt ist und einen tiefen Brunnen hat. Bei dem Fisch¬
markt ist eine schöne Fontaine. Die Akademie, welche im Jahr 1576 ange¬
leget, ist sehr berühmt und halten sich bei die 400 Studirende da auf. darunter
viele Deutsche, Polen, Schweden. Engländer, Schottländer und Franzosen,
unter denen öfters Prinzen, Grafen und Barone zu sehen. Der selige König
von England hat in seiner Jugend auch daselbst studiret und allda einen
artigen Casum erlebet. Wie selber nämlich ins Collegium gehen will und
Niemand als einen kleinen Pagen bei sich hat, siehet er einen Bauern von
Ottwich welcher Garnate zu verkaufen hat. selbigen ruft er und lässet sich
eine Maaß voll von den Fischen geben und stecket sie sich in die Tasche. Wie
aber der Bauer zwei Stüber fordert vor seine Garnate, so sagt der Prinz, er
sollte sich fortpacken, Ick betael nich, ick ben de Prius! Allein der Bauer war
damit nicht coulant, sondern gab ihm Eins über die Nah' und würde noch
ein Mehreres gethan haben, wenn nicht noch eine gute alte Frau dazwischen
gekommen und zwei Stüber für den Prinzen erleget und sie dem Bauernknollen
gegeben.

In Leiden sind schöne Kirchen. Das Stadthaus, welches aus der breiten
Gasse gelegen, ist ein schönes Gebäude und auf demselben ein hübscher Thurm
mit einem Glockenspiel. Vor dem Stadthaus sind zum ewigen Angedenken
der hispanischen harten Belagerung dieser Stadt etliche Verse zu lesen. Die
berühmte Anatomie, die Libliotluzea, welche zur Akademie gehöret, der Hortus
aoaäemieus, ingleichen die Waage, die vielen Waisen-. Finde!- und Spinn¬
häuser sind nicht zu verachten. Im Uebrigen ist Leiden auch berühmt wegen
seiner schönen Manufacturen.


von Amsterdam und 4 von Leiden und hat die zweite Stimme unter den
holländischen Städten. Selbige hat sich einen ewigen Ruhm erworben wegen
der Einnahme der Stadt Damiaten in Aegypten anno 1190. wie auch wegen
der ersten Erfindung der Buchdruckerei. Nahe bei dieser Stadt ist ein See,
das Haerlemer Meer genannt. Die Straßen der Stadt sind sehr sauber
und mit vielen schönen Häusern besetzet, von welchen die besten der Hrn. Ab¬
raham und Pieter Verdammen sind. Die Mennonisten, die hier die reichsten
in Ha erlern sind, haben schöne Häuser, darin sie ihren Gottesdienst halten.
Die Kaufleute pflegen hier wohl selbst unter einander aufzusteigen und zu
predigen, ja es öfters manchem Prediger zuvor zu thun. Die Herren Diepen-
brock und Vergoes, bei welchen letzteren mein Papa allezeit sein Logement zu
nehmen pfleget, thun es auch öfters.

Leiden ist nach Amsterdam die größte Stadt in Holland und hat das
vierte Votum in der Versammlung. Sie lieget vier Stunden von Ha erlern,
drei von Delft und sieben Stunden von Amsterdam, Dortrecht und
Utrecht, so daß sie ungefähr mitten in Holland lieget. Daselbst ist zu sehen
die Burg, welche sehr alt ist und einen tiefen Brunnen hat. Bei dem Fisch¬
markt ist eine schöne Fontaine. Die Akademie, welche im Jahr 1576 ange¬
leget, ist sehr berühmt und halten sich bei die 400 Studirende da auf. darunter
viele Deutsche, Polen, Schweden. Engländer, Schottländer und Franzosen,
unter denen öfters Prinzen, Grafen und Barone zu sehen. Der selige König
von England hat in seiner Jugend auch daselbst studiret und allda einen
artigen Casum erlebet. Wie selber nämlich ins Collegium gehen will und
Niemand als einen kleinen Pagen bei sich hat, siehet er einen Bauern von
Ottwich welcher Garnate zu verkaufen hat. selbigen ruft er und lässet sich
eine Maaß voll von den Fischen geben und stecket sie sich in die Tasche. Wie
aber der Bauer zwei Stüber fordert vor seine Garnate, so sagt der Prinz, er
sollte sich fortpacken, Ick betael nich, ick ben de Prius! Allein der Bauer war
damit nicht coulant, sondern gab ihm Eins über die Nah' und würde noch
ein Mehreres gethan haben, wenn nicht noch eine gute alte Frau dazwischen
gekommen und zwei Stüber für den Prinzen erleget und sie dem Bauernknollen
gegeben.

In Leiden sind schöne Kirchen. Das Stadthaus, welches aus der breiten
Gasse gelegen, ist ein schönes Gebäude und auf demselben ein hübscher Thurm
mit einem Glockenspiel. Vor dem Stadthaus sind zum ewigen Angedenken
der hispanischen harten Belagerung dieser Stadt etliche Verse zu lesen. Die
berühmte Anatomie, die Libliotluzea, welche zur Akademie gehöret, der Hortus
aoaäemieus, ingleichen die Waage, die vielen Waisen-. Finde!- und Spinn¬
häuser sind nicht zu verachten. Im Uebrigen ist Leiden auch berühmt wegen
seiner schönen Manufacturen.


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[0114] von Amsterdam und 4 von Leiden und hat die zweite Stimme unter den holländischen Städten. Selbige hat sich einen ewigen Ruhm erworben wegen der Einnahme der Stadt Damiaten in Aegypten anno 1190. wie auch wegen der ersten Erfindung der Buchdruckerei. Nahe bei dieser Stadt ist ein See, das Haerlemer Meer genannt. Die Straßen der Stadt sind sehr sauber und mit vielen schönen Häusern besetzet, von welchen die besten der Hrn. Ab¬ raham und Pieter Verdammen sind. Die Mennonisten, die hier die reichsten in Ha erlern sind, haben schöne Häuser, darin sie ihren Gottesdienst halten. Die Kaufleute pflegen hier wohl selbst unter einander aufzusteigen und zu predigen, ja es öfters manchem Prediger zuvor zu thun. Die Herren Diepen- brock und Vergoes, bei welchen letzteren mein Papa allezeit sein Logement zu nehmen pfleget, thun es auch öfters. Leiden ist nach Amsterdam die größte Stadt in Holland und hat das vierte Votum in der Versammlung. Sie lieget vier Stunden von Ha erlern, drei von Delft und sieben Stunden von Amsterdam, Dortrecht und Utrecht, so daß sie ungefähr mitten in Holland lieget. Daselbst ist zu sehen die Burg, welche sehr alt ist und einen tiefen Brunnen hat. Bei dem Fisch¬ markt ist eine schöne Fontaine. Die Akademie, welche im Jahr 1576 ange¬ leget, ist sehr berühmt und halten sich bei die 400 Studirende da auf. darunter viele Deutsche, Polen, Schweden. Engländer, Schottländer und Franzosen, unter denen öfters Prinzen, Grafen und Barone zu sehen. Der selige König von England hat in seiner Jugend auch daselbst studiret und allda einen artigen Casum erlebet. Wie selber nämlich ins Collegium gehen will und Niemand als einen kleinen Pagen bei sich hat, siehet er einen Bauern von Ottwich welcher Garnate zu verkaufen hat. selbigen ruft er und lässet sich eine Maaß voll von den Fischen geben und stecket sie sich in die Tasche. Wie aber der Bauer zwei Stüber fordert vor seine Garnate, so sagt der Prinz, er sollte sich fortpacken, Ick betael nich, ick ben de Prius! Allein der Bauer war damit nicht coulant, sondern gab ihm Eins über die Nah' und würde noch ein Mehreres gethan haben, wenn nicht noch eine gute alte Frau dazwischen gekommen und zwei Stüber für den Prinzen erleget und sie dem Bauernknollen gegeben. In Leiden sind schöne Kirchen. Das Stadthaus, welches aus der breiten Gasse gelegen, ist ein schönes Gebäude und auf demselben ein hübscher Thurm mit einem Glockenspiel. Vor dem Stadthaus sind zum ewigen Angedenken der hispanischen harten Belagerung dieser Stadt etliche Verse zu lesen. Die berühmte Anatomie, die Libliotluzea, welche zur Akademie gehöret, der Hortus aoaäemieus, ingleichen die Waage, die vielen Waisen-. Finde!- und Spinn¬ häuser sind nicht zu verachten. Im Uebrigen ist Leiden auch berühmt wegen seiner schönen Manufacturen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/114>, abgerufen am 25.08.2024.