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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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legung ist geschehen anno 1662, wodurch sie so erstaunend groß geworden,
daß man wenig Städte findet, die dieselbe an schönen Thürmen, Kirchen,
Häusern, realen Straßen, schönen Grachtens und sonsten was zur Bequem¬
lichkeit der Kaufleute dienen mag, übertreffen. In der neuen Kirche ist son¬
derlich die kunstreiche Canzel oder Predigerstuhl zu observiren, welche mehr
als 12,500 Thaler gekostet, die schöne Orgel, so man für die beste in ganz
Holland rechnet, das Chor, woran eine Thür mit dicken kupfernen Tränken,
die schönen Grabsteine von de Ruyter, von Galen ze. Man hat angefangen
einen großen Thurm daran zu bauen, zu dessen Grund nicht weniger als 6334
Pfähle in die Erde mußten gestoßen werden. Die alte Kirche ist auch ein gar
herrlicher Bau, worinnen die Grabstätten von Hemskerk, Cornelius Jans,
Rollers, van der Hülfe (Huelst?), van Zaan, van Wurts und Anderen, ein
künstlich gebauter Thurm von 240 Fuß mit sehr schönen Spiel- und
Schlaguhren.

Die Wester- und Zuyderkirche sind nach diesem die größesten. An der
ersten ist der höchste Thurm in Amsterdam von 260 Fuß, darauf ein herrlich
Glockenspiel, oben auf der Spitze eine große kaiserliche Krone, die Kaiser
Maximilian gegeben. An der andern Kirche ebenfalls ein schöner Thurm mit
Glockenspiel und 237 Fuß hoch. Das Stadt- oder Rathhaus wird nicht um¬
sonst das achte Wunder der Welt genannt. Der erste Stein dazu ist gelegt
den 28. November 1648, und 1635 hielt der Senat das erste Mal Session
darin. Der Eingang dazu ist mit drei erzernen Statuen gezieret, welche die
Gerechtigkeit, Stärke und Ueberfluß vorstellen. Ueber dem Stadthaus ist ein
runder Thurm, darinnen ein anmuthiges Glockenspiel. Inwendig ist es noch
prächtiger als außen und ist solches Alles von Marmorstein. Unten auf der
einen Seite sind lauter Gefängnisse, woraus noch kein Mensch entwischet;
auf der andern ist der berühmte Schatz, welchen man die Bank von Amster¬
dam nennt. Wenn man auf den ersten Grund kommt, der mit Marmor
beleget, trifft man zwei Weltkarten und noch einen Lllobum eoelestem an.

Vor dem Stadthause ist der große Platz, daselbst der Damm genannt,
worauf insgemein die Posten ankommen, und sich gewöhnlich eine große
Menge Volkes zusammenmachet, die dann von den und jenen Zeitungen dis-
curiren. Hier höret man oft die allergeringsten Handwerksleute von solchen
Dingen reden, daß man sich darüber verwundern und glauben muß, daß es
Sieurs seien. Man darf auch frei mit anhören, was sie discuriren und seine
Sentiments dazu geben. Auf dem Damm stehet noch das alte Stadthaus,
welches jetzund zu einer tüorvs as Zaräe (Caserne?) gebrauchet wird, und
darunter ist die Waage. Die Börse, so unten ganz gewölbet, ist so zu sagen
eine Brücke über die Amstel, ein fast viereckiger Platz, worauf sich täglich,
ausgenommen die Feiertage, die Kaufleute von 12 bis 2 Uhr versammeln.


legung ist geschehen anno 1662, wodurch sie so erstaunend groß geworden,
daß man wenig Städte findet, die dieselbe an schönen Thürmen, Kirchen,
Häusern, realen Straßen, schönen Grachtens und sonsten was zur Bequem¬
lichkeit der Kaufleute dienen mag, übertreffen. In der neuen Kirche ist son¬
derlich die kunstreiche Canzel oder Predigerstuhl zu observiren, welche mehr
als 12,500 Thaler gekostet, die schöne Orgel, so man für die beste in ganz
Holland rechnet, das Chor, woran eine Thür mit dicken kupfernen Tränken,
die schönen Grabsteine von de Ruyter, von Galen ze. Man hat angefangen
einen großen Thurm daran zu bauen, zu dessen Grund nicht weniger als 6334
Pfähle in die Erde mußten gestoßen werden. Die alte Kirche ist auch ein gar
herrlicher Bau, worinnen die Grabstätten von Hemskerk, Cornelius Jans,
Rollers, van der Hülfe (Huelst?), van Zaan, van Wurts und Anderen, ein
künstlich gebauter Thurm von 240 Fuß mit sehr schönen Spiel- und
Schlaguhren.

Die Wester- und Zuyderkirche sind nach diesem die größesten. An der
ersten ist der höchste Thurm in Amsterdam von 260 Fuß, darauf ein herrlich
Glockenspiel, oben auf der Spitze eine große kaiserliche Krone, die Kaiser
Maximilian gegeben. An der andern Kirche ebenfalls ein schöner Thurm mit
Glockenspiel und 237 Fuß hoch. Das Stadt- oder Rathhaus wird nicht um¬
sonst das achte Wunder der Welt genannt. Der erste Stein dazu ist gelegt
den 28. November 1648, und 1635 hielt der Senat das erste Mal Session
darin. Der Eingang dazu ist mit drei erzernen Statuen gezieret, welche die
Gerechtigkeit, Stärke und Ueberfluß vorstellen. Ueber dem Stadthaus ist ein
runder Thurm, darinnen ein anmuthiges Glockenspiel. Inwendig ist es noch
prächtiger als außen und ist solches Alles von Marmorstein. Unten auf der
einen Seite sind lauter Gefängnisse, woraus noch kein Mensch entwischet;
auf der andern ist der berühmte Schatz, welchen man die Bank von Amster¬
dam nennt. Wenn man auf den ersten Grund kommt, der mit Marmor
beleget, trifft man zwei Weltkarten und noch einen Lllobum eoelestem an.

Vor dem Stadthause ist der große Platz, daselbst der Damm genannt,
worauf insgemein die Posten ankommen, und sich gewöhnlich eine große
Menge Volkes zusammenmachet, die dann von den und jenen Zeitungen dis-
curiren. Hier höret man oft die allergeringsten Handwerksleute von solchen
Dingen reden, daß man sich darüber verwundern und glauben muß, daß es
Sieurs seien. Man darf auch frei mit anhören, was sie discuriren und seine
Sentiments dazu geben. Auf dem Damm stehet noch das alte Stadthaus,
welches jetzund zu einer tüorvs as Zaräe (Caserne?) gebrauchet wird, und
darunter ist die Waage. Die Börse, so unten ganz gewölbet, ist so zu sagen
eine Brücke über die Amstel, ein fast viereckiger Platz, worauf sich täglich,
ausgenommen die Feiertage, die Kaufleute von 12 bis 2 Uhr versammeln.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/112>, abgerufen am 22.12.2024.